VC-Interview mit Christian Saller

“Finanzierungen bis 10 Millionen Euro sind der Normalfall”

"Nur ein Top-Team ist in der Lage, eine große, wertvolle Firma aufzubauen. Aber natürlich muss das Team auch eine gute Idee haben. Tolle Teams landen da aber auch früher oder später, manchmal drehen sie halt die eine oder andere Schleife auf dem Weg dahin", sagt Christian Saller von Holtzbrinck Ventures.
“Finanzierungen bis 10 Millionen Euro sind der Normalfall”
Dienstag, 20. März 2018VonAlexander Hüsing

Bevor Christian Saller beim Münchner Kapitalgeber Holtzbrinck Ventures anheuerte, gründete er die Flugsuchmaschine Swoodoo, die später vom US-Unternehmen Kayak übernommen wurde. Als Managing Director von Kayak Europe kümmerte er sich nach dem Verkauf um das Europa-Geschäft des Unternehmens. In dieser Zeit führte der Weg von Kayak an die NASDAQ. Später wurde die Jungfirma dann für rund 2 Milliarden US-Dollar von Priceline übernommen. Im VC-Interview mit deutsche-startups.de spricht Saller, General Partner bei Holtzbrinck Ventures, über

Reden wir über Geld. Was genau reizt Dich daran, Geld in Unternehmen zu investieren?
Als Unternehmer habe ich einiges darüber gelernt, was notwendig ist, um Startups groß und erfolgreich zu machen. Als Investor kann ich diese Erfahrungen weitergeben und Entrepreneure beim Aufbau ihres Unternehmens unterstützen. Das macht mir Spaß und motiviert mich. Geld ist natürlich ein wichtiger Teil unseres Geschäfts, aber letztlich nur Mittel zum Zweck.

Wie wird man eigentlich Venture-Capital-Geber – wie bist Du Venture-Capital-Geber geworden?
Nach dem Verkauf von Kayak an Priceline, gefühlt dem dritten Exit mit dem gleichen Unternehmen, war es Zeit für mich, etwas Neues machen. Noch einmal Gründen war eine Option oder wieder in ein Startup einzusteigen, ich habe mich dann aber für Holtzbrinck Ventures entschieden. Grundsätzlich gibt es zwei unterschiedliche Wege, VC zu werden. Einerseits kann man es genauso wie ich machen und erst als Unternehmer Erfahrung sammeln und dann zu einem Investor gehen. Andererseits ist die VC-interne Karriere möglich, vom Analysten oder Investment Manager bis zum Partner. Beide Wege können erfolgreich sein, wie wir auch in unserem Investment-Team sehen.

In der VC-Welt wird oftmals mit Millionenbeträgen hantiert, wird Dir da nicht manchmal mulmig zumute – bei diesen Summen?
Sicherlich. Gerade auch, weil die investierten Summen und die Burn-Rates der Unternehmen in den letzten Jahren deutlich größer geworden sind. Heute sind etwa Series A Finanzierungen von 5 bis 10 Millionen Euro der Normalfall. Das gilt ebenso für die Burn-Rates der noch jungen Firmen zwischen 300.000 bis 500.000 Euro pro Monat. Der Grund dafür ist positiv: Alle Beteiligten unterstützen die Vision, wirklich große und wertvolle Unternehmen aufzubauen. Das kostet nun einmal Geld. Aber man sollte niemals den Respekt davor verlieren, mit welch großen Summen hantiert wird und welche Verantwortung das auch bedeutet.

Was sollte jeder Gründer über Euch – als VC – wissen – wie etwa grenzt Ihr Euch von anderen Investoren ab?
Unser Team hat inzwischen fast 20 Jahre Erfahrung, das erste Jahrzehnt als Teil der Holtzbrinck Gruppe, seit 2010 im Rahmen eines unabhängigen Funds. In dieser Zeit haben die von uns verwalteten Fonds in über 160 Unternehmen investiert. Darunter sind sechs Unicorns und 15 Startups, die jeweils auf über 100 Millionen Umsatz gewachsen sind. Wir haben Erfahrung wie kein anderes Team in Deutschland, Gründer darin zu unterstützen, ein großes Unternehmen zu bauen. Dazu gehört auch, dass die Unternehmer auf dem ganzen Wachstumspfad begleitet werden können: Gestartet wird häufig mit einem sechsstelligen Seed-Investment, es können aber über mehrere Runden bis zu 40 Millionen Euro pro Unternehmen investiert werden. Mit dem jüngst geschlossenen Fonds in Höhe von 306 Millionen Euro können Gründer in der Frühphase nun auch durch einen vereinfachten Investmentprozess mit weniger als 500.000 Euro unterstützt werden.

