Von Alexander
Freitag, 19. Juni 2020

“Für mich ist ein klarer Rhythmus sehr wichtig”

Gründeralltag - gibt es das überhaupt? "Ich bin gedanklich nicht automatisch im Feierabend, sobald ich nach Hause komme. Ich habe mich auch von der Vorstellung verabschiedet, dass die Firma nur funktioniert, wenn ich täglich 14 Stunden im Büro bin", sagt Marc Nicolas Polleti, Mitgründer von Cluno.

Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Heute antwortet Marc Nicolas Polleti, Mitgründer von Cluno.

Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Mit einem wunderbaren Cappuccino aus meiner Rocket-Siebträgermaschine! Meine Frau Christina und ich sind Kaffeeliebhaber und haben sowohl unser Office für unsere Mitarbeiter als auch unsere eigene Küche mit einer guten italienischen Kaffeemaschine ausgestattet.

Wie schaltest du nach der Arbeit ab?
Da geht es mir wie allen anderen: Ich bin gedanklich nicht automatisch im Feierabend, sobald ich nach Hause komme. Ich habe mich auch von der Vorstellung verabschiedet, dass die Firma nur funktioniert, wenn ich täglich 14 Stunden im Büro bin. Wenn das so wäre, hätte Cluno ein Problem – außerdem hält das niemand auf Dauer durch. Für mich ist ein klarer Rhythmus sehr wichtig – der bringt Struktur und macht auf lange Sicht produktiver. Was ich außerdem gelernt habe: Kreativität funktioniert nicht auf Knopfdruck: Die besten Einfälle habe ich erstaunlicherweise bei meiner abendlichen Sport-Session, wenn ich am Grill stehe, im Camping-Urlaub. Also dann, wenn ich nicht arbeite.

Was über das Gründer-Dasein hättest du gerne vor der Gründung gewusst?
Die initiale Geschäftsidee ist nur 10% vom Erfolg eines Startups. Der weitaus größere Teil ist harte Arbeit und Disziplin. Immer und immer wieder müssen Lösungen für Probleme gefunden werden, die nun mal auftauchen. Je früher man das lernt, desto besser. Die aktuelle Lage ist da übrigens ein gutes Beispiel: Egal wie gut deine Geschäftsidee ist, du wirst dein Business durch eine wirklich herausfordernde Phase führen müssen.

Was waren die größten Hürden, die Du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstet?
Das Thema der Refinanzierung hat mir ganz am Anfang von Cluno am meisten schlaflose Nächte bereitet. Als Startup von den Banken das Kapital für Autos zu bekommen, war eine Herausforderung – selbst mit unserem Background im Automotive Bereich. Am Ende waren wir aber auch damit sehr erfolgreich und haben bisher in Summe etwa €150 Millionen Fremdkapital eingesammelt.

Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du aus diesen gelernt?
Bei Cluno sind die ganz großen Fehler bisher ausgeblieben, sonst wären wir nicht so schnell so weit gekommen. Mein größtes Learning aus meinen beiden eigenen Startups ist: Konzentriere dich als CEO auf 1. Hiring, 2. Fundraising, 3. Company Vision und das Mitnehmen aller Stakeholder auf dieser Reise. Und wenn, wie aktuell, die See rauer wird, halte das Steuer fest in der Hand.

Wie findet man die passenden Mitarbeiter für sein Startup?
Cluno und auch das Cluno Team ist in den letzten zweieinhalb Jahren stark gewachsen. Für uns ist ein Mix aus jungen Leuten mit wahnsinnig viel Motivation und Ehrgeiz sowie Mitarbeitern, die als Experten in ihrem Gebiet viel wertvolle Erfahrung mitbringen, wichtig. Social Media ist auch im Recruiting nicht mehr wegzudenken: Wir betreiben viel Employer Branding auf LinkedIn, sind aber auch auf relevanten Fachveranstaltungen unterwegs. Komplementär dazu informiert unsere neue Karriere-Website interessierte Bewerber über unsere Unternehmenskultur. Das ist meiner Meinung nach entscheidend, wenn es darum geht, die richtigen Leute zu überzeugen.

Welchen Tipp hast Du für andere Gründer?
So unspektakulär es klingt: Setzt euch sehr intensiv mit den Mechaniken eurer Geschäftsidee und denen von erfolgreichen Startups auseinander. In der Regel steckt hinter der „Ideen-Fassade“ ein komplexes Konstrukt. Bildlich gesprochen: Das Fundament, das Mauerwerk und die Statik zu verstehen, ist elementar, wenn die Fassade dauerhaft stehen bleiben soll.

Ohne welches externe Tool würde dein Startup quasi nicht mehr existieren?
Clunos Existenz hängt glücklicherweise nicht von externen Tools ab. Sie sind Mittel zum Zweck, nicht mehr und nicht weniger: Ohne ein funktionierendes Geschäftsmodell ist auch das beste Tool nutzlos. Systemlösungen wie AWS, Salesforce, Tableau und Co. sind für den täglichen, reibungslosen Geschäftsablauf aber natürlich wahnsinnig hilfreich.

Wie sorgt ihr bei eurem Team für gute Stimmung?
Vertrauen ist die wichtigste Grundlage. Ich weiß, dass ich mich zu 100 % auf meine Mitarbeiter verlassen kann – und gebe deshalb gerne Verantwortung ab. Das wirkt sich positiv auf die Motivation und den Ehrgeiz eines jeden aus. Zusammenhalt ist auch sehr wichtig: Wir haben gemeinsame Events und veranstalten Company Days, bei denen der Austausch zwischen den Teams gefördert wird. Das ist umso wichtiger, je größer das Unternehmen wird.

Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Ehrlich gesagt, war das meine Kündigung vor 10 Jahren. Das hat sich echt krass angefühlt: Ich war Geschäftsführer eines Porsche Zentrums, habe gut verdient, hatte einen Firmenwagen und war sozial angesehen. Das alles hinzuwerfen, das Leben zu resetten und das erste Startup zu gründen, war wirklich wild. Im Nachhinein war das die wichtigste und beste Entscheidung meines Lebens. Startup fühlt sich immer wieder mal wild an, aber ich mag das! Es gibt Momente, in denen du dir einfach nur denkst: „Verdammte Axt, wie lösen wir das denn jetzt?!“ Aber mit der Zeit gewöhnst du dich an vieles, bleibst ruhig und findest Lösungen.

Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.

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Foto (oben): Cluno