Curassist: Wenn ein Startup ein ganzes System angreift
In wenigen Branchen werden so oft eklatante Missstände in Deutschland angeprangert wie in der Pflege. Fast jeder hat schon einmal von fürchterlichen Zuständen der Pflegebedürftigen und der totalen Überlastung der Pflegekräfte gehört oder gelesen. Gründer Thomas Müller konnte als Patient und als Pfleger hinter die Kulissen blicken und ist bis zu den Schwachpunkten des Systems vorgedrungen. Genau diese greift er nun mit seiner Lösung curassist an.
Für den Gründer mit der bewegenden Geschichte hagelt es viel Lob. Nicht nur, dass er als ehemaliger Krebspatient den Einsatz der Pflegekräfte und ihre starken Belastung verstanden hatte, auch faste er dadurch den Entschluss, die Seiten zu wechseln und ließ sich selbst zum Pfleger ausbilden. Doch dadurch musste er umso stärker erfahren, wie schwer es das System den Pflegekräften macht, ausreichend für ihre Patienten da zu sein. Harte und elternunfreundliche Schichtsysteme, kaum Möglichkeiten auf Selbstbestimmung und dadurch oft eben auch nicht, den eigenen Anspruch an die Arbeit zu erfüllen.
Auf der anderen Seite haben sich bestimmt viele schon einmal gewundert, wie das denn möglich ist, da die Kosten für Pflege oft sehr hoch erscheinen. Warum machen sich Pflegekräfte also nicht selbstständig, so dass sie mehr Selbstbestimmung haben, aber auch mehr von den Zahlungen der Krankenkassen und Angehörigen abbekommen? Die Antwort scheint klar in der deutschen Bürokratie zu liegen: Prozesse für die Anerkennung sind so aufwändig, dass viele sich gar nicht erst daran trauen. Große Organisationen und Pflegedienste kennen alle Anordnungen und Prozesse, haben oft spezielle Mitarbeiter nur für die Bürokratie, auch insbesondere bezüglich der Abrechnungen mit den Krankenkassen. Müht sich eine einzelne Pflegekraft ohne Vorkenntnisse und etablierte Kontakte im Prozess der Anerkennung ab, kann dieser wohl locker mal 12 Monate dauern. Mit Curassist hat Thomas daher eine Plattform geschaffen, die selbstständigen Pflegekräften genau diese aufwändige, frustrierende Bürokratie, die ja vom Prinzip nichts mit ihrem eigentlichen Beruf zu tun hat, abnimmt. Der vormals beschriebene Prozess wird so nicht nur von der Dauer her auf einen Monat reduziert, sondern die Pflegekraft selbst muss sich auch kaum damit auseinandersetzen.
Auch die Abrechnung mit den Krankenkassen, die oft nicht minder aufwändig ist, nimmt curassist seinen Pflegekräften ab. Da es hier wohl oft sogar sein kann, dass Anträge, die nicht von Organisationen kommen, die den Kassen bekannt sind, gar nicht erst bearbeitet werden, wird dadurch die selbstständige Tätigkeit oft erst ermöglicht.
Und die Selbstständigkeit bietet nicht nur den Pflegekräften viele Chancen. Denn dadurch, dass sie sich selbst organisieren können, wird es auch möglich, als Wiedereinsteiger mit Kindern oder nur in Teilzeit in den Beruf zurück zu kehren. Zusätzliche Kapazitäten, die unser System in Deutschland dringend braucht.
Dadurch, dass eine Art zentrale Stelle, nämlich die curassist-Plattform, die Bürokratie der notwendigen Prozesse übernimmt, wird deren negativer Effekt nahezu aufgelöst, der bisher die Selbstständigkeit in diesem Beruf nahezu vollständig verhindert hat. Und genau das könnte ein lange gewachsenes Machtgefüge einer ganzen Branche auflösen, denn der Vorteil der großen Organisationen, dass nur sie wissen, wie sie möglichst schnell ihre Pflegekräfte anerkennen lassen können, und dass nur sie einigermaßen effizient mit den Krankenkassen abrechnen können, schrumpft extrem zusammen. Die Margen, die sie auf Kosten der Pflegekräfte und der Pflegebedürftigen gebildet haben, sind plötzlich stark gefährdet.
Ein Startup, das so etwas auslöst, legt sich natürlich auch mit mächtigen Gegnern an und hat hoffentlich starke Partner an seiner Seite. Besonders, wenn ein System so dringend eine Disruption zum Wohle der Menschen braucht wie das der Pflege in Deutschland.
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