Interview

Als Sologründer kann man “sich keine Auszeit nehmen”

"Als Gründer und CEO, Head of Marketing & Content, IT-Spezialist - oder so ähnlich -, Buchhalter und Office-Manager in einem, kommt nie Langeweile auf. Ganz im Gegenteil – man wird ganz schön auf Trab gehalten und muss sich in viele Themen einlesen", sagt Robert Ermich, Gründer von DeinHandy.
Als Sologründer kann man “sich keine Auszeit nehmen”
Mittwoch, 18. April 2018VonAlexander Hüsing

Vor rund vier Jahren gründete Robert Ermich, früher bei Preis24 tätig, das Startup DeinHandy. Inzwischen arbeiten 60 Mitarbeiter für die Plattform rund um Handyverträge. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete DeinHandy einen Umsatz in Höhe von knapp 10 Millionen Euro. Im dritten vollen Jahr nach Firmengründung schreibt das Startup, das Ermich nicht nur ohne Investorengelder, sondern auch noch als Sologründer aufgebaut hat, nun schwarze Zahlen. Im Interview mit deutsche-startups.de spricht Ermich über unangenehme Entscheidungen, Druck und neue Perspektiven.

Was ist die größte Herausforderung, der sich Sologründer stellen müssen?
Als Gründer und CEO, Head of Marketing & Content, IT-Spezialist – oder so ähnlich -, Buchhalter und Office-Manager in einem, kommt nie Langeweile auf. Ganz im Gegenteil – man wird ganz schön auf Trab gehalten und muss sich in viele Themen einlesen und sich mit Dingen auseinandersetzen, die man vorher noch nie gehört oder erklärt bekommen hat. Für mich ist es dabei wichtig, mir von unterschiedlichen Seiten ausreichend Input zu holen, um kritische Themen aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten zu können. Durch meine Erfahrungen in vorigen Positionen bei Preis24 und Rocket Internet hatte ich es bei der Gründung von DeinHandy.de als Allein-Gründer auf jeden Fall einfacher.

Inwiefern?
Ist das Geschäftsmodell komplett neu oder der Markt unbekannt, macht es schon mehr Sinn die Herausforderungen und vor allem auch die Verantwortung und Entscheidungsfindung auf mehrere Köpfe zu verteilen.

Blicken wir einmal auf die positive Seite: Was ist der größte Vorteil, den Sologründer haben?
Ein eigener Stil! Die Freiheit zu haben sich sein Office, Team und den Spirit so zu gestalten, wie man selbst ist und eben eine Vision ohne Kompromisse zu verfolgen, ist sicherlich ein großer Vorteil. Die Zusammenstellung und Führung vom eigenen Team ist für mich einer der Schlüssel zum Erfolg und etwas, was das Unternehmen nachhaltig prägt. Ein weiterer Vorteil für den Sologründer ist, dass er von Beginn an prinzipiell an allen Dingen beteiligt ist und somit auch wirklich in jeden Bereich hineinblicken und immens viel dazu lernen kann. Durch das Verständnis der unterschiedlichen Prozesse in den verschiedenen Teams fallen Fehler schneller auf und Reibungsverluste in der Kommunikation können schneller minimiert werden. Des Weiteren werden Entscheidungen nicht “nur” auf Führungsebene oder im Gründer-Team getroffen, sondern man holt sich eben das Feedback von den einzelnen Bereichen direkt. Das führte in meinem Fall meistens zu besseren Entscheidungen, da mehr Expertise aus den Fachbereichen mit dabei war und auch direkt zu mehr Mitarbeiterzufriedenheit, weil sich alle direkt mehr involviert fühlen. Ein kleiner, weiterer Vorteil ist natürlich auch die Kostenminimierung für Gehälter und Anteile mehrerer Führungspersonen.

Jetzt ein Blick auf die negative Seite: Was ist der größte Nachteil, den Sologründer haben?
Der größte Nachteil ist, wie der Name “allein” schon sagt, dass man kleine und große Hürden immer allein bewältigen muss. Klar hat man immer sein Umfeld, das einen so gut wie es geht unterstützt. Aber am Ende des Tages ist man eben doch auf sich allein gestellt. Das Problem wird einem aber erst wirklich bewusst, wenn die Zeiten holprig sind und nicht alles wie geplant läuft. Man merkt, dass man sich keine Auszeit nehmen kann, sondern eben 24/7 mit 110 Prozent dabei sein muss. Wenn dann wirklich schwierige und auch unangenehme Entscheidungen getroffen werden müssen, lastet der Druck eben nur auf ein Paar Schultern und nicht auf mehreren.

Wie kommt durch solche schwierigen Zeiten?
Durchatmen und einen klaren Kopf behalten muss man auf jeden Fall lernen, wenn man als Einzel-Kämpfer in der Startup-Szene unterwegs ist. Sollte man aus privaten oder gesundheitlichen Gründen mal ausfallen, ist das in einer frühen Phase eher ungünstig.

Sind Dir Fehler unterlaufen, die bei einer Teamgründung vermutlich nicht passiert wären?
Ich würde es vielleicht nicht Fehler nennen, aber ein paar Entscheidungen wären sicherlich anders ausgefallen, wenn man in einem Gründer-Team zusammen nochmal eine Runde gemacht hätte.

Zum Beispiel?
Die ein oder andere Personalentscheidung hätte man vielleicht früher getroffen anstatt abzuwarten. Auf der anderen Seite hat das Geben von mehreren Chancen auch dazu beigetragen, die Atmosphäre im Team zu stärken und den Druck vor Fehlern der Mitarbeiter etwas zu nehmen.

Gibt es Tools und Services, die Dir die Arbeit erleichtern?
Wir nutzen insgesamt eine große Breite verschiedener Tools für Tracking, Organisation, Termin- und Urlaubsplanung: Slack ist denke ich inzwischen Standard und bietet einfach extrem viele Möglichkeiten weitere Services zu adaptieren. Google Data-Studio hilft uns für die Visualisierung von interessanten Reports. Overall bin ich aber eher derjenige, der immer noch ab und an abends einen CSV Datenbank-Dump zieht und selbst nach Kombinationen und Verknüpfungen sucht. Das hat gerade im Aufbau unseres BI-Systems und der Reportings einige Vorteile gebracht, da man so mit den Rohdaten immer mal das ein oder andere Tool auch challengen kann und eine andere Perspektive hat. Letzten Endes arbeiten – egal welches Tools – eben nur so gut wie die Daten sind, mit denen man sie füttert.

Würdest Du wieder ein Unternehmen alleine gründen?
Ja – es macht einfach Spaß seine eigenen Ideen und seinen eigenen Stil in die Tat umzusetzen. Auch ein Gründen im Team würde mich aber jeder Zeit reizen, wenn es um neue Geschäftsmodelle und unbekannte Märkte geht.

Welchen Tipp gibst Du anderen Sologründern mit auf den Weg?
Auf jeden Fall den Kopf immer oben behalten. Aus meiner Sicht ist es das Schlimmste, wenn man sich in ein Thema verrennt und es nicht schafft den Kopf zu heben und auszubrechen. Nehmt euch Zeit für eine Runde Kickern oder Tischtennis im Büro. Das bringt neue Perspektiven, fördert die Kommunikation untereinander und bringt einen auch in schwierigen Zeiten zum Lachen.

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Foto (oben): DeinHandy

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.