Nero Grillkohle: Das etwas andere Henne-Ei-Problem #DHDL
Aaron Armah und Jakob Hemmers sind ganz klar die Könige des unaufgeregten Dramas: wenn sie völlig sachlich darlegen, wie jedes Jahr eine Fläche von 1.900 Fußballfeldern Regenwald in deutschen Holzkohle-Grills verschwindet, erschaudert jeder Zuhörer unwillkürlich, und die meisten werden sich wohl innerlich schwören, nie mehr normale Grillkohle zu kaufen. Doch mit ihren bisherigen Verkaufserfolgen konnten die Gründer leider nicht stark genug bei den Löwen punkten. Was genau stand einem Deal im Weg?
Man schämt sich schon ein bisschen nach dem Pitch von Nero Grillkohle. Denn wie eine riesige Fläche Regenwald Jahr für Jahr in unseren Holzkohle-Grills verschwinden konnte, ohne dass wir auch nur eine Ahnung hatten, was wir da anrichten, wenn wir im Sommer am See, im Park oder Garten unsere typisch deutsche Wurst vom Grill genießen, will uns irgendwie nicht so richtig einleuchten. Und doch sind die Darstellung und Zahlen der beiden Gründer überzeugend, und sie selbst sehr glaubwürdig, auch wenn oder gerade weil sie das alles so völlig unaufgeregt und sachlich vortragen. Denn so lassen sie dem ganz großen Drama den Platz, der ihm gebührt. Auf dass wir eben diese typische deutsche Grillwurst nie mehr genießen können, solange wir dadurch auf so überflüssige Art und Weise zu Umweltsündern werden.
Und eigentlich sind zumindest einige der Löwen für ihr besonderes Interesse an Nachhaltigkeitsthemen bekannt, ein Deal schien also unausweichlich. Trotzdem klappte es für die beeindruckenden Gründer, die vom Holz aus zertifizierten heimischen Wäldern bis hin zur Verkohlung in Europas modernstem Holzkohlewerk die gesamte Lieferkette ökologisch nachhaltig umgestaltet haben, nicht mit dem Investment.
Selbst die 11 Listungen im Bio-Großhandel, durch den so bis zu 700 Filialen des Einzelhandels erreicht werden können, beeindruckten die Löwen nicht ausreichend. Die 80.000 Euro Umsatz erschienen dagegen nicht wirklich hoch. Sind wir deutschen also doch noch nicht umweltbewusst genug? Oder haben Investoren plötzlich die Lust an Nachhaltigkeitsthemen verloren?
Ein Teil der Ursache für das Ausbleiben eines Investments ist sicherlich in den Gründen für den anfänglich so starken „Schock-Effekt“ zu suchen: kaum jemand kennt die starke Umweltproblematik, die unsere derzeit übliche Grillkohle verursacht. Das schockiert, rüttelt auf, und sorgt auch hoffentlich im nächsten Sommer noch für eine Änderung des Kaufverhaltens bei Grillkohle.
Doch bisher hatten die Gründer eben nicht die Gelegenheit, die Problematik, die zur Entwicklung ihres Produkts geführt hat, den Besuchern der entsprechenden Biomärkte zu erklären. Denn genau ihre für einen Startup-Pitch so vorbildlich ineinandergreifende Problem-Lösung-Konstellation spielt hier gegen sie: das Problem muss erst einmal dargestellt werden. Auch wenn der Verkauf der Lösung dann nur noch der kleinere Schritt ist, ist es eben nicht der erste Schritt. Und ein Problem zu erklären, dessen sich niemand bewusst ist, verursacht, egal wie gravierend es ist, eben auch die berühmt-berüchtigten Customer Acquisition Costs, die erst einmal bezahlt werden müssen. Ein Marketing-Budget, dass ein noch recht junges, bisher überwiegend aus eigener Kraft finanziertes Unternehmen normalerweise noch nicht hat. Doch Investorengelder für eben diese Marketing-Kosten sind wie gesehen schwierig zu bekommen, wenn die Verkaufszahlen noch nicht besonders hoch erscheinen.
Ein etwas anderes Henne-Ei-Problem. Doch wie anderen Problematiken dieser Art kann auch diese von beiden Seiten durchbrochen werden: Ein Investor, dem das Interesse des Handels und die ersten Hinweise auf Nachfrage beim Verbraucher, auch durch das vorangegangene erfolgreiche Crowdfunding, reichen, um dieses Thema voranbringen zu wollen. Oder steigende Verkäufe im Einzelhandel auf der anderen Seite, die dann bald einen Investor auch in Bezug auf die Umsätze überzeugen. Doch dazu müsste sich eben die Bekanntheit des Problems verstärken. Es könnte jedoch bald Hilfe von „oben“ kommen: die EU erwägt eine Einfuhrbeschränkung für Holzkohle aus Tropenhölzern.
Doch auch ohne diese offensichtlich längst überfällige Regulierung wird hoffentlich rechtzeitig zur nächsten Grillsaison mehr Bewusstsein für diese Problem geschaffen worden sein. Denn zumindest jeder Zuschauer von Dienstag Abend mit einem Ansatz von grünem Gewissen wird für seine Bratwurst bald keine Regenwälder mehr opfern.
Zur Autorin
Ruth Cremer ist Mathematikerin und Beraterin sowie Hochschuldozentin im Bereich Geschäftsmodelle, Kennzahlen und Finanzplanung. Als ehemaliger Investment Manager weiß Sie, worauf Investoren achten und hilft bei Pitch- und Dokumentenvorbereitung auch im Investment- oder Akquisitionsprozess. In der aktuellen fünften Staffel von “Die Höhle der Löwen” war sie als externe Beraterin in die Auswahl und Vorbereitung der Kandidaten involviert.
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Foto (oben): VOX