“Unbedingt Erfahrung in anderen Startups sammeln!”
Das junge InsurTech Getsurance wandelte sich im Sauseschritt vom Versicherungsmakler zum Versicherungsanbieter. “Zunächst klang der Plan wahnwitzig, als junges Startup eine eigene Berufsunfähigkeitsversicherung zu entwickeln. Doch schon nach sechs Monaten haben wir mit Getsurance Deutschlands erste digitale Berufsunfähigkeitsversicherung auf den Markt gebracht”, sagt Johannes Becher, der das Unternehmen, das sich etwa über Provisionen refinanziert, zusammen mit seinem Bruder Viktor Becher gegründet hat. Im Interview mit deutsche-startups.de spricht Johannes Becher über Prototypen, Lebensentscheidungen und Büroflächen.
Wie würdest Du Deiner Großmutter Getsurance erklären?
Versicherung ohne Papierkram! Bisher waren wichtige Versicherungen, wie die Berufsunfähigkeitsversicherung, extrem kompliziert. Der Abschluss war ein wochenlanges Hin- und Her mit vielen Telefonaten und Papierkrieg. Getsurance entwickelt einfach verständliche Versicherungen, die du in fünf Minuten online abschließen kannst, etwa auf deinem Smartphone.
Bei welcher Gelegenheit entstand die Idee zu Getsurance?
Wir haben uns gefragt, warum sich eigentlich niemand an die schwierigsten, aber auch wichtigsten Versicherungen wie die Berufsunfähigkeitsversicherung wagt. Mein Bruder und ich recherchierten und stellten fest, dass sich seit dem Abschluss unser eigenen Verträge vor mehr als fünf Jahren praktisch nichts verändert hatte. “Das ist hochkomplex, das geht nicht anders!”, sagte man uns. Wir waren anderer Meinung.
Hat sich euer Konzept seit der Gründung verändert?
Anfangs haben wir versucht, den Abschluss herkömmlicher Produkte von anderen Versicherern zu vereinfachen. Schon bald stellten wir fest, dass deren komplizierte Vorgänge und Papierformulare einfach nicht digitalisierbar sind. Zunächst klang der Plan wahnwitzig, als junges Startup eine eigene Berufsunfähigkeitsversicherung zu entwickeln. Doch schon nach sechs Monaten haben wir mit Getsurance Deutschlands erste digitale Berufsunfähigkeitsversicherung auf den Markt gebracht.
Was waren die größten Hürden, die Du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstet?
Vor dem Start unserer Versicherung war es sehr schwierig, Investoren zu gewinnen. Man kann nicht mal eben einen Prototypen einer neuen Versicherung bauen und damit die ersten Kunden gewinnen. Dafür braucht es einen verlässlichen rechtlichen Rahmen und teure Anwälte. Ein Henne-Ei-Problem! Heute spricht unser Produkt für sich und wir laden jeden neuen Stakeholder einfach dazu ein, es zu testen.
Wie genau hat sich Getsurance seit der Gründung entwickelt?
Wir konnten namhafte Investoren gewinnen, wie etwa die Schweizer Großbank PostFinance, die Berliner IBB Beteiligungsgesellschaft und den VC Picus Capital, hinter dem Alexander Samwer steht. Mit unserem Partner RGA, der Reinsurance Group of America, haben wir eine vollständig digitale Berufsunfähigkeitsversicherung von Grund auf neu entwickelt. Die Stiftung Warentest hat unseren schnellen und einfachen Online-Abschluss mit einem guten Testurteil gewürdigt.
Mit RGA habt ihr einen gewichtigen Rückversicherer als Partner und Gesellschafter an Bord. Wie kam es dazu?
Den Kontakt zur RGA haben unsere Business Angels hergestellt. Bereits in den ersten Gesprächen fiel uns auf, dass das Team von RGA ähnlich tickte wie wir. Sie sahen die riesen Chance, den Versicherungsmarkt durch Digitalisierung kundenfreundlicher zu machen. Der erste Eindruck bestätigte sich im Rahmen unserer einjährigen Zusammenarbeit. Als Investor kann uns RGA nun noch besser unterstützen, etwa bei der internationalen Expansion.
Nun aber einmal Butter bei die Fische: Wie groß ist Getsurance inzwischen?
Wir sind stolz, dass uns bereits mehrere hundert Kunden die Absicherung ihrer Arbeitskraft anvertrauen. Der Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung ist eine Lebensentscheidung, da sie normalerweise bis zum Rentenalter läuft und nicht gewechselt wird. Unser Team besteht aus zwölf Köpfen. Jeder von ihnen bringt bereits Erfahrung aus anderen Startups mit.
Du hast Getsurance mit Deinem Bruder zusammen gegründet. Wie ist es, ein Startup als Familienbetrieb zu führen?
Bei Rocket Internet habe ich viel mit “gecasteten” Gründer-Teams gearbeitet. Da gab es immer wieder Konflikte. Als Geschwister haben wir eine unschlagbare Vertrauensbasis, auch wenn wir gerade nicht einer Meinung sind. Das hilft uns dabei, die anfallenden Aufgaben klar aufzuteilen und jeweils unsere Stärken auszuspielen.
Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du aus diesen gelernt?
Wir haben uns anfangs viele Optionen offen gelassen, um mit allen möglichen Partnern und Investoren Anknüpfungspunkte zu finden. Jetzt wissen wir, dass es viel wichtiger ist, eine klare Vision zu haben. Dazu gehört auch, dass man von Anfang an ganz klar sagt, was man nicht machen will – zum Beispiel Offline-Produkte.
Blicke bitte einmal zurück: Was ist seit der Gründung so richtig schief gegangen?
Bestimmt macht jeder Gründer einmal den Fehler, beim Hiring nicht auf das eigene Bauchgefühl zu vertrauen. Heute stellen wir nur noch Kandidaten ein, die nicht nur fachlich überzeugen, sondern auch die richtige Einstellung mitbringen und ins Team passen.
Und wo habt Ihr bisher alles richtig gemacht?
Wir haben von Anfang an auf ein starkes eigenes Tech-Team, agile Prozesse und moderne Technologien gesetzt. Viele Startups schustern mit Freelancern etwas zusammen, um möglichst schnell am Markt zu sein. Später rächen sich die technischen Schulden und verlangsamen das Unternehmen in einer möglicherweise entscheidenden Phase.
Was hättest Du gerne vor der Gründung gewusst?
Dass es in Berlin zwei Jahre nach unserer Gründung kaum noch freie Büroflächen gibt! Dann hätten wir uns gleich am Anfang ein eigenes Büro gesichert und nicht genutzte Flächen vorübergehend untervermietet.
Welchen Tipp hast Du für andere Gründer?
Vor der Gründung solltet ihr unbedingt Erfahrung in anderen Startups sammeln! Erfahrungen aus Beratungen und Investment-Banken sind wertvoll, aber die Arbeit in einem Startup ist dann doch etwas ganz anderes. Bei vielen Startups könnte ihr als Entrepreneur in Residence in relativ kurzer Zeit wertvolle Erfahrungen sammeln und Kontakte knüpfen.
Wo steht Getsurance in einem Jahr?
Wir werden weitere digitale Produkte wie die Pflege- und die Risikolebensversicherung auf den Markt gebracht haben.
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