“Nichts Glorreiches, sondern viel Arbeit und Schmerz”
Jeden Freitag beantwortet ein Gründer oder eine Gründerin unseren standardisierten Fragebogen. Der Fragenkatalog lebt von der Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Fragen, die alle Gründerinnen und Gründer beantworten müssen – diesmal antwortet Tobias Eichenwald, Mitgründer von Senic. Eichenwald und seine Mitstreiter gründeten Senic 2013 in ihrer Wohnung in Berlin-Kreuzberg. Birchmere Ventures, Target Partners und Gira, ein Hersteller intelligenter Elektroinstallations- und Gebäudesystemtechnik, investierten kürzlich 4 Millionen US-Dollar in das Smart Home-Startup.
Was bedeutet es Dir, Dein eigener Chef zu sein?
Mein Eltern – und auch die meiner Mitgründer – waren über 30 Jahre Unternehmer. Ich verbinde mit einem Unternehmer nichts Glorreiches, sondern vor allem viel Arbeit und Schmerz. Für mich ist ein Start-up aber auch eine logische Konsequenz. Ich bin davon motiviert, innerhalb meiner gegeben Lebenszeit einen größtmöglichen, positiven Impact auf die Welt zu haben. Für die Arbeit in der Politik und in Großunternehmen bin ich glaube ich zu meinungsstark. Gerade für die Politik habe ich zu wenig Geduld und auch keine Lust auf persönliche Machtkämpfe. In einem Start-up sind meine Stärken und Qualitäten am besten eingesetzt. Daneben mag ich es, Verantwortung zu übernehmen. Ich arbeite gerne zusammen mit einem Team für eine größere Idee.
Bei welcher Gelegenheit kam Dir die Idee zu Deinem Startup?
Unsere Reise fing mit ein paar einfachen Beobachtungen an. Während wir uns trafen, schaute mindestens einer immer mal wieder auf sein Smartphone. Wir waren nie zu 100 % mental anwesend. In der Bahn, im Schlafzimmer, im Badezimmer – sobald es eine freie Minute des Nichtstun gibt, greifen wir zum Smartphone. Unser Team, unsere Freunde und unsere Kunden haben keinen Bock mehr auf Apps. Wir fühlen uns von Social Media, Notifications und Screens abgelenkt und überfordert. Unsere Generation verbringt inzwischen mehr als die Hälfte des Tages vor Screens und checkt im Schnitt über 100 Mal am Tag das Smartphone. Mehr und mehr Studien zeigen, dass die heutige Art der Interaktion zwischen Mensch und Technologie schädlich ist. Zu einer Zeit in der Technologie zu jeder wachen Minute unseres Lebens zugänglich ist, müssen wir den Sprung von der Frage des Möglichen zur Frage des Nötigen schaffen. Dabei darf nicht das Produkt im Mittelpunkt stehen. Unternehmen wie Facebook und Twitter stellen “Attention Designer” an, die psychologische Mechanismen nutzen, um uns so lange wie möglich in der App zu halten. Im Mittelpunkt muss aber der Mensch stehen, der von Technologie aus dem Hintergrund unterstützt wird, ohne dabei abgelenkt zu werden. Wir glauben nicht, dass Menschen weniger Technologie nutzen werden oder sollten. Wir glauben aber auch nicht daran, dass man sich täglich von Burger und Currywurst ernähren sollte. Im Vergleich zu einer “Virtual Reality” glauben wir an eine “Enriched Reality”, in der Technologie genau diese Rolle erfüllt und die Welt um uns herum anreichert, ohne abzulenken. Unsere Produkte sind die Schritte auf dem Weg in diese Zukunft.
Woher stammte das Kapital für Dein Unternehmen?
Unser erstes Kapital erhielten wir durch Y-Combinator. Seitdem sind mehrere Investoren aus den USA, Asien und Deutschland inklusive Target Partners aus München, Birchmere Ventures aus Pittsburgh und auch GIRA, ein deutsches mittelständiger Marktführer aus unserer Branche, hinzu gekommen. Neben den Investoren stammt unser Kapital selbstverständlich auch aus den Umsätzen unserer Produkte, wofür wir natürlich unseren Kunden und unserer Community sehr dankbar sind.
