Drive Dressy: Wie findet man eigentlich die richtige Bewertung?
Die Gründer-Brüder Laurenz und Leonard legten zwar einen tollen Auftritt hin, doch ein Deal scheiterte nach einhelliger Meinung der Löwen ganz klar an ihrer überzogenen Bewertung. Nun werden viele Technologie-Gründer oder andere Branchenkenner, die das Geschehen verfolgt haben, den Vorschlag von 500.000 € für 15% gar nicht so überzogen empfunden haben. Denn die Bewertung von gut 3,3 Millionen Euro ist die so genannte Post-Money-Bewertung, die Gründer haben also behauptet, dass ihr Startup zum Zeitpunkt ihres Auftritts 2,8 Millionen Euro wert war. Eine Bewertung, die gute Gründer mit einem Technologie-basierten Unternehmen auf dem Markt durchaus durchsetzen können, auch in einer solch frühen Phase.
Und die Gründer legten auch deutlich dar, dass sie sich als Technologie-Unternehmen verstehen. Denn Ihr Angebot kann als ein Vertreter des Trends „Mass Customisation“ gesehen werden: Die Technologie des 3D-Designers mit anschließender automatischer Schnittmuster-Erstellung ermöglicht es, individuell erstellte Auto-Sitzbezüge fast so zu produzieren, als wäre es „normale“ Massenware. Da in die Entwicklung einer solchen Software und den Aufbau des gesamten Systems viel Zeit, Arbeit und Know-How fließt, sind die Bewertungen eines solchen Startups normalerweise höher als z.B. bei einem Unternehmen, dass vorwiegend Produkte herstellt, die keine lange und aufwändige Entwicklungszeit benötigten.
Doch trotzdem lagen die Gründer mit ihrer Bewertung offensichtlich stark daneben, wie kann so etwas passieren?
Es gibt viele mögliche Berechnungen und Tools, die angeblich den Wert eines Unternehmens ziemlich genau ermitteln sollen. Das Problem bei Startups ist jedoch, dass in frühen Unternehmensphasen oft noch viel zu wenig Informationen vorhanden sind, um diese Methoden sinnvoll nutzen zu können. Viele klassische Methoden orientieren sich z.B. größtenteils an den vorhandenen Umsätzen, Gewinnen, Assets und Weiterem. Nach einer solchen Methode ist ein Startup jedoch oft noch gar nichts wert.
Ein Startup-Investment ist ein Hochrisiko-Investment, es werden also normalerweise die weiteren Erfolgs- und Wachstumsaussichten viel stärker miteinbezogen. Hierbei kommt es dann vor allem drauf an, wie gut die Gründer argumentieren können, dass Ihre Planungen realistisch sind. So ist der Satz „Ein Unternehmen ist so viel wert, wie jemand dafür zahlt“ gerade bei Startups sehr zutreffend und betont die extrem hohe Bedeutung der Verhandlung. Sowohl Investoren als auch Gründer orientieren sich dabei auch sehr gerne an der aktuellen Marktlage: Wie viel wurde für ein ähnliches Startup, z.B. im gleichen Markt gezahlt? Sowohl eine Investment-Runde als auch ein Exit können hier Hinweise geben.
Doch es gibt noch einen Faktor, den viele Gründer bei der Bewertung leider außer Acht lassen: Mit wem spreche ich hier eigentlich über ein Investment, welchen Wert könnte sein Engagement haben? VC-Funds sind oft reine Finanzinvestoren, doch auch sie können durch branchenspezifische Kontakte und Mehrwerte oft einen starken Mehrwert jenseits des Geldes bringen. Ein Investor, der aktiv hilft, das Startup voranzubringen, kann oft aber noch viel mehr tun. In einem solchen Fall sollte sich ein Startup auch genau überlegen, was es von diesem Investor erwartet. Eine gute Überlegung ist hierbei: Wo denke ich, dass ich z.B. umsatztechnisch in 2 oder 3 Jahren liegen würde, wenn ich nur das reine Kapital bekommen würde? Mit welchem Umsatz rechne ich durch den zusätzlichen Einsatz des Investors? Je höher hier die Differenz ist, desto mehr muss ich natürlich den zusätzlichen Mehrwert in die Bewertung „einpreisen“. Natürlich kann auch dies wieder zu völlig unterschiedlichen Auffassungen zwischen Gründer und Investor führen, so wie es im Fall Drive Dressy aussah. Denn wenn die Gründer den Mehrwert des Investors deutlich niedriger einschätzen als der Investor selbst, sind sie natürlich zu wesentlich weniger „Discount“ der Bewertung bereit. Auch dieser Punkt ist also selbstverständlich Verhandlungssache.
Die Höhe einer Bewertung ist also auch auf Investorenseite oft sehr subjektiv und kann sehr viel damit zu tun haben, wie hoch der Investor seinen eigenen Mehrwert für das Startup einschätzt. Eine entsprechende Vorbereitung auf Gründer-Seite kann also helfen, entsprechende Diskrepanzen sinnvoll zu adressieren, wird aber wohl auch nie einen Deal ermöglichen, wenn die Meinungen hier zu weit auseinander gehen.
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