Die deutsche Kapitalkrise – Was sich in Deutschlands VC-Landschaft ändern muss
Gründer auf der Suche nach Kapital haben es in Deutschland nicht leicht – oft stoßen hiesige Investoren schon nach der Series A an ihre finanziellen Grenzen. Wahnsinnig anmutende Finanzierungsrunden, die unglaublichen Geschichten von Peter Thiel und Co. – das alles gibt es unter der kalifornischen Sonne, aber nicht in Deutschland. Aus persönlicher Sicht ist es daher durchaus verständlich, dass deutsche Gründer sich früher oder später ausländische Investoren ins Boot holen. Für die deutsche Wirtschaft kann eine zu hohe Abhängigkeit von Geldern aus Übersee allerdings langfristig problematisch werden.
Der deutsche VC-Markt hebt nicht ab
Insbesondere die Branchen, die traditionell stark deutsch geprägt sind, konnten in letzter Zeit kaum punkten. Viele der innovativsten Startups im Mobilitätsbereich sitzen in anderen Ländern. Und auch um in Deutschland selbst richtig groß zu werden, braucht man hierzulande Namen wie Softbank, Tencent oder Sequoia hinter sich. Deutsche VCs mögen in frühen Phasen vorne mitspielen – die richtig dicken Deals machen jedoch andere. Der Blick auf deutsche Ausnahmeunternehmen wie Auto1, N26 oder Celonis bestätigt: Die Cap Tables deutscher Einhörner sind selten prominent mit deutschen VCs besetzt. Sobald ein kritischer Punkt erreicht ist, schauen sich deutsche Gründer nach ausländischen Geldern, nach Expertise und Perspektive um.
Das liegt zum einen am vergleichsweise kleinen deutschen Markt: 2017 wurden zum Beispiel in Israel 5,2 Milliarden US Dollar an Venture Capital investiert. In Deutschland waren es ebenfalls 5,2 Milliarden US Dollar – bei zehnfacher Einwohnerzahl und 10 Prozent höherem BIP pro Kopf. Und im Vergleich zu den Vereinigten Staaten steht – pro Kopf gerechnet – deutschen Startups nur rund ein Achtel so viel Risikokapital zur Verfügung, wie eine neue Studie von McKinsey zeigt. Zum anderen fehlt hierzulande eine Kultur, wie es sie in Ländern mit stärkeren VC-Märkten gibt. Seit langem gibt es Forderungen nach VC-freundlicherer Regulierung in Deutschland. Zu Recht, denn die Politik könnte durch Partnerschaften, Forschungsinitiativen und erleichterten Austausch von Daten noch deutlich mehr bewirken.
Der Mittelstand ist in der Pflicht
Ein Punkt, der allerdings zu oft außer Acht gelassen wird, ist die Kraft, die etablierte Konzerne ausüben können. Durch geschickte Investitionen in Startups profitieren beide Seiten. Viele etablierte Unternehmen stecken in der Innovationskrise – durch neue technologische Impulse können sie enorm von Startups profitieren. Gründer hingegen können durch Kooperationen mit Konzernen sofort auf ein lange etabliertes Netzwerk zugreifen und ihr Produkt in kürzester Zeit skalieren.
Die deutsche VC-Landschaft ist also stark vom Mittelstand abhängig. Das ist zugleich eine Chance: Corporate VCs haben insbesondere in Deutschland das Potenzial, einen Umschwung zu bewirken und Gründer wie Innovationen auf lange Sicht im Land zu halten. Mittlerweile hat beinahe jeder deutsche Konzern erkannt, dass Investitionen in und die Zusammenarbeit mit Startups zwingend notwendig sind, um zukunftsfähig zu bleiben. Doch sonderlich aktiv sind deutsche Corporate VCs nicht: Weltweit finden sich unter den 50 aktivsten von ihnen gerade einmal vier deutsche, alle maximal im Mittelfeld. Das muss sich ändern: Innovation muss endlich offen angegangen werden. Heutzutage kann kein Unternehmen mehr alleine dem technologischen Wandel trotzen.
Kooperation muss richtig gemacht werden
Innovationskraft ist in den deutschen Mammutbranchen zwar vorhanden: Rund 40 Prozent aller deutschen Patente entfallen laut einer Studie des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft beispielsweise auf die Automobilindustrie. Doch das alleine reicht nicht. Denn gute Ideen müssen auch umgesetzt werden. Viel zu oft hapert es an der technischen Umsetzung und Integration neuer Ideen in bestehende Prozesse.
Gehen Konzerne Kooperationen mit Startups ein – ob über den hauseigenen VC oder andere Partnerprogramme eingefädelt – müssen die Voraussetzungen stimmen. Die Organisationsstruktur muss auf beiden Seiten angepasst werden. Und im Konzern selbst muss der Wille vorhanden sein, neue Technologien zu integrieren. Denn Startups brauchen Sicherheit. Sie können einfach nicht sechs Monate auf die Bezahlung einer Rechnung warten.
Sind diese Faktoren gegeben, ist der Brain Drain vermeidbar. Innovative Talente können durch richtig durchgeführte Kooperationen zwischen Startups und Konzernen im Land behalten werden. Doch dafür müssen sich vor allem die Konzerne ihrer Verantwortung bewusst werden. Es reicht nicht, einfach nur ein Innovation Lab in Berlin zu eröffnen. Offene Innovation muss wohlüberlegt, nachhaltig und mit Blick auf die Zukunftsfähigkeit angegangen werden.
Zur Autorin
Tanja Kufner ist Partnerin bei MHP und verantwortlich für den hauseigenen Match Maker dynamics.vc
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