“Irgendwann wird einem bewusst: Ich bin kein Gründer mehr, sondern ein CEO”
In der südbadischen Provinz, in Offenburg, ist die Heimat von sevDesk. Gegründet wurde die cloudbasierte Buchhaltungslösung von Fabian Silberer und Marco Reinbold. Los ging es 2014 im heimischen Keller bzw. in der Garage. Global Founders Capital (GFC), der Investmentableger von Rocket Internet, investierte kürzlich in das Startup. Zuvor waren pumpten LEA Partners und Wecken & Cie, das Family Office von Klaus Wecken und Co., bereits Investorengelder in die Jungfirma.
“Angefangen haben Marco und ich als zwei Studenten mit einer eigenen Softwareentwicklungsfirma, nach und nach kamen weitere Studenten als Aushilfskräfte hinzu und dann die ersten Festangestellten. Irgendwann haben wir ganz klassisch ein Darlehen von der örtlichen Sparkasse über 80.000 Euro erhalten”, blickt Mitgründer Silberer zurück. Inzwischen arbeiten 85 Mitarbeiter für sevDesk. “Was den Umsatz betrifft, können wir sagen, dass wir auf einem sehr effizienten Geschäftsmodell sitzen. Dank unserem Geschäftsmodell haben wir viel Handlungsspielraum. Das heißt wir könnten jederzeit innerhalb von drei bis sechs Monaten profitabel sein, wenn wir das wollten”, berichtet Silberer. Im Interview mit deutsche-startups.de spricht er außerdem über Prozesse, das Silicon Valley und Kreditkarten.
Wie würdest Du Deiner Großmutter sevDesk erklären?
Wir entwickeln eine Internetsoftware, die kleinen Unternehmen und Selbstständigen hilft, ihre Finanzen in den Griff zu bekommen, die Buchhaltung zu erledigen und Rechnungen zu schreiben. Im Hintergrund wird dabei viel automatisiert. Es ist quasi wie ein eigener Buchhalter, nur als Software. Die Software bereitet die Daten so auf, dass der Unternehmer sie versteht und auch einfach an den Steuerberater oder an das Finanzamt übergeben kann. Ganz ohne Pendelordner oder einem Schuhkarton voller Belege.
Hat sich das Konzept seit dem Start irgendwie verändert?
Ursprünglich war nie eine Buchhaltungssoftware geplant. Das Konzept der Firma war ein völlig anderes. Damals wollten wir einfach nur Software und Websites für andere Unternehmen entwickeln. Jedoch mit dem Hintergrund, irgendwann ein Produkt zu finden, dass wir groß rausbringen können. Für einen Kunden haben wir dann damals eine Onlinesoftware entwickelt, die die Angebots-, Rechnungs-, sowie Kundenverwaltung ermöglichte. Buchhaltung war vorerst nicht geplant, sondern nur Fakturierung. Bevor die Buchhaltung dazustoß, entwickelten wir sogar zunächst noch ein Warenwirtschaftsmodul. Wir starteten dann 2014 mit sevDesk als Standardprodukt in der Cloud. Die ersten Kunden haben wir durch Facebook-Marketing gewonnen. Das war wirklich eine verrückte Zeit und wir investierten besessen alles Geld von uns in Marketing, da wir schnell bemerkten, dass wir ein super Geschäftsmodell gefunden hatten. Durch Kundenfeedback wurde uns schnell klar, dass noch ein viel größerer Pain der Unternehmer die eigene Buchhaltung ist. Obwohl uns damals alle davon abgeraten haben, sevDesk dort hinzuentwickeln, sind wir den mutigen Schritt gegangen und so in die langweilige und für uns gleichzeitig spannende Buchhaltungsschiene reingerutscht.
Wie genau funktioniert denn euer Geschäftsmodell?
