#Zahlencheck

Rettung kurz vor Schluss! Shop Apotheke kauft nu3

Shop Apotheke rettet nu3! Finanziell sah es um das Berliner Startup zuletzt richtig schlecht aus: Eine ausgebliebene Kapitalerhöhung, ein Wandeldarlehen zur Überbrückung, eine Mini-Investmentsrunde und schließlich eine Venture Debt-Finanzierung sprechen da eine deutliche Sprache.
Rettung kurz vor Schluss! Shop Apotheke kauft nu3
Freitag, 13. Juli 2018VonAlexander Hüsing

Das Drama um nu3 hat ein Ende! Der börsennotierte Pillenverkäufer Shop Apotheke übernimmt das Berliner Startup, das kurz vor dem Aus stand. Seit 2011 verkauft nu3, das von Robert Sünderhauf, Kassian Ortner und Felix Kaiser gegründet wurde, Superfood, Sportnahrung und Functional Food. Laut Jahresabschluss 2016, der gerade veröffentlicht wurde, musste man sich zuletzt ernste Sorgen um das junge Unternehmen machen. Darin heißt es: “In ihrer Unternehmensplanung geht die Geschäftsführung davon aus, dass damit ausreichend liquide Mittel zur Finanzierung der operativen Geschäftstätigkeit bis Mitte 2018 zur Verfügung stehen. Danach ist der Fortbestand der Gesellschaft vom Erhalt externer Finanzierung in ausreichender Höhe abhängig”.

Shop Apotheke erwirbt nu3 nun “gegen Ausgabe von insgesamt 54.470 neuen, auf den Inhaber lautenden Aktien sowie einer zusätzlichen Barzahlung”. Bei einem derzeitigen Aktienkurs von rund 50 Euro sprechen wir somit von einem Kaufpreis in Höhe von rund 2,7 Millionen Euro plus Barzahlung (deren Höhe nicht bekannt ist). Die Gründer von nu3, die weiter an Bord bleiben, werden laut Presseaussendung nun Aktionäre von Shop Apotheke. Ebenso die Hamburger Jahr-Gruppe. Die restlichen Investoren steigen somit aus.

Ein Blick zurück: Zuletzt stellten die Gesellschafter – darunter Project A, Lakestar, Alstin (Carsten Maschmeyer) und die Verlegerfamilie Jahr – nu3 im November 2017 “durch eine Erhöhung des Stammkapitals sowie Zuzahlungen in die Kapitalrücklage 2,5 Millionen Euro” zur Verfügung. Im Jahr zuvor gab es – wohl nach einer geplatzten Finanzierungsrunde – Geld in Form eines Wandeldarlehens: “Zur Überbrückung eines aufgrund einer nicht durchgeführten Kapitalerhöhung entstandenen Liquiditätsengpasses gewährten die Gesellschafter im Juli ein Wandeldarlehen in Höhe von 3 Mio. EUR und im Oktober ein weiteres Wandeldarlehen in Höhe von 2 Mio. EUR. Im November 2016 beschlossen die Gesellschafter eine Kapitalerhöhung in Höhe von 7,5 Mio. EUR, wobei die zuvor gewährten Darlehen in Höhe von 5 Mio. EUR vollständig in die Kapitalrücklage eingestellt wurden”. Zudem holte sich nu3 von Davidson Technology Growth Debt einen teuren Kredit in Höhe von 3 Millionen Euro “Die Inhaberschuldverschreibung wurde im März 2017 komplett auf das nu3-Geschäftskonto eingezahlt. Der Vertrag beinhaltet eine vierteljährliche Zins- und Tilgungszahlung. Die Zinszahlung begann im Juli 2017. Die Tilgungszahlung beginnt im Dezember 2017. Das Darlehen wird im Laufe von 3 Jahren vollständig zurückgeführt”, heißt es dazu im Jahresabschluss.