Was waren bei der Gründung Deines Startups die größten Stolpersteine?
“Hardware is Hard” – und dieses Sprichwort hat sich auch bei uns bewahrheitet: Eine einfache App kann mit einem Entwickler und einem Designer innerhalb von zwei Monaten gebaut werden. Für ein vergleichbares, niederkomplexes Hardware-/Software-Produkt braucht man mindestens sieben Leute und 15 Monate Entwicklungs- und Produktionszeit. Die Kosten und das benötigte Investment kann man sich ausrechnen. Hinzu kommen noch Kosten für Spritzgusswerkzeuge, Zertifizierungen, Materialien, Prototypen etc. Auch Ansätze wie “move fast and break things” kann man sich als Hardware-Startup nicht leisten, da eine Rückrufaktion das Ende des Unternehmens bedeutet. Qualität kommt hier oftmals vor Speed. Die hohen Kosten und die lange Entwicklungszeit führen unter anderem dann auch dazu, dass es sehr viel schwerer ist, Geld von Investoren zu bekommen; paradoxerweise vor allem in Deutschland. Wir mussten diese Stolpersteine bis heute und auch weiterhin überwinden. Das hört sich ein wenig erschlagend an, aber die Nachteile kommen natürlich auch mit einigen Vorteilen. Die Barrieren bei Hardware sind zwar hoch, dafür ist die Konkurrenz aber auch deutlich geringer. Dazu kommt, dass Menschen schlichtweg einfach lieber physische als virtuelle Produkte kaufen. Zu guter Letzt kann Hardware als Einstieg in Software Business Modelle dienen, die sonst nicht möglich wären. Gott sei Dank konnten wir uns durch die ersten Jahre durchbeißen und beweisen, dass wir Hardware und Software innerhalb von Deutschland mit einem sehr kleinen Team zur gleichen Qualität wie Leica oder Bang & Olufsen herstellen können und unsere Kunden unsere Produkte täglich nutzen.
Was würdest Du rückblickend in der Gründungsphase anders machen?
Hardware ist ein Cash Business und dauert lange. Deshalb würde ich nächstes Mal mit einem extrem niederkomplexen Produkt ohne Software und Elektronik anfangen, um einen cashflow aufzubauen und im zweiten Schritt komplexere Produkte anpacken.
Jedes Start-up muss bekannt werden. Welche Marketingspielart ist für Euch besonders wichtig?
Mehr und mehr Menschen können sich mit unserer Mission identifizieren und wir schreiben sehr viel darüber in unserem Blog. Content ist daher extrem wichtig für uns und trifft auf sehr viel Zuspruch. Wir versuchen so viel wie möglich über das Smarthome aber auch die Zukunft der Interaktion zwischen Mensch und Technologie zu teilen. Cross Promotions mit Unternehmen wie Sonos oder unser Partnerprogramm Senic Pro, indem wir zusammen mit Architekten und Systemintegratoren gemeinsam an unserer Mission arbeiten, sind auch sehr wichtig.
Welche Person hat Dich bei der Gründung besonders unterstützt?
Ich muss hier ein paar Personen nennen. Jessica Livingston und Paul Graham hatten uns die Chance bei Y Combinator gegeben. Wir sind ihnen für diese Lebenserfahrung extrem dankbar. Holger Weiss steht mit seit mehreren Jahren als Mentor aber vor allem als vertrauter Freund zur Seite. Schaut euch Germanautolabs.com an! Michael Münnix, unser Partner bei Target Partners, ist immer für uns da und hilft uns bei jeder noch so kritischen Frage. Der letzte Punkt hört sich vielleicht ein wenig klischeehaft an. Ich bin mir allerdings sicher, dass wir ohne unser Team heute nicht da wären wo wir sind. Ihr seid die geilsten und ich bin stolz auf euch.
