Pressearbeit 2020: Hat die digitale Revolution alles verändert?
In den letzten 20 Jahren haben junge Unternehmen und Start-ups nach und nach alle Bereiche umgekrempelt, die sie direkt oder indirekt betroffen haben. Betroffen sind und waren nicht nur ganze Branchen, sondern auch grundlegende Themenkomplexe wie unsere tägliche Kommunikation. In der PR spricht man oft davon, dass es gar keine Journalisten*innen mehr gäbe bzw. wir alle Journalisten*innen, Blogger*innen oder Influencer*innen seien. Doch machen Sie sich keine Illusion darüber, dass mit dem Internet eine Demokratisierung von Informationen einhergeht: Es wird immer eine Form der Hierarchie und immer Pressearbeit geben.
Pressearbeit fand schon immer abseits des Rampenlichts statt. Die Berufsbezeichnung trifft seit jeher auf Unverständnis bei all denjenigen, die im Metier nicht zuhause sind. So alt wie die Presse selbst ist das Berufsfeld, für das es neben Networking-Fähigkeiten und guten Kontakten auch einwandfreies Reaktionsvermögen sowie Kreativität und Ausdauer braucht. Eine gute Schreibe, Genauigkeit und argumentatives sowie diplomatisches Geschick runden das Profil ab.
Doch wie in vielen anderen Branchen auch hat sich das traditionelle Aufgabenportfolio im Laufe der Zeit etwas gewandelt. Es reicht nicht mehr nur Medienvertreter*innen zu kennen, die man hin und wieder zum Mittagessen einlädt, um einen guten Job zu machen. Soziale Netzwerke, Influencer*innen, neue Online-Player und -Medien sind nur einige der neueren Phänomene. Die Zahl der Kontaktlisten, Medien und Plattformen sind in die Höhe geschossen. Während die Möglichkeiten nahezu unzählbar sind, ist es entscheidend, das genaue Ziel zu kennen, die thematisch dazu passende Nische auszuwählen und zwischen den unterschiedlichen Medientypen zu navigieren. Zwar haben die Inhalte im digitalen Raum auch eine höhere Lebensdauer, dadurch wächst aber gleichzeitig der Druck: Manch ein Fehler ist möglicherweise für immer nachvollziehbar.
In den letzten fünf bis zehn Jahren sind Aufgabenbereiche organisch gewachsen oder neu entstanden, von denen man vor 15 Jahren nicht geträumt hätte. Was ist Brand Content? Worum kümmert sich ein Community Manager oder ein Traffic Manager? Was zeichnet einen SEO-Manager aus und was macht der e-CRM-Projektmanager? Diese Fragen präzise und knapp zu beantworten, ist noch keine Selbstverständlichkeit geworden. Doch all diese Akteure sind Teil des Spiels der modernen Pressearbeit.
Es war wichtig, die Bedeutung von SEO, Twitter oder Instagram zu verstehen sowie herauszufinden, welchen Einfluss Algorithmen auf unsere Gewohnheiten haben. Während man im Jahr 2000 durchschnittlich zwölf Sekunden Aufmerksamkeit für einen Post aufgebracht hat, sind es jetzt nur noch sieben Sekunden – und der Trend prognostiziert einen weiteren Sinkflug. Es stimmt durchaus, dass mit diesen Plattformen auch gleichzeitig neue Kommunikationsstrategien geboren wurden, die die Art und Weise, wie wir über uns selbst, über Marken, technologische Fortschritte und Zeitgeschehen sprechen, neu gestalten.
Auch in der Vielfalt der neuen Ausdrucksformen in sozialen Medien, Unternehmenswebsites oder -blogs sowie Advertorials bleibt das große Ziel, die Aufmerksamkeit eines*r Journalisten*in auf ein Thema zu lenken. Eine Veröffentlichung oder eine Erwähnung in den Medien ist nach wie vor ein Qualitätsmerkmal. Das redaktionelle Interesse aus dem Newsroom ist an Seriosität nicht zu überbieten.
Und in dieser Hinsicht hat sich nichts verändert: Um zu überzeugen, müssen Sie wissen, wo Ihre Stärken liegen und diese in eine Geschichte betten, die auf Ihre Zielgruppe zugeschnitten ist. Die Aufgabe des Pressespezialisten ist es dann, den*die richtige*n Journalisten*in ausfindig zu machen und intuitiv zu wissen, wie man sie oder ihn anspricht.
Natürlich gilt es die Weiterentwicklung der Kommunikationsmethoden tagesaktuell zu verfolgen. Wer seine Karriere in der Medienarbeit vor 2010 begonnen hat, musste sich zum Teil neu erfinden und mit der Zeit gehen. Sollten Sie jedoch der Meinung sein, dass das Internet traditionelle Kommunikationsmuster ausgelöscht hat, ist Ihnen Folgendes vielleicht entgangen. Zwar stimmt es, dass nahezu jeder heute Inhalte erstellen und verbreiten kann. Doch ein verifizierter Account hat schafft mehr Vertrauen als ein unbekannter Player. Nur wenigen gelingt es sich hervorzuheben, zu profilieren und als Experte*in in Erscheinung zu treten.
Auch vor sozialen Netzwerken macht die Hierarchisierung nicht Halt: Für jede Nische gibt es in nahezu jedem Land einen Super-Influencer. Zwar haben viele einen Facebook-, Instagram- oder Twitter-Account, aber nur wenige bestimmen die Trends von morgen. Diese sozialen Netzwerke haben sich zu Nachrichtenplattformen entwickelt, die als Sprachrohr dienen.
Die Geschwindigkeit bleibt auch 2020 atemberaubend hoch. Die Zahl der Plattformen und Ausdrucksmöglichkeiten wird weiterhin wachsen. Jede Nische hat ihr eigenes Publikum und ist durch diese Entwicklung transparenter und leichter zu finden als je zuvor. Was sich definitiv verändert hat? Sollte kein Medium Ihre Geschichte aufgreifen, können Sie sich selbst der neuen Plattformen bedienen und Ihre Neuigkeiten streuen. Mal sehen, was wir in zehn Jahren dazu sagen werden – bis dahin ist ein Teil der Pressearbeit nach wie vor business as usual.
Über die Autorin
Clara Armand-Delille ist Gründerin und Geschäftsführerin von ThirdEyeMedia, eine Kommunikationsberatung für Unternehmen und Start-ups aus dem Tech-Bereich. Mit einem Jahrzehnt an Branchenerfahrung und früheren Stationen bei Google, Accel Partners und iZettle vereint Clara Armand-Delille Branchenkenntnis und PR-Expertise. Dabei hat sie scho. Start-ups in Europa, den USA und Lateinamerika beim Aufbau der eigenen Marke unterstützt, global angelegte Kommunikationskampagnen, Markteinführungen und Finanzierungsmitteilungen begleitet.
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