#Interview

“Jeder Freitagmorgen ist Sporttag, da gehe ich vor dem Büro zum intensiven Workout”

Gründeralltag - gibt es das überhaupt? "Früher konnte ich wirklich gar nicht abschalten nach der Arbeit. That’s startup life und ja auch ein selbst gewähltes Schicksal. Mittlerweile gelingt mir das besser", sagt Christoph Kruse, Gründer der Touristiksoftware Bookingkit.
“Jeder Freitagmorgen ist Sporttag, da gehe ich vor dem Büro zum intensiven Workout”
Dienstag, 7. Januar 2020VonAlexander Hüsing

Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Heute antwortet Christoph Kruse, Gründer der Touristiksoftware Bookingkit.

Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Ich bin ein absoluter Morgenmensch! Da ich lange beim Radio gearbeitet habe war ich es gewohnt, sehr früh aufzustehen. Mittlerweile bin ich älter und starte bewusster in den Tag – was auf keinen Fall dabei fehlen darf: Meine S-Bahnfahrt ins Büro, die würde ich nie gegen ein Auto tauschen. Die Fahrt brauche ich zum “in-den-Tag-kommen”, um Nachrichten zu lesen, manchmal bei Blinkist noch eine Buchzusammenfassung zu hören und mich auf den Tag vorzubereiten. Das Tolle am Gründerleben ist, dass wirklich jeder Tag komplett anders ist. Und: Jeder Freitagmorgen ist Sporttag, da gehe ich vor dem Büro zum intensiven Workout – egal, wie der Donnerstagabend aussah.

Wie schaltest Du nach der Arbeit ab?
Früher konnte ich wirklich gar nicht abschalten nach der Arbeit. That’s startup life und ja auch ein selbst gewähltes Schicksal. Mittlerweile gelingt mir das besser: Beim gemeinsamen Kochen – ich liebe orientalische, gerne israelische Küche – und einem guten Tropfen Wein mit Freunden kann ich am besten abschalten vom Gründer-Alltag. Wobei hier mein neues Motto auch “weniger ist mehr” lautet: Lieber etwas weniger oft liebe Menschen sehen, sich für eben genau diese aber deutlich mehr Zeit nehmen.

Was über das Gründer-Dasein hättest Du gerne vor der Gründung gewusst?
Ich hatte die tolle Chance, dass ich schon mit sehr jungen Jahren eine erste Firma aufbauen konnte, damals noch unter dem Dach einer Holding. Dort gab es eine gute Fehlerkultur, etwas, was mich auch für bookingkit sehr geprägt hat. Ich konnte also schon früh Learnings in die neue Gründung einbringen. Sicher ist aber das Thema Recruiting/HR für mich eines der größten Learnings – und etwas, was ich offen gesagt zu Beginn unterschätzt habe. Aber nicht nur das Wissen um eine skalierbare Talent Acquisition, sondern auch die Execution, also das wirkliche Implementieren. Da hätte ich mir gern vor der Gründung jemanden gewünscht, der mich gepackt und gesagt hätte: “Das musst du im Griff haben – es wird dein Überleben sichern!”

Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du aus diesen gelernt?
Wir haben ja ein B2B-SaaS-Produkt für kleine und mittelständische Unternehmen im Tourismusbereich “Touren und Aktivitäten”, immerhin dem drittgrößten touristischen Segment. Direkt zu Beginn haben wir das Thema Onboarding sicherlich unterschätzt. Wir dachten, ganz banal gesagt: Kunde gewonnen, Kunde online, fertig. Aber so läuft es nicht. Der Implementierungsaufwand ist doch größer, als wir zunächst erwartet hatten. Inzwischen haben wir stark in den Kundenservice investiert und den ursprünglichen “Fehler” aus meiner Sicht deutlich überkompensiert und wurden für unser Onboarding und Service auch mehrfach ausgezeichnet.

