So profitieren Startups von der Arbeit eines Beirats
Viele Startups weltweit haben aus verschiedenen Gründen Beiräte. Allerdings sind wissenschaftliche und praxisorientierte Studien dazu selten zu finden. Das motivierte mich dazu, mich tiefgründiger mit Beiräten in Startups zu beschäftigen und die folgenden Ergebnisse meiner akademischen Forschung zu diesem Thema zu veröffentlichen. Ziel ist es aufzuzeigen, wie deutsche Technologie-Startups in der Praxis Beiräte nutzen und anwendbare Hinweise sowohl für Gründer als auch für Venture-Capital Investoren zu geben.
Abhängig vom rechtlichen Umfeld gibt es für Startups verschiedene Gründe, Beiräte zu bilden. Während im angelsächsischen Raum (monistisches Corporate Governance System) ein sogenanntes Board of Directors gebildet werden muss, welches normalerweise Anteilseigner als auch externe Experten einschließt, wird im dualen System, beispielsweise in Deutschland, ein Aufsichtsrat nur für Firmen mit mehr als 500 Beschäftigten und für Aktiengesellschaften vorgeschrieben. Daher verfügt der Großteil der Startups nur über die Geschäftsführung (C-Level Ebene) und meist ein jährliches Treffen der Anteilseigner.
Empirische Studien zeigen, dass in der Realität zwischen 21 Prozent (in einer Studie über High-Tech Startups) und 60 Prozent (in einer Studie über KMU) der deutschen Firmen freiwillig Beiräte nutzen, die mehr oder weniger gesetzlich reguliert sind (außer bei Aufsichtsräten). Mein eigenes Studiendesign eignet sich nicht, um final valide abzuschätzen, welcher Anteil von Startups tatsächlich über Beiräte verfügt, aber aufgrund sowohl meiner akademischen Arbeit als auch meiner fünfjährigen praktischen Erfahrung im Startup-Business bin ich überzeugt, dass vor allem bei Firmen mit Venture-Capital, der Anteil um einiges höher ist.
Meine Studie basiert auf 21 qualitativen Tiefeninterviews und 101 beantworteten Fragebögen. Darin werden Startup-Gründer mit und ohne Beiräte als auch Beiratsmitglieder beschrieben. Hier nun zuerst einige Statistiken, um zu verstehen, wer an der Stichprobe mitgewirkt hat:
Das Ziel, möglichst typische technologieorientierte Startups zu erreichen, wurde erfüllt. Ein Schwerpunkt liegt im Bereich „IT/Online/Medien“, der übergewichtet ist und möglicherweise verzerrend wirkt. Der Bereich hardware-lastiger Technologie-Startups ist vergleichsweise weniger stark vertreten. Circa 80 Prozent der repräsentierten Unternehmen sind durch Venture Capital (VC) finanziert, wobei der Schwerpunkt auf Unternehmen im Alter von 2 bis 8 Jahren liegt. Dementsprechend ist die Anzahl der Mitarbeiter bei den meisten Unternehmen in der Stichprobe unter 100 sowie der Umsatz meist unter 4 Millionen Euro, jedoch mit relativ hohen Wachstumsraten.
Bei nur etwas mehr als 11 Prozent der Unternehmen ist die Beiratsgründung komplett freiwillig geschehen. Deutlich häufiger wurde er von Investoren durchgesetzt oder gemeinsam initiiert. Dementsprechend sind fast 40 Prozent von insgesamt 424 Beiratsmitgliedern in den befragten Beiräten Vertreter von Wagniskapitalgebern wie angestellte Analysten oder Investmentmanager. Die gesetzlich vorgesehene Freiwilligkeit wird also durch eine Investoren-getriebene Notwendigkeit konterkariert.
Häufig sind erfahrene Unternehmer bzw. Manager etablierter Konzerne als Sparringpartner für wirtschaftliche Fragen vertreten sowie Wissenschaftler für technische Fragestellungen (vor allem im Life Science und Technologiebereich). Immerhin knapp 9 Prozent aller Beiratsmitglieder sind Anwälte, Steuerberater etc. Aus theoretischer Sicht wird eine Beiratstätigkeit dieser Berufsgruppen kritisch gesehen, da durch parallele Mandate im Unternehmen selbst Abhängigkeiten bestehen können und zudem im Vergleich alternativer Besetzungen keine Perspektiverweiterung erreicht wird. Durchschnittlich haben Beiräte in Startups 4,2 Mitglieder (Median 4).
Die unterschiedliche Zusammensetzung der Beiräte im Vergleich zu amerikanischen Startups führt auch zu unterschiedlichen Rollen des Beirats für deutsche Startups. Da in US-Startups eine Kontroll- und Mitwirkungsfunktion bereits durch das Board of Directors wahrgenommen wird, sind dortige Beiräte fast ausschließlich beratend, repräsentativ und als Netzwerkerweiterung ohne juristische Haftung tätig. In Deutschland ist die Rolle stark beeinflusst von der Finanzierungsart. Während die Rollen in Fällen ohne Venture-Capital-Finanzierung dem US-Modell sehr ähnlich sind, führt das Vorhandensein von Venture Capital zu einer Änderung des Charakters des Beirats. Dieser konzentriert sich dann viel stärker auf seine Kontrollfunktion, die weitere Kapitalakquise, aktives Management und die Koordination der Gesellschafter. Er kann dann entgegen der gesetzlichen Richtlinien eher als „freiwilliger Aufsichtsrat“ bezeichnet werden.