Finanziell sah es um nu3 somit zuletzt richtig schlecht aus: Eine ausgebliebene Kapitalerhöhung, ein Wandeldarlehen zur Überbrückung, eine Mini-Investmentsrunde und schließlich eine Venture Debt-Finanzierung sprechen da eine deutliche Sprache. Eine Entwicklung, die Ende 2016 auch zu sogenannten “Effizienzsteigerungsmaßnahmen” führte: “Die Maßnahmen umfassten im Wesentlichen Personalabbau und Marketingbudgetkürzungen. Außerdem konnten sonstige Kosten wie die Miete durch Verkleinerung der Flächen reduziert werden”. Mitte Oktober trennte sich das Startup dann auch von 35 Mitarbeitern. Auch Mitgeschäftsführer Martin Hobler verließ das Unternehmen damals. Im März 2017 ging dann auch Geschäftsführer Andreas Assum (seit Sommer 2015 an Bord). Zu guter Letzt geschränkte das Startup sein “Geschäft in Skandinavien ein” und verkaufte im September 2016 Natue, einen Ableger in Brasilien.

Laut aktueller Presseaussendung erwirtschaftete nu3 im vergangenen Jahr einen Umsatz in Höhe von 30 Millionen Euro. 2016 waren es knapp 29,6 Millionen Euro. Somit ist nu3 zuletzt nicht mal mehr ansatzweise gewachsen. Bis Ende 2016 häufte nu3 dabei rund 44 Millionen Euro Verluste an. Wobei in den Vorjahren rund 50 Millionen Euro an Risikokapital in das Startup geflossen sind. Die Barzahlung an die Alt-Investoren von nu3 müsste somit enorm sein, um den Verkauf des Startups als Erfolg für die Startup-Szene des Landes feiern zu können. Nennen wir den Exit somit eine Rettung auf der Zielgeraden, einen Fire Sale in letzter Sekunde, bei dem die Geldgeber zumindest das Gesicht wahren können. Man darf gespannt sein, ob Shop Apotheke nu3 nun zum Erfolg machen kann.

Svens Meinung

ds-sven-schmidt-200Der 2016er Jahresabschluss von nu3 ist – sehr höflich ausgedrückt – suboptimal. Der Umsatz ist bei weiterhin sehr hohen und steigenden Verlusten nur um 26 % gewachsen. Parallel sind die Cost of Goods Sold (COGS) von 68 % auf 71 % gestiegen. Anders ausgedrückt – nu3 ist ein „low margin“ Handelsgeschäft ohne Preismacht. Es liegt der Verdacht nahe, dass viele Kunden nur über Preisvergleiche bzw. die Google Produktsuche akquiriert werden.

Im Jahr 2016 hat nu3 einen Innenumsatz (= Umsatz minus COGS) von 8,5 Millionen Euro gemacht, bei Verlusten von 13,2 Millionen Euro. nu3 verliert also pro Euro Umsatz 1,50 Euro. Der Jahresabschluss lässt nicht erahnen, wie nu3 jemals profitabel werden will. Da die Personalkosten mit 7,6 Millionen Euro fast so hoch sind wie der Innenumsatz, wird es nicht reichen, nur an Marketingausgaben zu sparen.

Wie bereits seit letztem Jahr bekannt, hat nu3 Venture Debt von Davidson Capital aufgenommen. Im Jahresabschluss ist von 3 Millionen Euro die Rede. Bisher nicht bekannt war die Kapitalerhöhung von mindestens 2,5 Millionen Euro im November 2017. Es ist davon auszugehen, dass die Gesellschaft auf diese Liquidität angewiesen war.

Ende 2016 hatten sich bereits Verluste von 44 Millionen Euro angehäuft – pro Euro Innenumsatz in 2016 sind also mehr als fünf Euro verbrannt worden. Für ein Handelsgeschäft ist das eine erschreckende Kennziffer.
Sven Schmidt, ICS-Gründer, VC-Experte und Investor