Wie findet man die passenden Mitarbeiter für sein Startup?
Wir glauben sehr stark an frühzeitig saubere Prozesse, klare Strukturen und Verantwortlichkeiten – also eine gute Aufbau- und Ablauforganisation. Dies mag gegen manche “chaotische” Start-up-Organisationsstruktur etwas ungewöhnlich erscheinen. Parallel braucht es ein gutes Gespür für die Themen der Mitarbeiter, was nicht aufgesetzt wirken darf. “Do what you pray” ist hier ein wichtiger Leitspruch: Zu dem zu stehen und auch einzuhalten, was man versprochen hat und kommunizieren, kommunizieren, kommunizieren. Dies ist extrem wichtig in der Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern. Klar haben wir – insbesondere im Jahr 2019 – massiv in unsere Perks & Benefits investiert, da sind wir mittlerweile sicherlich besser aufgestellt als andere Startups im Markt. Ich glaube aber, dass neben den weichen Faktoren wie eine gute Arbeitsumgebung, ein schönes Büro, Teamevents und Co. vor allem Wertschätzung und Weiterentwicklungsmöglichkeiten die Trigger für die “richtigen”, intrinsisch motivierten Mitarbeiter sind. Und diese Dinge kann man mit Geld nicht bezahlen.

Welchen Tipp hast Du für andere Gründer?
Überzeugt sein, aber kritisch bleiben. Hausaufgaben machen und echt hart für den Erfolg arbeiten – die Exekution der Strategie entscheidet am Ende über den Erfolg. Und: It takes two to tango! Es braucht sowohl beim Führen, als auch beim Gründen einen guten Gegenpol. Daher bin ich froh, einen tollen, komplementären Mitgründer zu haben. Ohne einen solchen würde ich auch nie wieder gründen. Ich habe erst spät gelernt abzugeben, aber anderen Gründern würde ich raten, schnell ein gutes Team um sich herum aufzubauen und dann durch Vertrauen und gegenseitiger Anerkennung zu führen, also auch schnell Verantwortung abzugeben. Das hat bei mir zu lange gedauert.

Ohne welches externes Tool würde Dein Startup quasi nicht mehr existieren?
Anstatt klassischer Software-Tools möchte ich vor allem OKRs (Objective Key Results) als Management-Framework nennen. Als zielgerichtete, strategisch synchronisiertes Tool zur Unternehmenssteuerung mit einem guten Mix von bottom-up und top-down-Ansatz ist es für uns unerlässlich geworden.

Wie sorgt ihr bei eurem Team für gute Stimmung?
Unsere gesamte Kultur beruht auf sechs gemeinsam erarbeiteten Unternehmenswerten, die wir jährlich hinterfragen. Das schafft Wertschätzung und gegenseitiges Vertrauen und ist für uns das Fundament für eine gute Stimmung. Dazu gibt es natürlich zahlreiche Benefits wie Essen und Getränke for free, ÖPNV-Unterstützung sowie viele Teamevents bei unseren Kunden (z.B. Jumphouses, Escape Games, Kletterparks und Co.). Eines unserer Events schätze ich aber ganz besonders: In unserem schönen Innenhof machen wir monatlich unser Company BBQ – egal zu welcher Jahreszeit. So wurde auch schon im Schnee gemeinsam gegrillt!

Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Ein besonders “wildes” Erlebnis war, denke ich, die Gründung von bookingkit an sich. Ursprünglich komme ich ja aus der Medien- und Radiobranche. Mit Touristik hatte ich, abgesehen von privaten Reisen, bis vor fünf Jahren nichts am Hut. Doch auf einer Reise durch Südamerika hatte ich gemerkt, dass es extrem problematisch war, von unterwegs mal eben einen Ausflug oder ähnliches schon vorab zu buchen – die Anbieter waren einfach nicht digital. Wieder zurück in Deutschland musste ich feststellen: Auch hier gab es für einen der wichtigsten touristischen Märkte, den Erlebnisbereich, keine technische Infrastruktur für die Anbieter selbst. Also habe ich mit meinem Geschäftspartner Lukas C.C. Hempel beschlossen, das zu ändern.

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Foto (oben): Shutterstock

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.