Gastbeitrag
Der Spotify-IPO als Blaupause für deutsche Startups?
Anfang April hat der Musikstreaming-Dienst Spotify an der New York Stock Exchange sein Börsendebüt gegeben. Für viel Aufsehen hat gesorgt, dass Spotify dabei zur Platzierung von Aktien auf die Mandatierung von Investmentbanken verzichtet hat. Drei Investmentbanken wurden stattdessen als “financial advisors” mit der Begleitung der Direktnotierung betraut. Obwohl diese drei Investmentbanken sicher einen Großteil der im Wertpapierprospekt ausgewiesenen 35 Millionen US-Dollar an Beratungskosten vereinnahmt haben dürften, liegen die Kosten der Transaktion doch deutlich unter denen, welche ein Vorgehen nach traditionellem Muster ausgelöst hätten. Entsprechend groß war auch das Medienecho auf die neuartige Transaktionsstruktur. Insbesondere wurde die Frage aufgeworfen, ob der klassische Börsengang ausgedient habe oder ob zumindest eine belastbare, kostengünstige Alternative gefunden worden sei. Tatsächlich handelt es sich bei Spotify um eine Blaupause, die nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen einsetzbar ist.
Wie ist Spotify vorgegangen?
Zunächst hat Spotify auf die Ausgabe von neuen Aktien ganz verzichtet. Erlöse sind dem Unternehmen im Rahmen des Börsengangs daher nicht zugeflossen. Auch die Aktien der Altaktionäre wurden nicht in außerbörslichen Transaktionen vor Aufnahme des Börsenhandels bei institutionellen Investoren platziert. Vorgesehen war vielmehr, dass die Altaktionäre ihre Aktien, soweit sie diese nicht behalten wollten, nach Aufnahme des Börsenhandels über die Börse veräußern. Spotify verzichtete ferner auf eine Roadshow bei institutionellen Investoren. Stattdessen fand am 15. März 2018 ein sogenannter “Investor Day” statt, eine zweistündige Präsentation, die live ins Internet übertragen und anschließend auf der Website von Spotify zum Abruf vorgehalten wurde.
Der Börsenprospekt von Spotify beschreibt die Veräußerung von 31 Prozent der Aktien als Gegenstand des Angebots. Aufgrund der zu kurzen Haltedauer dieser Aktien durch die Aktionäre konnten sich diese nicht auf eine Ausnahme von der Prospektpflicht nach US-Recht verlassen. Die Halter der übrigen 69 Prozent der Aktien hatten diese bereits so lange gehalten, dass sie die Aktien aufgrund der entsprechenden Ausnahmeregelung verkaufen konnten, ohne dass hierfür ein Prospekt erforderlich war. Der chinesische Internetgigant Tencent, der neun Prozent der Aktien hält, hat sich in einer sogenannten “Lock-Up”-Vereinbarung verpflichtet, seine Aktien bis ins Jahr 2020 hinein nicht zu verkaufen. Problematisch war hierbei, ob bei Aufnahme des Börsenhandels ein Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage entsteht. Vor Aufnahme des Börsenhandels war im Fall Spotify nicht bekannt, wie viele der 91 Prozent der Aktien, die keiner Veräußerungsbeschränkung unterlagen, “auf den Markt geworfen” werden würden. Unter anderem um dieses Problem zu adressieren, hat die New York Stock Exchange ihre Regeln zur Bestimmung des ersten Börsenkurses mit Wirkung zum Februar 2018 geändert. Durch die Änderung wurde es einem der drei “financial advisors”, Morgan Stanley, ermöglicht, den ersten Kurs auf der Basis vorbörslicher Orders festzulegen.
Gründe für das Gelingen des Börsendebüts
Im Fall Spotify ist das Handelsdebüt aus zwei Gründen gelungen: Großaktionäre haben untereinander Absprachen getroffen, wer wann wie viele Aktien veräußert. Und noch wichtiger: Die weltweite Bekanntheit von Spotify hat dafür gesorgt, dass das Angebot an Aktien im Börsenhandel auf ausreichend Nachfrage traf.
Lässt sich das Modell Spotify auf Deutschland übertragen?
Auf die hiesige Börsenlandschaft lässt sich das Modell Spotify nur übertragen, wenn einige Voraussetzungen gegeben sind:
- Der Emittent benötigt keine Erlöse aus dem Börsengang.
- Es muss bereits vor Börseneinführung eine ausreichende Streuung der Aktien im Publikum gegeben sein, da die Börsenaufnahme ansonsten bereits an den diesbezüglich geltenden rechtlichen Anforderungen scheitert.
- Der Verkauf von Altaktien durch Altaktionäre über die Börse muss auf ausreichend Nachfrage stoßen.
Insbesondere diese letzte Anforderung dürfte ohne die Einschaltung einer Investmentbank, die bei institutionellen Investoren kräftig die Werbetrommel rührt, nur ganz selten erfüllt sein. Börsengänge von weltweit bekannten und gefragten Unternehmen wie Google oder Spotify sind nun einmal eher die Ausnahme. Erfolgt eine reine Börsennotierung ohne Platzierung und ohne ausreichende Nachfrage über den Börsenhandel, führt die Marktenge des Handels häufig zu Preisverwerfungen. Die mangelnde Liquidität wird größere institutionelle Investoren bereits davon abhalten, sich mit der Aktie überhaupt nur zu beschäftigen. Es droht, jedenfalls auf kurze bis mittlere Sicht, ein “Mauerblümchendasein” an der Börse.
Das Vorgehen von Spotify hat in deren speziellen Fall, soweit sich das bislang abschätzen lässt, gut funktioniert. Man sollte sich aber davor hüten, das Modell Spotify als neues Patentrezept zur Vermeidung von Investmentbankgebühren zu propagieren. Es eignet sich nur in wenigen, gesondert gelagerten Fällen.
Über den Autor
Philipp Melzer ist Rechtsanwalt und Partner bei der Wirtschaftskanzlei CMS in Deutschland und berät im Bereich Kapitalmarktrecht Unternehmen bei den Vorbereitungen und der Durchführung von Börsengängen, Kapitalerhöhungen und Zweitplatzierungen.
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