Buchauszug
Evil Terms: Worauf Gründer sich nicht einlassen sollten
Gründer wie frühe Investoren sollten bei allen Regelungen, die eine extreme Verwässerung ihrer Anteile bewirken, also faktisch eine Enteignung herbeiführen könnten, mit besonderer Vorsicht agieren. Zugleich kann auch festgehalten werden, dass das Aufbringen und gar Einfordern solcher Regelungen ein Indiz für einen nicht unbedingt erstrebenswerten Investoren-Partner ist. Hier einige typische weitere Konstruktionen mit großer Gefährlichkeit. Ein Auszug aus dem Buch “Dealterms.VC – Von Handwerk, Kunst und Philosophie der Venture-Capital-Finanzierung von Startups in Deutschland”, das Nikolas Samios und Anja Arnold verfasst haben.
Missbrauch von Milestone-Regelungen
In den letzten Jahren in Low-Tech-Branchen (also abgesehen von Life Science, BioTech etc.) weniger und weniger anzutreffen, jedoch vor zehn Jahren noch fast die Regel, werden bei der zweifelhaften Anwendung von Milestone-Regelungen die Mittel eines Investors nach Vertragsabschluss nur teilweise ausgezahlt (z.B. 1/3 oder 1/2), jedoch bereits alle Anteile durch den Investor übernommen. Die weiteren Teile der Zuzahlung erfolgen dann erst, wenn gewisse Meilensteine erreicht sind. Das Risiko liegt auf der Hand: Aus einer Finanzierungsrunde, die eigentlich bei z.B. 10 Millionen EUR pre-money stattfinden sollte, wird so durch die Hintertür schnell eine, die bei 5 Millionen EUR pre-money stattfindet, sollte die Erreichung der Meilensteine nicht festgestellt werden. Und eben diese Feststellung kann es in sich haben, denn oftmals wird hier nicht nur auf mathematisch einwandfrei feststellbare Größen abgestellt, sondern mehr oder weniger diffuse Erfolgsfaktoren („Abschluss einer relevanten Vertriebspartnerschaft“) vereinbart, die dann der Investor faktisch selbst beurteilen kann und muss. Dem Investor wird damit also im schlechten Fall die Möglichkeit gegeben, den Milestone als nicht erreicht zu deklarieren und damit die Anteile zum halben Preis zu erhalten. Die Gesellschaft wird nun zugleich in aller Regel das Geld – also die zweite Tranche – trotzdem brauchen. Gerade in den Fällen, in denen Ziele tatsächlich nicht erreicht wurden, werden die Mittel aus operativen Quellen und/oder die Möglichkeit, weiteres Kapital am Markt aufzunehmen, begrenzt sein. Die Gesellschaft und ihre Gründer haben also in dieser Situation denkbar schlechte Karten, um zu verhandeln. Der Investor kann also z.B. fordern, für die zweite Tranche der Gelder wieder neue Anteile zu erhalten, vielleicht sogar auf der reduzierten alten Bewertung. Er hätte dann im Extremfall sogar das Vierfache der im Erfolgsfall geplanten Anteile übernommen. Insbesondere in High-Tech-Branchen mit erhöhtem Ausfallrisiko (ausgelöst z.B. durch Nichterteilung eines Patents) sollten sich aber Gründer zu einem gewissen Grad darauf einstellen, dass Investoren ihr Risiko durch existenzielle Zielstellungen absichern wollen. Weit weniger problematisch werden Milestone- Regelungen, wenn durch sie lediglich der Investmentbetrag bei Erreichung von Meilensteinen steigt, nicht aber dem Investor Anteile bei Nichterreichung „geschenkt“ werden.
Unbeschränkte Haftung in Anteilen
Ein weiteres potentiell bedrohliches Szenario entsteht aus der – an sich sinnvollen
– Haftung der Gründer für Garantieerklärungen in Anteilen. Konkret: Im Rahmen von Finanzierungsrunden geben Gründer zwangsläufig sowohl Title als auch Business Guarantees ab. Wohingegen man bei Ersteren noch in der Lage sein sollte, präzise, fehlerfreie Aussagen zu treffen, können Business Guarantees im Detail durchaus ohne böse Absicht „tricky“ werden, insbesondere wenn diese Vertragsbestandteile nicht wohlüberlegt formuliert werden. Als Rechtsfolge einer Garantieverletzung wird, wie dargestellt, oft vereinbart, dass der über eine gewisse Zahlung in Cash hinausgehende Schaden in Anteilen zu begleichen ist. Je nach Ausgestaltung dieser Regelungen (z.B. zu einer geringen Bewertung der Anteile), und vor allem bei nicht Vorhandensein eines Haftungs-Maximums (Cap), kann eine Garantieverletzung also zu einer Art Enteignungssituation führen. Gerade bei Garantien und Rechtsfolgen sollte man jedoch eben immer ganz genau hinsehen und auch einen erfahrenen Rechtsberater hinzuziehen.
Business Devils
Gemäß dem Leitbild des durchaus geschätzten Business Angels Netzwerk Deutschland e.V. (BAND) haben Business Angel „zwei Flügel“, und zwar den Kapital-Flügel und den Know-how-Flügel. Gerade in sehr frühen Phasen können sich die oftmals erfahrenen Unternehmer/Manager bzw. Serien-Gründer also sowohl mit Kapital als auch mit Erfahrung und Kontakten einbringen und ein Startup somit in mehreren Aspekten unterstützen und damit zusätzlich Risiken reduzieren und Wachstum fördern. Auch ist die Durchführung einer guten Business-Angel-Runde für die nachfolgenden VCs ein starkes, positives Signal.
