#Gastbeitrag

Wie Flaschenpost versucht hat, eine Betriebsratswahl zu verhindern

Flaschenpost ist ein Lieferdienst mit über 500 Mitarbeitern und seit 2016 dabei den deutschen Getränkemarkt zu erschließen. In zwei Verfahren versuchte Flaschenpost gegen den Wahlvorstand und die Betriebsratswahl vorzugehen.
Wie Flaschenpost versucht hat, eine Betriebsratswahl zu verhindern
Freitag, 17. April 2020VonTeam

Die Bemühungen des Lieferdienstes Flaschenpost eine Betriebsratswahl zu verhindern bzw. mindestens zu erschweren, sind vorerst gescheitert. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf gab in einem soeben erschienenen Beschluss grünes Licht für Betriebsratswahl.

Flaschenpost ist ein Lieferdienst mit über 500 Mitarbeitern und seit 2016 dabei den deutschen Getränkemarkt zu erschließen. Am Standort Düsseldorf versuchten drei Mitarbeiter mit Hilfe der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) eine Betriebsratswahl zu organisieren. In zwei Verfahren versuchte Flaschenpost gegen den Wahlvorstand und die Betriebsratswahl vorzugehen.

Warum überhaupt einen Betriebsrat?

Betriebsräte sind die Interessensvertretung für alle in einem Unternehmen Mitarbeitenden. Im Betriebsverfassungsgesetz sind die Aufgaben, die Rechte und die Pflichten des Betriebsrates geregelt. Dabei berät der Betriebsrat Arbeitnehmer, versucht die Belange gegenüber dem Arbeitgeber durchzusetzen, schließt Betriebsvereinbarungen und wird in bestimmten Fragen an den Entscheidungen des Unternehmens beteiligt.

Dabei hat der Betriebsrat auch gewisse Informations- und Überwachungsfunktionen. Der Betriebsrat soll sich vor allem auch um etwa benachteiligte oder nicht gleichberechtigte Arbeitnehmer kümmern und die Einhaltung der schützenden Gesetze überwachen. Aber vor allem darf der Betriebsrat mitbestimmen und Start-Ups bestimmen in aller Regel lieber alleine wohin das Unternehmen sich entwickelt.

Wie kommt es zu einer Betriebsratswahl?

Wenn in Unternehmen mindestens 5 Arbeitnehmer in Vollzeit beschäftigt werden, können die Arbeitnehmer einen Betriebsrat wählen. Hierbei ist je nach Zahl der Mitarbeitenden die Größe des zu wählenden Betriebsrates nach bestimmten gesetzlichen Kennzahlen anzupassen. Im Falle der Flaschenpost sind 11 Mitglieder für den Betriebsrat zu wählen.

Um die Wahlen durchführen zu können, muss durch eine Vollversammlung aller Mitarbeitenden, die sog. Betriebsversammlung, einen Wahlvorstand aus drei Personen wählen. Der Wahlvorstand organisiert die Wahl und nimmt Kandidaturen an. In einer zweiten Betriebsversammlung, welche einige Wochen nach der ersten stattfindet, wird die eigentliche Betriebsratswahl durchgeführt. Die Initialzündung gibt also die Betriebsversammlung, zu der beliebige 3 Arbeitnehmer aufrufen können.

Flaschenpost will Wahlvorstand nicht akzeptieren

Zu dieser ersten Betriebsversammlung Mitte Januar 2020 haben die drei Mitarbeiter und die Gewerkschaft NGG im Dezember 2019 eingeladen. Die Flaschenpost versuchte schon in diesem Stadium die Betriebsversammlung zu verhindern, weil der Arbeitgeber befürchtete, dass nicht alle Mitarbeitenden von der Einladung erfahren würden. 

Durch das flexible Schichtsystem, in welches sich die Mitarbeitenden selbstständig eintragen können, und durch die Urlaubs- und Fehlzeiten gegen Ende des Jahres wäre es nicht gewährleistet, dass alle Mitarbeitenden zu dieser Zeit in der Betriebsstätte anwesend sind, so der Arbeitgeber. So verschob man die Versammlung auf Ende Januar 2020, bei der nur 34 Mitarbeitende teilnahmen.

Flaschenpost scheitert in zwei Verfahren

Der Arbeitgeber wollte versuchen dagegen gerichtlich vorzugehen. Er verlor vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf und nun auch in zweiter Instanz vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Beschluss vom 25.03.2020 – Az. 7 TaBVGa 2/20). Kernargument des Lieferdienstes gegen die von dem Wahlvorstand einberufene Betriebsratsversammlung zur Betriebsratswahl war, dass am Tag der Wahl des Wahlvorstandes etwa ein Drittel der Mitarbeitenden durchgängig nicht im Betrieb anwesend gewesen seien. Diese hätten entweder keine Schicht gehabt oder wären wegen Arbeitsunfähigkeit beziehungsweise Urlaub nicht anwesend gewesen.

LAG Düsseldorf: Wahl ist nicht nichtig

Auch das LAG wies die Klage der Flaschenpost ab. Da die Bestellung des Wahlvorstandes nicht nichtig war, gäbe es nach Ansicht des LAG keinen Grund die eingeleitete Betriebsratswahl abzubrechen. Selbst wenn die Einladungsfrist der Versammlung zur Wahl eines Wahlvorstandes zu kurz gewesen wäre, führe dies nicht zur Nichtigkeit der Betriebsratswahl. Dies gilt auch dann, wenn Teile der Belegschaft von der Einladung zur Wahlversammlung keine Kenntnis genommen hätten.

Da der Arbeitgeber versuchte die Wahlen in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes durchzusetzen, prüfte das Gericht nicht, ob die durchgeführte Betriebsratswahl anfechtbar ist. Die Betriebsratswahl könne der Arbeitgeber nur in einem Hauptsacheverfahren, welches ausführlicher die Rechtslage prüft, anfechten.

Reaktion der Gewerkschaft auf das Urteil

Die Gewerkschaft NGG feiert die Gründung des Betriebsrates auf ihrer Internetseite als einen „Meilenstein“. Verständlich, denn bei Start-Ups bekommen Gewerkschaften bisher kaum einen Fuß in die Tür. Flaschenpost hat die Schlacht um die Betriebsratswahl damit endgültig verloren. Wie aus gut informierter Quelle zu hören war, gehen die Auseinandersetzungen aber weiter. Flaschenpost hat wohl acht Arbeitnehmern, die gewerkschaftlich organisiert waren, fristlos gekündigt. Ob diese Kündigungen gerechtfertigt sind, wird in weiteren Verfahren zu klären sein. Über die konkreten Kündigungsgründe ist nichts bekannt. 

An dem allgemeinen Trend, dass in Start-Ups selten Betriebsräte gewählt werden, wird sich zunächst wohl nichts ändern.

Zum Autor
Pascal Croset ist Fachanwalt für Arbeitsrecht. Seine Kanzlei berät und vertritt bundesweit Arbeitgeber und Arbeitnehmer im gesamten Arbeitsrecht.

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Foto (oben): flaschenpost.de