Wie entscheidet Ihr, ob Ihr in ein Start-up investiert?
Wir versuchen soviel wie möglich über den Markt, das Konzept und das Business zu verstehen. Das ist natürlich sehr stark daten- und analysegetrieben. Außerdem müssen wir vom Team hundert Prozent überzeugt sein, und da spielt – gerade bei Seed und Series-A Investments – natürlich das Bauchgefühl eine große Rolle.

Welche Unterstützung bietet Ihr – neben Geld?
Wir stellen unsere Erfahrung und unser Netzwerk zur Verfügung, sind Berater und ein pragmatischer und verlässlicher Partner auf Augenhöhe. In die operative Arbeit sind wir dabei nicht involviert, das können unsere Gründer auch ohne uns.

Wie organisiert Ihr den Austausch mit Euren Portfolio-Firmen, welche Tools nutzt Ihr?
E-Mail, Telefon, persönliche Meetings. Uns genügen einfache Kommunikationskanäle. Wichtig ist, dass wir ständig für unsere Gründer erreichbar sind und sofort reagieren, wenn es einmal schnell gehen muss.

Was ist wichtiger: Das Team oder die Idee?
Das Team. Nur ein Top-Team ist in der Lage, eine große, wertvolle Firma aufzubauen. Aber natürlich muss das Team auch eine gute Idee haben. Tolle Teams landen da aber auch früher oder später, manchmal drehen sie halt die eine oder andere Schleife auf dem Weg dahin. Zum Beispiel habe ich zwei Gründern Ende 2015 nach ihrer Pitch-Präsentation gesagt, dass ich sie als Team toll finde, aber die Idee nicht. Sechs Monate später saßen die beiden dann mit einem neuen Konzept bei uns, und dann hat unser Fund auch investiert.

Wie sieht das ideale Gründerteam aus bzw. gibt es überhaupt das ideale Gründerteam?
Wir sehen brillante Einzelgründer genauso wie starke Gründerteams; erfolgreiche Teams mit diversen Erfahrungen genauso wie homogene Teams; beeindruckende Erstgründer genauso wie erfahrene Seriengründer. Was alle erfolgreichen Gründer auszeichnet, ist eine große Leidenschaft für ihre Idee und der Wille, alles zu geben, um das Unternehmen erfolgreich zu machen.

Nicht jedes Start-up läuft rund, nicht jedes wird ein Erfolg. Was macht Ihr, wenn eine Eurer Beteiligungen in Schieflage gerät?
Wie unter Partnern üblich, versuchen wir gemeinsam mit den Gründern, anderen Investoren, und unserem Netzwerk eine Lösung zu finden. Letztlich steht auch hier der Unternehmer im Vordergrund, er muss die Probleme lösen, aber wir versuchen, ihm als Berater und Sparringspartner zur Seite zu stehen.

Und woran merkt Ihr, dass Ihr bei einem Startup die endgültige Reißleine ziehen müsst?
Wir bleiben auch bei weniger gut laufenden Unternehmen immer ein verlässlicher Partner und versuchen „bis zum Ende“, gemeinsam mit dem Management die bestmögliche Lösung zu finden. Hier unterscheiden wir uns auch von manch anderen Investoren, weil wir uns eben nicht nur um die gut laufenden Beteiligungen kümmern. Aber manchmal funktionieren Konzepte einfach nicht, das ist in jedem Einzelfall bitter, aber in unserer Branche leider unvermeidlich. Die Entscheidung, die Reißleine zu ziehen und Insolvenz anzumelden, wird am Ende vom Management getroffen, aber natürlich von den Investoren mitgetragen.

Wie spricht man als Gründer am besten einen Investor an?
Am besten über einen persönlichen Kontakt oder eine Empfehlung über das gemeinsame Netzwerk. Wir erhalten mehr als 2000 Anfragen pro Jahr, und auch wenn wir alle beantworten, so erhalten natürlich die Gründer mehr Aufmerksamkeit, die uns über vertraute Personen empfohlen werden.

Gebt Ihr uns einen Einblick in Euer Anti-Portfolio – bei welchen, jetzt erfolgreichen, Firmen seid Ihr leider nicht eingestiegen?
Das ist natürlich passiert und ärgert uns, wenn wir ein tolles Unternehmen verpasst haben. Aber das gehört zum Geschäft und geht jedem Fonds so. Mein persönliches Top-Anti-Portfolio-Unternehmen ist Hometogo. Die beiden Gründer sind enge Freunde von mir, die sich sogar über mich kennen gelernt haben. Ich habe damals unserem Fonds unter anderem kein Investment vorgeschlagen, um einen Interessenskonflikt zu vermeiden, und damit eines der spannendsten Unternehmen der letzten Jahre verpasst.

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Foto (oben): Shutterstock

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.