Tracktics: Eine zu höhe Bewertung für die Löwen? #DHDL
Die Gründer von Tracktics gingen mit einem vergleichsweise hohen Deal in die Vox-Show “Die Höhle der Löwen”: 1 Million Euro für 8 % der Firmenanteile. Das entspricht einer Post-Money-Bewertung von 12,5 Millionen Euro. War das Unternehmen wirklich viel zu hoch bewertet oder waren die Löwen vielleicht die falschen Adressaten? Oder gibt es vielleicht noch einen ganz anderen Grund dafür, dass die Gründer hier leer ausgingen?
Wer die Löwen nun schon öfter in Aktion gesehen hat, dem war klar, dass das traditionelle Anfangsstatement der Gründer zu Investmenthöhe und –angebot zumindest große Augen und vielleicht sogar ein deutlich zu vernehmendes Schlucken verursachen würde. Eine Post-Money-Bewertung von 12,5 Millionen Euro erlebt man nicht allzu oft in der Sendung, trotzdem hat uns spätestens die aktuelle Staffel gezeigt, dass auch große Deals durchaus möglich sind, selbst von einzelnen Löwen. Und auch, dass die bisherigen Umsätze nicht immer die alles entscheidende Kennzahl sind, konnten wir schon beobachten.
Vor diesem Hintergrund erscheint der Fall Tracktics nicht so einfach erklärbar, konnten die Gründer doch Umsätze in Höhe von 400.000 Euro in 2017 und mehrere gute Listings vorweisen. Doch insgesamt scheinen sich beim Vergleich der Reaktionen der Investoren auf Investment-Angebote verschiedener Startups keine klaren Regeln ableiten zu lassen. Das liegt vor allem schlicht und einfach daran, dass es keine gibt. Es gibt lediglich eine Vielzahl von Einflussfaktoren, die auf die Bewertung einwirken. Das kann wiederum je nach Phase, Branche oder einem anderen Kriterium wieder unterschiedlich stark sein. Bei einem physischen B2C-Produkt spielen beispielsweise auch wieder völlig andere Kennzahlen eine Rolle als bei einem digitalen B2B-Modell. Letzten Endes ist und bleibt die Bewertung jedoch Verhandlungs- und Argumentationssache.
Eine sehr große Rolle spielt auch die Erfahrung des Investors selbst, schließlich argumentieren auch die Löwen gerne damit, dass ihr Einbringen dem Gründer auch etwas wert sein sollte. Je besser sich also ein Investor in einem Bereich auskennt, desto höher sein Wert – und damit ein eventueller „Discount“ bei der Bewertung – für den Gründer. Zusätzlich kann natürlich ein branchenkundiger Investor entsprechend stärker argumentieren, was einem als Gründer bewusst sein sollte.
Schließlich werden sämtliche Faktoren noch einmal neu betrachtet, wenn es schon frühere Finanzierungsrunden gab, also wenn auch schon andere Investoren an Board sind. Denn zunächst gibt es dadurch meistens eine sehr harte Untergrenze bei der Bewertung, nämlich die Post-Money-Bewertung der letzten Runde. Würden die Gründer sich unter diese Grenze handeln lassen, käme es zu einer sogenannten „Downround“. Da sich Investoren jedoch meistens gegen diesen Fall dadurch absichern, dass die Gründer die Differenz von ihren Anteilen ausgleichen müssen, ist dies natürlich eine von den Gründern absolut unerwünschte, das unverhältnismäßig „teure“ Finanzierungsrunde, die sie normalerweise unbedingt verhindern wollen. Doch frühere Investoren können auch die aktuelle Bewertung dahingehend beeinflussen, dass sie selbst bereits Kenntnisse und Erfahrungen in das Unternehmen mit einbringen, die dann bei Folgeinvestoren von den Gründern als nicht mehr ganz so wertvoll betrachtet werden und damit dem Discount entgegenwirken können.
Tracktics hatte schon frühere Finanzierungsrunden und schon mehrere Angel-Investoren unter den Gesellschaftern. Von einer Untergrenze der Bewertung durch die vorangegangene Post-Money-Bewertung konnte man also von vorneherein ausgehen. Auch das vielleicht der ein oder andere dieser Investoren durchaus ähnliche Vorteile wie die Löwen mit sich gebracht hat, ist nicht unmöglich. Doch dieser Effekt kann auch umgekehrt wirken: wenn man mit Privatmenschen als Investoren zu tun hat, stellt sich fast immer auch die in der Höhle schon oft gehörte Frage, was sich die Gründer abseits des Geldes von ihrem neuen Investor erhoffen. Ist das Unternehmen schon etwas reifer, so dass eine etwas höhere Bewertung auch durchaus in Betracht gezogen werden kann, fällt die Beteiligungshöhe trotz einer hohen Beteiligungssumme oft relativ gering aus, was die Bedeutung des einzelnen Investors wiederum senkt. Für viele Investoren ist eine solche Konstellation dann nicht mehr interessant, da sie sich aus vielerlei Gründen hier nicht mehr so richtig einbringen können. Zum Beispiel haben die früheren Investoren schon eine gewissen Bedeutung erlangt oder sich schon in einer Weise eingebracht, die viele Möglichkeiten des Neuinvestors obsolet machen würde. Oder die möglichen Mehrheiten in der Gesellschafterversammlung sind für den Neuinvestor eher von Nachteil. Insgesamt lassen reifere Unternehmen natürlich auch nicht mehr eine so starke „Prägung“ eines einzelnen Investors zu, was für diesen den Reiz mindern könnte.
In jedem Fall sind die Investmentsituation von Startups so vielfältig wie die Startups selbst, die Einflussfaktoren führen zu immer neuen Konstellationen, und selbst Investoren haben nicht nur rein monetäre Motivationen für ihr Investment. Daher werden wir ihre Reaktionen auf ein Angebot von Gründern wohl nie vollständig durchschauen können. Aber auch Löwen sollen schließlich ihre Geheimnisse haben dürfen.
Zur Autorin
Ruth Cremer ist Mathematikerin und Beraterin sowie Hochschuldozentin im Bereich Geschäftsmodelle, Kennzahlen und Finanzplanung. Als ehemaliger Investment Manager weiß Sie, worauf Investoren achten und hilft bei Pitch- und Dokumentenvorbereitung auch im Investment- oder Akquisitionsprozess. In der aktuellen fünften Staffel von “Die Höhle der Löwen” war sie als externe Beraterin in die Auswahl und Vorbereitung der Kandidaten involviert.
ds-Podcast mit Frank Thelen
Im Interview mit deutsche-startups.de spricht Löwe Frank Thelen über geplatzte Deals bei “Die Höhle der Löwen”, die Kunst, die richtige Bewertung zu finden, Insolvenzen und die Zukunft der Digitalwelt.
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