Von Sümeyye Algan
Freitag, 28. Juni 2019

“Schon morgen die nächste hippe Gründerschmiede”

"Die Dortmunder Startup-Szene ist sehr familiär und offenherzig. Gerade weil man in Dortmund „Schicki-Micki“ und Überheblichkeit vergeblich sucht", sagt Björn Marc Paulus, Gründer von pickshare, zum Startup-Standort Ruhrgebiet.

Wenn es um die Paketzustellung geht, kennt der Verbraucher, vorausgesetzt der Postbote trifft ihn nicht an, zwei Optionen. Das eine ist die Abgabe des Pakets beim Nachbarn oder bei der nächsten Postfiliale oder Packstation. Dass das nicht immer die optimale Lösung ist, bestätigte eine Umfrage, die im Rahmen des Förderprojekts Smile, Smart Last-Mile Logistik, ins Leben gerufen wurde. Demnach wünschen sich Endkunden mehr Flexibilität bei der Paketzustellung.

Björn Marc Paulus, geboren und aufgewachsen in Herdecke, hat sich während seines Logistik-Masterstudiums an der TU Dortmund genau mit dieser Frage befasst und 2015, damals noch mit seinem Mitgründer Oliver Maassen, das Startup Pickshare gegründet. Ohne finanzielle Unterstützung fingen sie damals an, Mülltonnen zu mobilen Paketkästen umzubauen und diese bei Amazon zu vertreiben. “Unser parcelbin hatte dabei gleich mehrere Vorteile: ein unschlagbares Volumen und eine einfache Handhabung. So konnten wir nach und nach aus dem laufenden Cash-Flow die Entwicklung finanzieren”, so Paulus. In unserer Reihe Ruhr-Interview erzählt Paulus über die Anfänge und wieso das Ruhrgebiet die perfekte Spielwiese für Startups bietet.

Reden wir über das Ruhrgebiet. Wenn es um Startups in Deutschland geht, richtet sich der Blick sofort nach Berlin. Was spricht für das Ruhrgebiet als Startup-Standort?
Die hohe Dichte an großen Unternehmen aber auch verschiedenen Startup-Netzwerken bietet eine große Chance. Mittlerweile wächst das Ruhrgebiet zusammen, dabei spielt natürlich auch die geringe Distanz der Großstädte voneinander, aber auch die gute Infrastruktur eine Rolle. Die gemeinsame Positionierung der städtischen Wirtschaftsförderungen als Metropole Ruhr und die hohe Anzahl Hochschulen und Studenten tragen darüber hinaus zu einem dynamischen Arbeitsumfeld und hoher Mitarbeiterverfügbarkeit bei. Außerdem ist der Pott natürlich auch im Hinblick auf die Chancen, die sich aus dem Strukturwandel ergeben, einfach wahnsinnig im Umbruch. So sind heute noch prekäre Standorte wie beispielsweise unser Standort im Unionsviertel in Dortmund vielleicht schon morgen die nächste hippe Gründerschmiede.

Was genau macht den Reiz der Startup-Szene in Dortmund aus?
Die Dortmunder Startup-Szene ist sehr familiär und offenherzig. Gerade weil man in Dortmund „Schicki-Micki“ und Überheblichkeit vergeblich sucht. Der bunte Mix aus hippen Kreuzviertel und multikultureller Nordstadt spiegelt sich auch in der Dortmunder Startup Szene wider. Diese Vielseitigkeit gefällt uns hier besonders. Insbesondere die Bodenständigkeit der Gründer spielt hier eine große Rolle, im Pott herrscht eben echte Hands-On Mentalität, hier werden eben nicht nur Skizzen auf Servietten gekritzelt, sondern direkt gemacht und umgesetzt, und zwar gemeinsam und mit viel Unterstützung aus dem Netzwerk. Dadurch ist man von Anfang an Teil einer spannenden Community, die fast an die vergangene Kumpelmentalität anschließt.

Was ist in Dortmund einfacher als im Rest der Republik?
Ein Büro mit dem passenden Mietpreis und ein gutes Bier zu finden. Spaß beiseite, durch die perfekte Lage im Ruhrgebiet, die Vielfalt in der Stadt selbst aber auch durch die Nähe zum Münsterland kann man sich in viele Richtungen entwickeln. Diese Freiheit ermöglicht einen gewissen Weitblick, der oft hilfreich sein kann. Insbesondere für uns ist hier aber auch die Relevanz des Ruhrgebietes als aufkommens-stärkste Region was die Anzahl der Pakete insgesamt und je Einwohner in Deutschland angeht die perfekte Spielwiese.

Was fehlt in Dortmund/im Ruhrgebiet noch?
Insgesamt sind wir ziemlich zufrieden. An dem Ausbau von Glasfaser könnte man noch etwas tun. Auch die interkommunale Zusammenarbeit könnte besser sein, Gründern und Gründungsstandorten bringt es nichts sich allein gegen Berlin zu behaupten, sondern die Synergien der Metropole Ruhr zu nutzen. Die Stadt Dortmund selbst sollte dabei, neben dem Deutschlandweit besten Business-Plan Wettbewerb vorallem an der eigenen Nutzung der Gründer, an Ihrem Standort für den digitalen Transfer der Stadt nutzen. Es bringt schließlich nichts die Stadt als Gründungsstandort zu vermarkten, wenn Gründer selbst im Rathaus nichts verloren haben oder nicht ernst genommen werden, aber das vielleicht nur als persönliches Anliegen an den Oberbürgermeister, der ja schließlich sogar eine CIO Stelle im Rathaus geschaffen hat.

Zum Schluss hast Du hast drei Wünsche frei: Was wünscht Du Dir für den Startup-Standort Ruhrgebiet?
Zunächst natürlich jede Menge Pickplaces, in denen man bequem alle  Pakete abholen kann. Dann weniger Konkurrenz-Denken unter den einzelnen Startup-Netzwerken und Städten und eine engere und vor allem unkompliziertere Zusammenarbeit von Konzernen und Startups.

Der digitale Pott kocht – #Ruhrgebiet


Mit hunderten Startups, zahlreichen Gründerzentren und -initativen, diversen Investoren sowie dutzenden Startup-Events bietet das Ruhrgebiet ein spannendes Ökosystem für Gründer. ds, die Gründerallianz Ruhr und der ruhr:HUB berichten gemeinsam über die Digitalaktivitäten im Revier.

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Foto (oben): pickshare