#Interview
“Gründer erhalten nur sehr selten und wenn, nur ungenügend Feedback über ihre Arbeit”
Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Heute antwortet Nikita Gulin von Agranimo. Das Startup optimiert die Pflanzenproduktion, die Lieferketten für Frischprodukte und die Bioökonomie durch Echtzeit-Mikroklimacharakterisierung.
Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Ich stehe früh auf, mache mir ein leichtes Frühstück, gieße mir einen frischen Mate-Tee auf und gehe ins Büro! Manchmal arbeite ich aber auch gerne morgens von zu Hause aus, um ein paar Dinge zu erledigen, bevor man sich in den alltäglichen Bürowahnsinn stürzt.
Wie schaltest du nach der Arbeit ab?
Mein Geheimrezept ist es, eine gewisse Balance zur Routine zu machen, um mich dann wiederum auch auf die Arbeit konzentrieren zu können. An manchen Tagen treibe ich Sport, lese ein gutes Buch oder gehe früh ins Bett, an anderen Tagen besuche ich eine Ausstellung oder gehe mit Freunden etwas essen oder trinken. Nach meiner Erfahrung muss man sehr gut auf Körper und Geist hören um das richtige Gleichgewicht zu halten und eine Routine aufzubauen, die für einen funktioniert. Jeder hat seine eigene Methode abzuschalten – es hilft, mit Freunden oder anderen Gründern Tipps auszutauschen.
Was über das Gründer-Dasein hättest du gerne vor der Gründung gewusst?
Gründer erhalten nur sehr selten und wenn, nur ungenügend Feedback über ihre Arbeit. Daher ist es manchmal schwierig, die eigene Performance einzuschätzen – vor allem, wenn man noch sehr jung ist.
Was waren die größten Hürden, die Du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstet?
Ich glaube, die größten Hürden kommen erst nach der Gründung! Gründen ist extrem spannend. Gründer haben eine Entscheidung getroffen und fühlen sich gut dabei, die Idee ist vielversprechend, die Zukunft erscheint in leuchtenden Farben. Die Herausforderungen kommen später, wenn man merkt, dass alles viel länger dauert, als man zuerst angenommen hat (aus irgendeinem Grund erwartet man immer, dass die Dinge schneller ablaufen), man muss sich um die Finanzierung kümmern und man muss ein Team aufbauen. Einen guten Geschäftspartner zu finden und ein gutes Team zu einem Zeitpunkt einzustellen, an dem man nicht in der Lage ist, marktübliche Gehälter zu zahlen, das Unternehmen aber eine überdurchschnittliche Leistung verlangt – das ist eine echte Herausforderung.
Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du daraus gelernt?
Ich habe Geschäftspartnern zu früh vertraut, und mich darauf verlassen, dass Menschen die abgesprochene Arbeit leisten, ohne dass man sie nochmal daran erinnert. Ich habe folgendes gelernt: Um etwas zu erreichen, entweder innerhalb seines Teams oder mit externen Partnern, Beratern usw., muss man den Fortschritt persönlich verfolgen und ein System schaffen, das an Fristen erinnert und den Fortschritt verfolgt. Ich würde sagen, dies ist eines der frustrierendsten Dinge am Arbeitsplatz im Allgemeinen, aber die Spielräume für Fehler bei Start-ups sind sehr gering und die Geschwindigkeit ist entscheidend, so dass die Auswirkungen bei Untätigkeit gravierender sind.
Wie findet man die passenden Mitarbeiter für sein Startup?
Der beste Weg, das zum Start eines Unternehmens zu tun, sind meiner Meinung nach Empfehlungen. Man hat nie genug Zeit oder Ressourcen, um einen umfassenden Interviewprozess durchzuführen. Eine Empfehlung durch eine Vertrauensperson kann hier Zeit und Geld sparen und dafür sorgen, dass man schnell zueinander findet und höchstwahrscheinlich auch die Chemie passt.
Welchen Tipp hast Du für andere Gründer?
Die Teilnahme an einem Förderprogramm oder einem Accelerator ist ein nützlicher erster Schritt – ich würde auf jeden Fall empfehlen, ihn als Gründer mindestens einmal zu durchlaufen. Als Gründer fehlt es einem an Feedback über die Qualität der Arbeit. Durch die Unterstützung von Menschen, die viele Start-up-Gründer und Wachstumsprozesse sehen, können Gründer lernen, was für ihr Unternehmen funktionieren könnte und was nicht. Agranimo hat zum Beispiel am Merck Accelerator teilgenommen, der übrigens derzeit wieder nach Start-ups sucht. Es war toll zu verstehen, wie man erfolgreiche Kooperationsprojekte zwischen einem Start-up wie uns und Merck aufbaut. Nach dem Programm hatten wir ein sehr gutes Verständnis dafür, wie Merck den Innovationsprozess strukturiert und wie wir ihn so nutzen können, dass beide Seiten profitieren. Wir haben während des Programms ein erstes Projekt abgeschlossen, eine weiteres extern, und jetzt arbeiten wir an einem dritten Projekt. Darüber hinaus haben wir langfristige Partnerschaften mit anderen Teams im Merck Innovation Center in Darmstadt aufgebaut. Somit profitieren Start-ups nicht nur von einem gemeinsamen Projekt mit dem Unternehmen, sondern werden auch Teil eines Ideenflusses, der das eigene Unternehmen mitgestalten kann. Ein weiterer Tipp ist, nicht die Work-Life-Balance außer Acht zu lassen und das zu genießen, was man tut. Sein Traumunternehmen aufzubauen, dauert wahrscheinlich Jahre, und es lohnt sich nicht, all diese Jahre zu leiden.
Ohne welches externes Tool würde dein Startup quasi nicht mehr existieren?
Wenn der Unternehmenserfolg von einem einzigen Tool abhängt, dann stimmt etwas nicht. Es gibt viele Tools, die unsere Arbeit viel schneller machen, aber ich glaube nicht, dass eines von ihnen unersetzlich ist.
Wie sorgt ihr bei eurem Team für gute Stimmung?
Im Mittelpunkt einer guten Atmosphäre im Team steht das Vertrauen – deshalb legen wir bei Agranimo Wert auf Transparenz, gegenseitigen Respekt, vernünftigen und flexiblen Umgang mit Arbeit und Leben. Wir teilen lustige Geschichten, versuchen, Gruppenaktivitäten so gut wie möglich zu organisieren – unser Team ist allerdings weit verstreut, was eine Herausforderung ist. Ich glaube, wir haben Glück, denn die Arbeit in der Landwirtschaft, das Nachdenken über die Bioökonomie ist eine sehr bodenständige und lohnende Erfahrung an sich. Das macht es spannend, Teil einer Gruppe von Menschen zu sein, die sich täglich treffen, um Probleme zu lösen und Möglichkeiten in diesem Bereich zu schaffen.
Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Der Hurrikan in Puerto Rico! Während wir an einem Startup-Programm teilgenommen hatten, traf der Hurrikan Maria die Insel, und ich blieb dort für drei Wochen ohne Strom, Wasser, Telefonanschluss und viele der Dinge, die wir für selbstverständlich halten. Der verrückteste Teil war, dass ich drei Tage lang ohne Kommunikationsmöglichkeit da stand und meine Kollegen, Freunde und Familie völlig im Unklaren über mein Wohlbefinden waren, was einige existenzielle Gespräche innerhalb des Unternehmens auslöste.
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