Welchen Tipp gibst Du anderen Gründern mit auf den Weg?
Erstens: Such’ nach nach einem Problem oder einem “Desire”, welches für Menschen emotional aufreibend ist. Zweitens: Für Hardware Gründer: Cash ist King. Verstehe wie lang Hardware dauert.Verstehe was COGS bedeutet. Verstehe deine Retail Marge. Drittens: Sei ehrlich zu dir selber. Hybris und mangelnde Selbstreflexion werden dich dein Unternehmen kosten.
Du triffst den Bundeswirtschaftsminister – was würdest Du Dir für den Gründungsstandort Deutschland von ihm wünschen?
Deutschland ist aus gutem Grund international als “Hardwareland” bekannt. Die Zukunft der Hardware und somit die Zukunft vieler deutscher Unternehmen bedeutet allerdings Hardware plus Software. Oftmals wird das Stichwort “Internet der Dinge” durch den Raum geworfen. Das haben viele allerdings noch nicht realisiert. Wieso auch, es geht und ja so gut. In der Zwischenzeit werden wir von den USA, China aber auch überraschenderweise zum Beispiel auch von Frankreich gnadenlos überholt. Wer das nicht glaubt, soll uns auf der CES in Las Vegas besuchen kommen. Unter tausenden Hardware- und Software-Start-ups findet man hunderte französische Start-ups und nur eine Hand voll deutscher. Um das Internet der Dinge zu meistern, müssen wir Digital Natives und Start-ups mitnehmen. Kaum jemand in meiner Generation hat mehr Lust in den eingestaubten Konstrukten großer Unternehmen zu arbeiten. Meine Mitgründer und ich haben bei Unternehmen wie Audi und Merck gearbeitet und wissen, wovon wir sprechen. Ich bin von Grund auf Optimist und sage diese Dinge nicht, weil sie mich stören, sondern weil ich Chancen sehe, die Deutschland einzigartig machen und die wir so schnell wie möglich nutzen müssen.
Was würdest Du beruflich machen, wenn Du kein Startup gegründet hätten?
Ich habe mal als Schuhputzer gearbeitet, was wirklich sehr viel Spaß gemacht hat. Dabei lernt man sehr viel über Menschen.
Bei welchem deutschen Start-up würdest Du gerne mal Mäuschen spielen?
Da fallen mir zwei ein: Lofelt ist ein super interessantes Technologieunternehmen mit einem erstklassigen und erfahrenen Team, von dem ich gerne lernen würde. Unu hat ein sehr komplexes Produkt und Unternehmen mit viel Kampfgeist und Improvisationsvermögen gebaut.
Du darfst eine Zeitreise unternehmen: In welche Epoche reist Du?
Ich würde gerne das Berlin der 20er Jahre erleben. Übrigens war Berlin mal die Herstellungsmetropole Deutschlands. Es gibt noch ein paar alte Herstellungsanlagen im Osten Berlins mit fantastischer Architektur.
Du hat eine Million Euro zur persönlichen Verfügung: Was machst Du mit dem ganzen Geld?
Ich bin leidenschaftlicher Minimalist und hoffe, nie ein Auto fahren zu müssen. Ich würde wahrscheinlich den Leuten um mich rum etwas schönes schenken und den Rest in das nächste Projekt investieren. Die Liste an Problemen, die ich gerne noch anpacken will, ist sehr lange.
Wie verbringst Du einen schönen Sonntag?
Erstmal ausschlafen. Danach gehe ich mit meiner Freundin frühstücken und wir gehen entweder Tango tanzen, spazieren oder lesen. Ein Tip an neue Gründer, die einen langen Atem brauchen und im Grunde das erste Gesetz der Thermodynamik: Du kannst nur dann Energie aufwenden, wenn du die nötige Energie besitzt. Es wirkt einfach, aber ich mache heute noch den Fehler. Investiere an den richtigen Stellen und kümmere dich um deine körperliche und geistige Gesundheit.
Mit wem würdest Du gerne einmal auf einen Kaffee oder ein Bier verabreden?
Dieter Rams
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