Interview

Vier Münchner wissen alles über Extrawünsche

"Auch wenn das Expertenwissen bereits digitalisiert und die Datenpakete unserer Kunden analysiert sind, gibt es in Sachen Usability immer noch viel zu tun – wir sind angetreten, Komplexität in Industrieunternehmen nachhaltig zu meistern", sagt Maximilian Kissel von Soley.
Vier Münchner wissen alles über Extrawünsche
Mittwoch, 9. Mai 2018VonAlexander

Bereits 2013 wurde das Münchner Startup Soley aus dem Lehrstuhl für Produktentwicklung der TU München ausgegründet. Ins Leben gerufen wurde das Unternehmen von Bergen Helms, Maximilian Kissel, Alexander Golovantenko und Peter Grüner. Das Soley-Team bietet Unternehmen eine Data-Analytics-Lösung, um ihr Produktportfolio in den Griff zu bekommen. Die BayBG Bayerische Beteiligungsgesellschaft und Vito Ventures sowie Altinvestor Hightech Gründerfonds (HTGF) und “namhafte Business Angels” investierten kürzlich in Soley. Im Interview mit deutsche-startups.de spricht Mitgründer Kissel über Sonderwünsche, Geschmack und Erdbeerkuchen.

Wie würdest Du Deiner Großmutter Soley erklären?
Oma, jetzt stell‘ Dir mal vor, Du willst für Deine ganze Familie spontan einen Kuchen backen. Das einzige Problem: Jeder hat einen etwas anderen Geschmack und äußert Sonderwünsche: Deine Tochter will einen Erdbeerkuchen, Dein Enkel lieber gefüllte Waffeln und für Opa kommt nur eine Käsesahne in Frage. Du kannst natürlich versuchen alle denkbaren Zutaten und Küchengeräte jederzeit einsatzbereit in Deiner Küche zu haben und dann anfangen, ganz viele Kuchen gleichzeitig zu backen. Aber: Wenn Du dann noch Onkel Willi und Deinen Nachbarn einlädst, wird es selbst Dir zu viel. Denn Du musst ja beim Einkaufen, beim Lagern der Zutaten und beim Backen selbst alle Extrawünsche im Kopf behalten – eine extreme Herausforderung. Da wäre es doch toll, wenn es eine viel kleinere, aber dennoch optimale Auswahl an Kuchen gäbe, mit der Du trotzdem alle glücklich machen könntest: Die Kuchen haben idealerweise möglichst viele gleiche Zutaten und können vielleicht sogar gleichzeitig verarbeitet oder bei der gleichen Temperatur gebacken werden.

Und kommt da jetzt Soley ins Spiel?
Wir übertragen dieses Mini-Beispiel – das Dich aber trotz Deiner legendären Improvisationskunst schon an Deine Grenzen bringt – auf Industrieunternehmen mit einer historisch gewachsenen Produktvielfalt: Viele Produkte, Varianten oder Sonderprojekte werden nur ab und zu für wenige Kunden in kleiner Stückzahl benötigt – die Sonderwünsche. Doch die erforderlichen Bauteile, Maschinen und Prozesse müssen jederzeit auf Abruf bereitstehen – auch dann, wenn sie gerade nicht gebraucht werden –, und das kostet viel Geld, viel Zeit und verursacht enorme Komplexität.
Soley hilft Industrieunternehmen, ihre optimale Produktvielfalt trotz der bereits bestehenden Komplexität zu identifizieren, und zwar datenbasiert: Was haben Kunden in der Vergangenheit bestellt, welche Produkte haben gemeinsame Bauteile, und welche Produkte erzeugen im Grunde nur hohe Kosten und Aufwände, trotz niedriger Verkaufszahlen und geringer Marge. Solche Analysen haben bisher für einzelne Produkte Stunden oder Tage gedauert und etliche Mitarbeiter beschäftigt. Uns bzw. dank unserer Software gelingt dies dank smart kombinierter Daten sehr schnell und buchstäblich auf Knopfdruck. Kurz: Wir reduzieren Komplexität im gesamten Produktportfolio, unsere Kunden kaufen effizient ein produzieren in höchster Qualität.

Hat sich eurer Geschäftsmodell in den vergangenen Jahren verändert?
Wir haben natürlich aus unseren Kunden-Feedbacks gelernt und an einigen Stellen nachjustiert. Zu Beginn konzentrierten wir uns sehr stark auf den Vertrieb unserer Software-Lizenzen – aus der Überzeugung heraus, dass unsere Kunden mit großartiger Software Berge versetzen können. Inzwischen haben wir gelernt, dass es für unsere Kunden sehr positiv ist, wenn wir ihnen ihren Anwendungsfall als möglichst standardisierte Lösung anbieten können. Wir digitalisieren Expertenwissen aus dem Engineering und stellen es als skalierbare Lösung bereit. Das spart unseren Kunden viel Zeit. Die Freiheit, mit unserer Software-Plattform danach auch selbst aktiv Expertenwissen zu digitalisieren, unterscheidet uns von Beratungen und Auftragsentwicklern.

Wie hat sich Soley seit der Gründung entwickelt?
Wir haben mit Unterstützung von Techfounders einige unserer frühen Kunden kennengelernt und beispielsweise Festo, einen Innovationsführer bei Automatisierungslösungen mit elektrischer und pneumatischer Technologie in der Fabrik- und Prozessautomation, sehr schnell von unserer Lösung begeistert. Kundenfeedback ist das A und O für einen agilen Entwicklungsprozess – da hat uns die Zusammenarbeit mit unseren frühen Kunden natürlich sehr geholfen. Inzwischen haben wir unsere eigenen Büroräume am Münchner Westpark und ein mega interessantes Kundenportfolio. Festo setzt unsere Lösung inzwischen für mehrere komplexe Optimierungsprobleme ein. Darüber hinaus gibt es weitere renommierte Industrieunternehmen wie MAN oder Mayr, die gerne und erfolgreich mit uns zusammenarbeiten.

Nun aber einmal Butter bei die Fische: Wie groß ist Soley?
Wir sind ein internationales Team aus knapp 30 Mitarbeitern. Unser Umsatz entwickelt sich sehr positiv, aber unser Fokus liegt nicht darauf, Kunden für einmalige Projekte zu gewinnen, sondern mit einer extrem werthaltigen Software-Lösung langfristig zu begeistern.

Wo steht Soley in einem Jahr?
In einem Jahr wird unsere Lösung als SaaS mit sehr kurzem Onboarding und optimierter Benutzerführung für Industrieunternehmen innerhalb von nur wenigen Tagen großen Mehrwert liefern. Auch wenn das Expertenwissen bereits digitalisiert und die Datenpakete unserer Kunden analysiert sind, gibt es in Sachen Usability immer noch viel zu tun – wir sind angetreten, Komplexität in Industrieunternehmen nachhaltig zu meistern – das ist ein sehr dickes Brett, das wissen unsere Kunden am besten. Und Oma sowieso!

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Foto (oben): Soley

Alexander

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.