Der große Startup-Frust in Berlin und ganz Deutschland
Startup-Deutschland boomt weiter. Nicht nur in Berlin. Die immer größer werdende Szene stößt mittlerweile aber auch überall im Lande an ihre Grenzen. Selbst in der Startup-Hauptstadt Berlin ist schnelles Internet keine Selbstverständlichkeit. War es aber noch nie! Jüngst schrieb sich Wunderlist-Mitgründer Christian Reber, der gerade mit Pitch wieder durchstartet, auf Twitter seinen Glasfaserfrust von der Seele. “At our @Pitch office, based in Berlin Mitte, city center and heart of Berlin’s startup scene, we’re limited to a 50 Mbit internet connection. 3 months after starting a new company I need to invest 12.000 €+ (+500€/month) for a 500 Mbit fiber connection.“
Auch shyftplan-Macher Jan-Martin Josten teilte auf Rebers Beitrag seinen Frust mit der Schneckenverbindung in Berlin mit. “Same in Kreuzbergs Startup Corner. We got a ubiquity edgerouter x, Kabel Deutschland as a second line and load balanced two lines. Works ok and we have somewhat of a redundancy.“ Da muss sich keiner wundern, wenn Gründer Berlin oder Deutschland verlassen. Und es kursieren in Berlin noch mehr hanebüchene Schnecken-Geschichten: Die PR-Agentur Clarity etwa musste sich im vergangenen Jahr ein neues Büro suchen. Am alten Standort, mitten in Berlin, war das Netz einfach zu schlecht. Dem Grownup Mister Spex ging es wie Pitch-Macher Reber: Das Unternehmen ließ in seinem Berliner Logistikzentrum Glasfaser selbst verlegen. Vermutlich ein recht teures Vergnügen. Nicht nur deswegen war es Zeit für einen Brandbrief an den Berliner Bürgermeister.
Aber nicht nur in Berlin ist der Glasfaserfrust hoch. 77 % der Landwirte in Deutschland sind nach Ergebnissen des aktuellen DBV-Konjunkturbarometers Agrar mit ihrem Zugang zum Internet nicht zufrieden. Denn auch die Landwirtschaft ist längst nicht mehr so altbacken wie es sich einige Parteien vorstellen! “Damit ist der Unmut über eine unzureichende Internetversorgung im Vergleich zum Vorjahr erheblich größer geworden. Im März 2017 waren dagegen immerhin 67 % der repräsentativ befragten Landwirte mit ihrem Internetzugang unzufrieden”, heißt es in einer Presseaussendung des Deutschen Bauernverbandes (DBV). “Das Ziel der Regierung ist, bis 2025 flächendeckend ein gigabitfähiges Netz ausgebaut zu haben. Das ist nicht ambitioniert genug. So verlieren wir Zeit und wir vergeben Chancen”, sagt DBV-Präsident Joachim Rukwied. Der Bauernverband erwartet von der Bundesregierung nicht weniger als “einen Masterplan, wie flächendeckende Gigabit-Fest- und -Mobilfunknetz geschaffen werden kann. Ländliche Räume mit geringer Bevölkerungsdichte dürfen bei der Versorgung mit schnellem Internet nicht weiter vernachlässigt werden.” Deutschland im Jahre 2018: Die Startup-Szene kämpft mit den Bauern im Lande um schnelles Internet!
Wie schwierig die Online-Geschäfte auf dem Land sein können, zeigt ein Beispiel aus Niedersachsen. Die Fischfarm Schubert ist wohl der größte Online-Händler für Teichfische im deutschsprachigen Raum. Das Unternehmen von Stephan Schubert residiert in Wildeshausen in der Nähe von Oldenburg. Auch nach “jahrelangem Bemühen” verfügt die Fischfarm “nur über eine Festnetz-Telefonleitung und keine Internetverbindung”. Gründer Schubert bearbeitet die Online-Bestellungen zu Hause, druckt diese aus und dann geht es los mit dem Versand. Deutschland im Jahre 2018 – irgendwo in Niedersachsen! Ein High-Tech-Standort sieht anders aus!
Die Reihe ließe sich endlos fortsetzen! Die Bundesregierung muss endlich mal aufs Gaspedal treten – nicht nur in Sachen Glasfaser und Co. Die CDU/CSU kämpft aber lieber weiter gegen die digitale Realität im Lande an – etwa beim geplanten Versandverbot für verschreibungspflichtige Medikamente. Mit dem Verbot wollen die Regierungsparteien die “Gleichbehandlung wiederherstellen”. Was mehr als abwegig ist. Das Vorhaben steht zudem auch im krassen Kontrast zur anderen Gesundheitspolitik im Lande, etwa der Revolution beim Thema Telemedizin. Reine Onlinesprechstunden, bei denen sich Arzt und Patient nie begegnen, sollen bald überall in Deutschland Realität werden. Dann können Onliner hierzulande sich per Smartphone verarzten lassen. Wenn sie dann ein Rezept für ein verschreibungspflichtiges Medikament bekommen, dürfen sie es – nach dem Willen der Bundesregierung – aber nicht online einlösen – sie müssen in eine Apotheke vor Ort spazieren (auf dem Land nicht immer einfach). Ein Trauerspiel!
Eine Startup-Nation wird Deutschland so nicht! Hierzulande gilt weiter der alte Spruch von Alt-Kanzler Helmut Schmidt: “Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.” Dabei profitiert Deutschland massiv von den vielen Visionen der Startupper im Lande.
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