#Interview

“Ins Büro zu gehen, ist für mich keine lästige Pflicht”

Gründeralltag - gibt es das überhaupt? "Die Gründung und der Aufbau von eToro war von Anfang an eine stürmische Zeit, die sich von einer Idee zu einem Start-up mit jetzt über 800 Mitarbeitern entwickelt hat", sagt Yoni Assia, Mitgründer von eToro.
“Ins Büro zu gehen, ist für mich keine lästige Pflicht”
Freitag, 29. Mai 2020VonAlexander

Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Heute antwortet Yoni Assia, Mitgründer von eToro, eine sogenannte “Multi-Asset-Brokerage und Investment Plattform”.

Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Kein Tag gleicht dem anderen. Ich bin entweder im Büro oder unterwegs, um mit Investoren zu verhandeln oder auf Konferenzen zu sprechen. Da unser Geschäft weltweit expandiert, verbringe ich viel Zeit mit Reisen.

Wie schaltest du nach der Arbeit ab?
Ich glaube nicht an den täglichen Trott. Ich liebe meinen Job. Ins Büro zu gehen, ist für mich keine lästige Pflicht oder Arbeit, es ist meine Leidenschaft. Meine andere Leidenschaft ist meine Familie – meine Frau und meine vier Kinder.

Was über das Gründer-Dasein hättest du gerne vor der Gründung gewusst?
Wie wichtig es ist, die richtigen Leute auszuwählen, die für einen arbeiten, denn nicht nur der Gründer bringt den Laden zum Laufen. Die Mitarbeiter sind ein wesentlicher Bestandteil, um alles, woran man gearbeitet hat, Wirklichkeit werden zu lassen. Ich hätte auch gerne gewusst, wie wichtig es ist, darüber zu reden, worum es bei meinem Start-up geht. Ich musste es erklären, auch wenn ich selbst davon überzeugt war, dass das Tool selbsterklärend ist.

Was waren die größten Hürden, die Du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstet?
Unser größtes Hindernis war der Beweis, dass eToro als Konzept funktioniert. Ich habe die Reise 2007 begonnen, zu einer Zeit, als FinTech noch in den Kinderschuhen steckte und weit entfernt vom Bewusstsein der Massen war. Wir waren mit der ersten, die den traditionellen Bankensektor herausforderten. Wir mussten beweisen, dass Kleinanleger, und vor allem die Millennials, eine Plattform wollten, auf der sie ihre Investitionen besser kontrollieren können. Jetzt haben wir 12 Millionen registrierte Nutzer weltweit, also haben wir definitiv überzeugt!

Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du aus diesen gelernt?
Keine Angst vor Fehlern haben, war der Schlüssel zum Erfolg von eToro. Es ist wichtig, neue Ideen auszuprobieren, und ich fordere Unternehmer immer dazu auf, Risiken einzugehen, auch wenn andere Leute ihnen sagen, dass sie verrückt sind. eToro hatte mehrere Fehlstarts. Anfangs dachten mein Bruder (Mitbegründer Ronen Assia) und ich, dass die Gamifizierung der Schlüssel ist. Wir erkannten aber bald, dass unsere Kunden etwas wollten, das einfach ist, und nicht spielerisch. Also änderten wir den Kurs und konzentrierten uns darauf, den Leuten die Möglichkeit zu geben, ihre Portfolios zu verfolgen und zu teilen. Dieses “soziale” Element entwickelte sich dann weiter, dass unsere Nutzer andere Investoren kopieren können. Diese “Kopierfunktionalität” ist zu unserem USP geworden.

Wie findet man die passenden Mitarbeiter für sein Startup?
Um eToro skalieren zu können, brauchten wir ein breites Spektrum an Fachwissen für unsere Fintech- und Multi-Asset-Investitionsplattform, die jetzt in über 100 Ländern zur Verfügung steht. In der Zusammensetzung unseres globalen Teams spiegelt sich diese Globalität wider. Das wir auf der ganzen Welt gewachsen sind, lag sicher auch daran, dass wir die richtige lokale Expertise mitbringen. In den letzten zwei Jahren ist die Mitarbeiterzahl von eToro mit über 800 Mitarbeitern rapide gewachsen, was sowohl Folge unserer globalen Expansion als auch unseres Produktangebotes von provisionsfreien Aktien bis hin Krypto ist.

Welchen Tipp hast Du für andere Gründer?
Ich habe drei Ratschläge. Erstens: Scheue dich nicht, innovativ zu sein, und sei geduldig. Du musst begreifen, dass es Zeit braucht, bis neue Technologien übernommen werden. Dafür gibt es in der Geschichte unzählige Beispiele, wie den Hubschrauber oder die elektrische Energie. Blockchain ist das jüngste Beispiel. Zweitens: Unternehmer neigen dazu, stur zu sein und nicht zuzuhören. Diese Leidenschaft und Beharrlichkeit ist es, die dir zum Erfolg verhelfen, aber du müssen trotzdem lernen, zuzuhören. Drittens: Definiere dein Zielpublikum klar und stelle sicher, dass du direkten Kontakt mit ihnen hast. Du musst deine Kunden verstehen. Du wirst das ehrlichste und wertvollste Feedback von ihnen erhalten.

Ohne welches externes Tool würde dein Startup quasi nicht mehr existieren?
Mein Telefon und Nikotin. Ich verlasse das Haus nie ohne beides.

Wie sorgt ihr bei eurem Team für gute Stimmung?
Ich bin sehr stolz darauf, dass wir ein Unternehmen mit einer “Work hard, play hard”-Kultur aufgebaut haben. Da ich kein Büro habe, steht meine Tür wirklich immer offen. Das ist wirklich wichtig für mich. Wir haben eToro in der Überzeugung gegründet, dass das Anlegen von Geld eine Erfahrung sein sollte, die jeder machen kann, und dass wir bessere Entscheidungen in einem Umfeld treffen, in dem Menschen Ideen austauschen können. Dasselbe gilt für die Führung eines Unternehmens.

Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Eigentlich kann ich nicht genau sagen, ob ich das schon erlebt habe, denn es gab viele Momente, die ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht hätte vorstellen konnte. Die Gründung und der Aufbau von eToro war von Anfang an eine stürmische Zeit, die sich von einer Idee zu einem Start-up mit jetzt über 800 Mitarbeitern und mehr als 12 Millionen registrierten Usern weltweit innerhalb von nur 13 Jahren entwickelt hat. Die Ausweitung des Geschäfts auf Asien und die USA war eine unglaubliche Zeit, die Übernahme von Firmo und Delta im letzten Jahr war ein absoluter Höhepunkt. Es ist also immer noch eine wilde Achterbahn und macht viel Spaß!

Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.

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Foto (oben): eToro

Alexander

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.