Unser Geschäftsmodell ist ein klassisches SaaS – Software as a Service. Wir generieren unseren Umsatz durch widerkehrende Aboumsätze unserer Kunden. Der Kunde kann sich zwischen drei Tarifen entscheiden. Diese liegen preislich, je nach Laufzeit, zwischen 6,50 Euro und 45,90 pro Monat. Der Kunde zahlt also für die Funktionen der Software, für regelmäßige Backups, regulatorische Rahmenbedingungen, sowie Updates. Im Preis enthalten ist ebenso der Support. Der Kunde erhält ein Rundumpaket. Unser Vertriebsmodell basiert hauptsächlich auf Online- und Contentmarketing und die Weiterempfehlung durch Kunden, sowie Steuerberater. Die Kunden melden sich für eine Testphase an, richten die Software selbstständig ein und buchen dann ein Abo. Dadurch generieren wir jeden Monat tausende von Neukunden.
Und wie genau hat sich sevDesk seit der Gründung entwickelt?
Angefangen haben Marco und ich als zwei Studenten mit einer eigenen Softwareentwicklungsfirma, nach und nach kamen weitere Studenten als Aushilfskräfte hinzu und dann die ersten Festangestellten. Irgendwann haben wir ganz klassisch ein Darlehen von der örtlichen Sparkasse über 80.000 Euro erhalten. Wir hatten das Glück, dass wir schon damals solide Umsätze, sehr gute Wachstumszahlen und unglaublich gute Kundenakquisitionskosten hatten. Damals hat uns ein Neukunde gerade einmal 20 Euro gekostet. Nach einer gewissen Zeit hatten wir den Deal mit 1&1 auf dem Tisch und wir gewannen immer mehr Aufmerksamkeit verschiedener Investoren. Schließlich haben wir uns für eine Venture Capital Finanzierung mit LEA Partners, dem Family Office Wecken & Cie und der MBG entschieden. Dadurch wurde das Wachstum nochmals beschleunigt. Dieses Jahr, ganz neu, stieg ein weiterer Investor und zwar Global Founders Capital, der Venture Capital Arm von Rocket Internet, mit ein. Über die Jahre hinweg wuchsen wir als Gründer mit und irgendwann wird einem selbst bewusst: Ich bin kein Gründer mehr, sondern ein CEO. Ich beschäftige mich jetzt viel mehr mit Themen wie Organisationsaufbau, Hiring, dem Aufbau und Ausbau von Prozessen. Was damals mehr aus dem Bauch heraus und explorativ entschieden wurde, basiert mittlerweile auf Zahlen, Daten und Fakten. Für mich selbst ist diese Transformation immer noch eine Herausforderung, aber macht mir großen Spaß. Diese Schritte sind nun mal notwendig, wenn man einen eingestaubten Markt umkrempeln und eine große Company bauen möchte.
Nun aber einmal Butter bei die Fische: Wie groß ist sevDesk inzwischen?
Wir können jedes Jahr ein dreistelliges Wachstum verzeichnen. Innerhalb von fünf Jahren ist die Mitarbeiterzahl von 2 auf 85 gestiegen. Was den Umsatz betrifft, können wir sagen, dass wir auf einem sehr effizienten Geschäftsmodell sitzen. Dank unserem Geschäftsmodell haben wir viel Handlungsspielraum. Das heißt wir könnten jederzeit innerhalb von drei bis sechs Monaten profitabel sein, wenn wir das wollten.
Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Als ich 2015 nach meinem Besuch im Silicon Valley wieder zurück nach Deutschland kam, hatte ich festgestellt, dass dort alles schneller abläuft als hier in Deutschland. Mir fiel auf, dass dort irgendwie jeder Geld einsammeln konnte. Wir besuchten im Anschluss viele Pitch Events, zum Beispiel auch beim Cyberforum in Karlsruhe. Dort haben wir erstaunlich gut abgeschnitten und es wollten plötzlich 15 Business Angels investieren. Marco und ich waren erstmals total überrascht und fast schon magisch berührt. Die Business Angels haben uns ein Termsheet vorgelegt mit den Eckdaten der Finanzierungsrunde und dem Commitment von ihrer Seite, dass sie investieren möchten. Marco und ich sind damals im Auto gesessen und mussten erstmal die Hälfte der Begriffe googlen. Das Lexikon von deutsche-startups.de war da eine große Hilfe! Wir haben uns Stück für Stück an das Thema herangetastet und standen im stetigen Austausch mit den Business Angels. Sie haben die Bedingungen für das Invest natürlich so gelegt, dass es für sie sehr gut ist. Obwohl auch andere Investoren interessiert waren, haben wir uns sehr auf die erstbeste Runde versteift. Bis wir feststellen mussten, dass der Deal für uns nicht optimal ist. Es gab diverse andere Terms, wie die Liquidation Preference, welche überhaupt nicht gut für uns war. Deshalb begannen wir zu verhandeln, was ja generell nicht schlecht ist. Allerdings war es zwei Tage vor dem Notartermin.
Wie ging es dann weiter?
Dementsprechend verärgert waren unsere ausgewählten Business Angels und am Ende kam kein Deal zustande. Das ganze Problem an der Sache war, dass wir zu dem Zeitpunkt sehr eng mit unserer Liquidität waren und mit Hinblick auf die Finanzierungsrunde mehr Geld ausgegeben haben, als eingenommen. Wir standen da, ohne Geld auf dem Konto. Das war der einzige Moment der Firma, in dem wir die Gehälter nicht pünktlich zahlen konnten. Damit wir wenigstens die Festangestellten bezahlen können, sind Marco und ich mit der Kreditkarte an den Geldautomaten und haben das Kreditkartenlimit ausgeschöpft. Unser Glück bei der ganzen Sache war, dass einer von den ursprünglichen 15 Business Angels doch noch bereit war, in uns zu investieren. Er hat uns 150.000 Euro gegeben, mit denen wir gut weiterwachsen konnten. Aus dieser Geschichte haben wir definitiv gelernt. Wenn wir jetzt vier Jahre später in eine Finanzierungsrunde gehen, dann gehen wir sie ganz klar aus der Position der Stärke heraus.
Und wo habt Ihr bisher alles richtig gemacht?
Wir haben ein Produkt für einen langweiligen Markt entwickelt. Das hört sich im ersten Moment unsexy an, hat aber ungemein Potenzial. Buchhaltung ist für viele ein total kompliziertes und leidiges Thema. Deshalb haben wir uns hingesetzt und überlegt, wie wir dieses Thema gut und einfach lösen können, sodass die Unternehmer ihre Buchhaltung selbst erledigen können. Genau das haben wir auch geschafft. Wir haben ein kundenfokussiertes Produkt entwickelt. sevDesk ist nicht für Buchhalter, sondern für Unternehmer. Im Bereich Marketing sind wir bisher auch immer die richtige Linie gefahren. Wir haben frühzeitig in nachhaltige Online-Kanäle investiert, über die wir stark gewachsen sind. Ich denke ein gutes Geschäftsmodell macht ein kundenfokussiertes Produkt und smartes und gut ausgeführtes Online Marketing aus.
Wo steht sevDesk in einem Jahr?
Wir müssen den Schritt zu einer professionellen Firma schaffen. Ich gehe davon aus, dass wir weiterhin stark wachsen werden, was diverse Herausforderungen mit sich bringt. Dem sehe ich ganz zuversichtlich entgegen. Wir werden uns personell verstärken, im gleichen Zug aber auch eine große agile Organisation aufbauen. Auch wenn wir eine professionelle Firma werden, ist es mir wichtig, dass wir unseren schnellen und agilen Spirit beibehalten. Außerdem wollen wir unsere Kunden noch stärker beim Thema Finanzen in Summe betreuen. Wir wollen nicht nur in Richtung Buchhaltung oder Fakturierung denken, sondern darüber hinaus.
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