Startups und Krisen: “Kein Startup läuft nur rund”
Nicht jedes Start-up wird ein Erfolg – dies ist nicht weiter tragisch. Denn nur wer etwas wagt, kann auch gewinnen. Zudem gibt es zahlreiche Beispiele von jungen Unternehmen, die anfangs nicht funktioniert haben, dann aber groß rausgekommen sind. Start-ups, die von Investoren finanziert wurden, können im besten Fall das Know How der Geldgeber nutzen, um eine Krise zu überwinden. Wir haben deswegen einmal mehrere Investoren gefragt: Was macht Ihr, wenn eine Eurer Beteiligungen in Schieflage gerät? Und weil manchmal einfach nichts hilft noch die Frage: Und woran merkt Ihr, dass Ihr bei einem Start-up die endgültige Reißleine ziehen müsst? Hier die äußerst spannenden Antworten.
Nicht jedes Start-up läuft rund, nicht jedes wird ein Erfolg. Was macht Ihr, wenn eine Eurer Beteiligungen in Schieflage gerät?
Wie sagt man so schön – es gibt sehr viele Schönwetterpiloten. Ich habe es als Unternehmer selber erlebt, wie sich die VC Spreu vom Weizen trennt, wenn die ersten ernsten Probleme auftreten. Kein Start-up läuft von der Gründung bis zum Exit nur rund. Den Gründern und Managern unserer Portfolio-Unternehmen stehen alle Capnamic-Team-Mitglieder zur Verfügung. Meine Kollegen und ich haben Erfahrungen z.B. in den Bereichen Finance, Sales, Marketing, Product Management und Business Development. Die operative Verantwortung hat immer das Gründer-Team. Wir unterstützen als Investor, Board-Member und Sparring-Partner. Als Investor hat man viele Unternehmen gesehen. Die meisten Probleme tauchen nicht nur bei einem Start-up auf. Somit sind wir mit vielen Situationen vertraut und können mit Rat und Tat unterstützen.
Olaf Jacobi, Capnamic Ventures
Wir arbeiten eng mit dem Gründerteam zusammen und versuchen entsprechend früh “Schieflagen” entgegenzusteuern. Es liegt jedoch in der Natur von Frühphaseninvestitionen – höheres Risiko -, dass nicht alles zu 100 % nach Plan läuft. Wichtig ist dann, dass die Investoren mit dem Gründerteam gemeinsam einen Weg finden, um das Unternehmen zum Erfolg zu führen.
Matthias Orlopp, Check24 Ventures
Einer der Grundzüge des VC-Business ist, dass man sich als Investor auf die gut laufenden Beteiligungen fokussiert. Somit müsste man die Unternehmen in Schieflage schnell fallen lassen, dass schaffen wir aber auch nicht direkt. Somit arbeiten wir aktiv mit, um alternative Szenarien abzubilden und geben gelegentlich Brücken-Finanzierungen.
Samuli Sirén, Redstone Digital
Wir versuchen gemeinsam eine Lösung zu entwickeln. Dazu gehört das Problem und die Ursache zu analysieren und dann einen Plan zu entwerfen. Zu einem guten VC gehört, dass er nicht nur da ist wenn die Firma toll performed, sondern dass er sich hier wertstiftend und kollaborativ einbringt. Das bedeutet im Übrigen auch, dass wir viel unserer Zeit mit eher komplizierten Cases verbringen. Ein Unternehmen, dass gerade super unterwegs ist und mit seiner Marktvision gut ankommt braucht in dieser Phase meistens zeitlich weniger Input, da es eher um Guidance, Strategie und Weichenstellung geht.
Markus Grundmann, senovo
Soweit wie möglich versuchen wir unsere Portfoliounternehmen natürlich zu unterstützen wo immer es geht. Das operative Management können und wollen wir aber nicht übernehmen. VCs sind nicht die besseren Unternehmer. Gerade wenn es einmal nicht rund läuft, ist es wichtig das nicht zu vergessen.
Benedikt Herles, Vito Ventures
Und woran merkt Ihr, dass Ihr bei einem Start-up die endgültige Reißleine ziehen müsst?
Puuuh. Das ist eine Frage, die man nicht in zwei bis zehn Sätzen erklären kann. Fakt ist, das Unternehmen gehört den Gründern und wird auch von den Gründern geführt. Sollte ein VC nicht mehr weiter investieren wollen, dann bedeutet das noch nicht das Aus für das Startup. Ein gutes Gründerteam erkennt selbst, ob sie auf einem “toten Pferd sitzen”oder nicht. Never try to ride a dead horse – einfach mal googlen. Was bedeutet es als Investor die Reißleine zu ziehen? Erstens: Man entscheidet, bei keiner der folgenden Finanzierungsrunden mitzumachen. Zweitens: Man versucht das Unternehmen gemeinsam mit den Gründern zu verkaufen – Soft Landing -, weil man erkannt hat, dass es alleine nicht überlebensfähig sein wird und immer wieder frisches Geld benötigen wird.
Olaf Jacobi, Capnamic Ventures
Hier gibt es leider keine allgemeingültige Regel. Bisher kamen wir aufgrund unserer jungen Historie zum Glück noch nicht in diese Situation. Wichtige Indikatoren für einen sich abzeichnenden Misserfolg sind Streitigkeiten und Ratlosigkeit im Gründerteam. Ernsthafte Anzeichen dafür sind auch, dass wir an die ursprüngliche Investmenthypothese nicht mehr glauben können und es auch nicht gelingt das Unternehmen neu auszurichten.
Matthias Orlopp, Check24 Ventures
Und woran merkt Ihr, dass Ihr bei einem Start-up die endgültige Reißleine ziehen müsst?
Wenn das Management mental aufgibt, nicht mehr an das eigene Unternehmen oder die Idee glaubt.
Samuli Sirén, Redstone Digital
Das ist eher ein Prozess und kann nicht mit einer harten Zahl beantwortet werden. Meist ist es eher so, dass initial ein Problem immer grösser wird. Irgendwann macht man einen Pivot oder hat einen „Backup-Plan“. Wenn dieser auch nicht funktioniert muss man sich schon fragen was denn eigentlich los ist: Gibt es wirklich den Markt und den Need für unser Produkt? Wenn wir das auch nach mehreren Anläufen nicht klar beantworten können müssen wir die „Reißleine“ ziehen. Das ist dann aber nicht überraschend und dieser Prozess bezieht alle Beteiligten mit ein. Es ist also das letzte verfügbare Mittel, das man nur bei einer gewissen Ratlosigkeit von allen Beteiligten zum Einsatz kommt – und nicht das erste.
Markus Grundmann, senovo
Wir sind ein sehr junger Fonds und bis jetzt hatten wir diesen Fall zum Glück noch nicht. Ich bin mir aber sicher, dass er eines Tages kommen wird. Wenn er eintritt ist es nicht leicht. Schließlich baut man über die Zeit auch persönliche Beziehungen zu Gründern auf. Wenn nötig die Reißleine zu ziehen ist aber Teil unseres Geschäftes.
Benedikt Herles, Vito Ventures
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