Fakten aus dem Jahresabschluss 2016
* Die Umsatzerlöse stiegen im Geschäftsjahr 2016 um 6.187 TEUR auf 29.610 TEUR. Das Umsatzwachstum reduzierte sich im Vorjahresvergleich von 69% auf 26%. Das verlangsamte Wachstum resultiert zum einen aus dem gestiegenen Wettbewerb und zum anderen aus einem Strategiewechsel zu Beginn des 4. Quartals 2016, durch den die Marketingausgaben deutlich reduziert wurden und in dessen Folge die Anzahl der gewonnenen Neukunden abnahm. Ziel des Strategiewechsels ist ein stärkerer Fokus auf das Kerngeschäft und die profitablen Geschäftsbereiche. Als Folge wurde die brasilianische Tochter verkauft und das Geschäft in Skandinavien eingeschränkt.
* Die Rohertragsmarge sank von 32% auf 29%. Der Rohertragsmargenrückgang begründet sich durch den bereits erwähnten Strategiewechsel, durch den die Aktivitäten in Skandinavien reduziert wurden. Zur Reduktion der spezifisch skandinavischen Produkte wurden Rabattaktionen durchgeführt, was die Rohertragsmarge temporär belastet hat. Zusätzlich wurden die Preise in Österreich an die sich intensivierende Wettbewerbssituation angepasst und reduziert.
* Die Marketingkostenquote blieb mit 20% auf Vorjahresniveau. Der positive Effekt aus dem Strategiewechsel im 4. Quartal wird sich erst in 2017 in dieser Zahl deutlich zeigen. Das negative EBITDA stieg im Umsatzverhältnis leicht von -41% auf -44%, da sich auch hier die positiven Auswirkungen der Strategieänderung erst im Geschäftsjahr 2017 im Ergebnis niederschlagen werden.
* Insgesamt beurteilt die Geschäftsführung den Geschäftsverlauf in 2016 als zufriedenstellend. Der Umsatz konnte gesteigert werden und gleichzeitig wurde der Grundstein für eine deutliche Ergebnisverbesserung in 2017 gelegt.
* Zur Sicherstellung der Liquidität führte nu3 verschiedene Finanzierungsmaßnahmen in 2016 durch. Im März wurde eine Lagerfinanzierung über 3 Mio. EUR mit der Commerzbank abgeschlossen. Die Kreditlinie wurde im September 2016 vollständig zurückgezahlt. Zur Überbrückung eines aufgrund einer nicht durchgeführten Kapitalerhöhung entstandenen Liquiditätsengpasses gewährten die Gesellschafter im Juli ein Wandeldarlehen in Höhe von 3 Mio. EUR und im Oktober ein weiteres Wandeldarlehen in Höhe von 2 Mio. EUR. Im November 2016 beschlossen die Gesellschafter eine Kapitalerhöhung in Höhe von 7,5 Mio. EUR, wobei die zuvor gewährten Darlehen in Höhe von 5 Mio. EUR vollständig in die Kapitalrücklage eingestellt wurden.
* Im März 2017 hat die Gesellschaft ein “Venture Debt”-Vertrag mit DAVIDSON Capital über 3 Mio. EUR abgeschlossen. Die Inhaberschuldverschreibung wurde im März 2017 komplett auf das nu3-Geschäftskonto eingezahlt. Der Vertrag beinhaltet eine vierteljährliche Zins- und Tilgungszahlung. Die Zinszahlung begann im Juli 2017. Die Tilgungszahlung beginnt im Dezember 2017. Das Darlehen wird im Laufe von 3 Jahren vollständig zurückgeführt.
* Das erste Halbjahr 2017 stand noch im Fokus der Effizienz- und Effektivitätssteigerung. Ziel ist hierbei, dass alle Länder auch nach Marketingkosten einen positiven Beitrag zur Deckung der Fixkosten (Personalkosten und sonstige Fixkosten wie Miete, IT-und Marketing-Tool-Kosten) leisten. Seit Juli 2017 lag der Fokus dann auf profitablem Wachstum mit dem Ziel, möglichst zeitnah bis Anfang 2019 auch die Fixkosten zu decken und somit ein positives EBITDA zu erreichen.
* Im Geschäftsjahr hat die Gesellschaft durchschnittlich 154 Mitarbeiter beschäftigt.

nu3 im Zahlencheck

2016: 29,6 Millionen Euro (Umsatz); 13,2 Millionen Euro (Jahresfehlbetrag)
2015: 23,4 Millionen Euro (Umsatz); 11,6 Millionen Euro (Jahresfehlbetrag)
2014: 13,9 Millionen Euro (Umsatz); 13,8 Millionen Euro (Jahresfehlbetrag)
2013: 5,1 Millionen Euro (Umsatz); 4,1 Millionen Euro (Jahresfehlbetrag)
2012: 1,0 Millionen Euro (Jahresfehlbetrag)
2011: 37.999 Euro (Jahresfehlbetrag)

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Foto (oben): nu3

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.