Wenn solch selbsterklärte Engel zu stark mit ihrem „Smart Money“-Wert wuchern, um Anteile der Gesellschaft zu einem günstigeren Preis als der aktuellen Firmenbewertung zu erhalten, wird es jedoch grenzwertig, insbesondere wenn diese Leistungen in der Zukunft liegen, denn die Anteile werden in aller Regel nie wieder rückforderbar sein. Entsprechend skeptisch sehen VCs auch solche Deals, wenn sie nicht in einem recht engen, gefühlt legitimen Rahmen liegen.
Ein Beispiel: Ein professioneller Board Member, welcher in einem Beirat/Aufsichtsrat wirklich aktiv tätig ist und dafür Anteile im Gegenwert von 50.000 EUR pro Jahr erhält (z.B. 1% bei einem Firmenwert von 5 Millionen EUR), ist sicherlich ordentlich vergütet. Ein Business Angel, der also z.B. 100.000 EUR in dieser Runde investiert, dem aber wegen seines Coaching-/Tür-Öffner- Versprechens nicht die für die Bewertung üblichen 2%, sondern 5% gegeben werden, wurde also faktisch ein Beratungsbudget-Vorschuss von 150.000 EUR zugesprochen, also das Äquivalent von drei Jahren exzellenter Board-Arbeit.
Dies mag rechnerisch für beide Seiten aufgehen, aber was ist, wenn nach einem Jahr gegenseitig die Erkenntnis reift, dass die Zusammenarbeit im Board – warum auch immer – nicht das gewünschte Ergebnis bringt? Die spätere Diskussion, bereits zugeteilte Anteile gegebenenfalls sogar in einer Reibungssituation zurückzufordern, steht stets unter einem schlechten Stern. Viel sinnvoller wäre hier beispielsweise, die Board Member jährlich aus einem VSOP/ESOP zu vergüten.
Gleiches gilt für allzu vollmundige Zusagen von Angels/Supportern im Sinne von: „Ich bringe euch Index und Sequoia als Investor.“ Auch hier wäre der normale Weg, mit einem Berater eine primär erfolgsbasierte Vereinbarung zu schließen, denn das ist fair. Anteile für so eine Leistung vorab zuzuteilen, ist hingegen ein Garant für spätere schlechte Stimmung.
„Davor kann ich nur warnen: Irgendwelchen Business Angels Discounts zu geben auf Basis von irgendwelchen Versprechungen. In meinen Augen ist es unseriös, wenn ein Business Angel investiert und dann aber Rechnungen stellt für Service- Dienstleistungen, die er bringt. Davon würde ich die Finger lassen. Ich würde auch keine Discounts für irgendwelche Versprechungen geben.”
Christian Vollmann (Serial Entrepreneur, Super Angel)
Höhle-der-Löwen-Deals
Die Presseabteilung preist die deutsche TV-Sendung wie folgt an: „Im VOX-Format Die Höhle der Löwen bekommen Menschen mit Erfindungen oder Geschäftsideen die Chance ihres Lebens. Sie präsentieren ihre Idee fünf erfolgreichen Unternehmern (…) Noch nie haben die Gründer und Erfinder vor fünf so finanzkräftigen Geldgebern gestanden wie in der Höhle der Löwen. Gelingt es den Kandidaten, einen oder mehrere ‘Löwen’ von ihrer Geschäftsidee zu überzeugen, bekommen sie von ihnen das nötige Startkapital oder Unterstützung bei der Expansion ihres Unternehmens.“
Positiv ist sicherlich, dass durch die mediale Inszenierung nun in Deutschland sicherlich etwas mehr Menschen außerhalb der Gründer-/VC-Filter-Bubble überhaupt etwas mit dem Begriff Startup anfangen können. Grenzwertig ist sicherlich die von TV-Dramaturgen hochgejazzte Pitch-Situation mit ihren starken Verkürzungen und Zuspitzungen. Gar nicht gehen allerdings die oftmals von den Großkatzen aufgeworfenen Deal Terms, die als vermeintlich marktüblich dargestellt werden, in der VC-Szene aber gänzlich unbekannt sind.
Um das auf den Punkt zu bringen: Es ist völlig undenkbar, widersinnig und unseriös, ein Venture-Capital-Investment in der Form zu gestalten, dass ein Investor x% der Anteile an der Gesellschaft erhält UND von jedem Produkt y Euro, bis sein Investment zurückgezahlt ist. Von längerfristigem Gleichlauf der Interessen ist somit nicht mehr im Ansatz zu sprechen. Weiterhin erscheint eine (gespielte) Empörung der Investoren über die von den Gründern aufgerufenen Firmenbewertungen als Prinzip zu gelten, völlig egal, ob hier vergleichsweise akzeptable Größen genannt werden oder nicht. Auch ist die Fokussierung auf Sperrminoritäten oder gar Mehrheiten höchst suspekt.
Aus dem Löwen wird somit schnell Kater Karlo: Maximierung des Anteils, Reduzierung des Risikos und – wie zwischenzeitlich ja auch hinreichend pressebekannt – nur bei einem Bruchteil der TV-Deals kommt es dann überhaupt zum Investment, auch dann oft nur in Sachleistung und nicht in Cash. Liebes Fernsehen, bitte nacharbeiten.
Weitere Infos zu DEALTERMS.VC.
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