Dazu passend sehen Gründer gemäß der Befragung neben dem Problem, keine geeigneten Beiratsmitglieder zu finden eine mögliche Interessendivergenz zwischen Beiräten und Gründern als größte Risiken eines Beirats. Insbesondere in Venture-Capital-finanzierten Startups wurden diese potentiellen Interessensunterschiede sowie die Beschränkung der unternehmerischen Freiheit als Risiko eingestuft. Generell werden die Risiken jedoch im Schnitt eher als gering bis mittel bewertet. Besonders der potenzielle Verlust kritischer Informationen wird einerseits durch Vertragsklauseln und andererseits durch das wichtige Kriterium „Vertrauen“ bei der Besetzung von Beiratsmitgliedern als sehr geringes Problem bewertet.
Insgesamt zeigten sich Startups mit einem Schnitt von 3,75 auf einer Skala von 1 („sehr unzufrieden“) bis 5 („sehr zufrieden“) durchaus zufrieden mit den Aktivitäten ihrer Beiräte. Jedoch deuten die Ergebnisse einer Korrelationsanalyse sowie einer multivarianten Regressionsanalyse darauf hin, dass insbesondere eine starke Beratungs- und Networking-Rolle sowie die Unterstützung bei der Kapitalakquise einen positiven Einfluss auf die Zufriedenheit der Gründer haben, während Kontrolle eher zu Unzufriedenheit führt. Leider waren die Daten nicht geeignet um einen validen Einfluss von Beiratsrollen auf die kommerzielle Performance der Startups zu identifizieren.
Welche Schlussfolgerungen für die Praxis ergeben sich also aus der quantitativen Befragung und den dazu gehörigen Tiefeninterviews? Hier sind einige Ideen sowohl für Gründer als auch Investoren in Deutschland:
• Aufgrund der praktischen Relevanz sollten Gründer Beiräte als einen gängigen Corporate Governance Mechanismus erkennen und versuchen sich frühzeitig darüber zu informieren oder andere Gründer nach ihrem Feedback fragen. Vor allem, wenn sie Venture Capital Investoren anziehen wollen, die normalerweise Beiräte fordern, sollten sie eine Idee und eine Meinung über Beiräte haben, um auf Augenhöhe mit Venture Capital Investoren ohne Informationsungleichgewicht zu verhandeln.
• Beiräte sind rechtlich nicht fest definiert und sind daher ein sehr flexibles Instrument. Vor allem High-Tech-Gründer sollten freiwillig in einem frühen Stadium Beiräte hinzuziehen, um Ratschläge und Legitimation von seriösen und nützlichen Beiratsmitgliedern zu erhalten. Ein guter Beirat signalisiert Expertise, Glaubwürdigkeit und Professionalität und bildet somit Vertrauen beim Gespräch mit Kunden, Partnern und Investoren. Während der Frühphase sollten Beiräte schlank, flexibel und normalerweise kostenfrei sein. Sie bieten externes Wissen und Netzwerke für ein Startup.
• Viele Beiratsmitglieder sind wirklich motiviert ihre Erfahrungen und Netzwerke anderen Startups zurückzugeben und mit ihnen zu teilen, ohne für ihren Auswand bezahlt zu werden. Trotzdem sollten besondere Beiratsmitglieder eine langfristige Motivation erhalten, wie Anteile (eher üblich in den USA) oder wenigstens nicht-monetäre Vorteile wie kostenfreie Produkte des Startups oder gemeinsame halb-private Erlebnisse.
• Oftmals werden Venture Capital Investoren Beiräte fordern, was die Rolle dann Richtung Kontrolle und Co-Management verlagert. Wenn also Gründer aktiv im Vorfeld einen wertvollen Beirat ins Leben rufen oder zumindest Vorschläge haben, wie man diesen gründen könnte, ist anzunehmen, dass der Anteil von externen fachlich wertvollen Mitgliedern höher ist als der der Vertreter von Investoren. Generell sollte die Anzahl von Beiratsmitgliedern von Investoren abhängig von deren Beteiligungshöhe sein. Minderheitsgesellschafter sollten in der Regel nicht Teil des Beirats sein (außer sie stellen fachlich einen hohen Nutzen dar).
• Generell sollten Investoren versuchen kontrollierende und unterstützende Aufgaben genau wie Ratschläge und Networking in Waage zu halten. Ein „Erbsenzähler“-Beirat verringert die Zufriedenheit und damit die Motivation mit diesen Beiräten zu arbeiten. Investoren sollten in Betracht ziehen, zwei Beiräte zu führen: einen mit wertvollen externen Experten, die zusätzliche Expertise, Netzwerke und Glaubwürdigkeit bieten und einen, der eher die Kontrolle, das Co-Management und die Koordination der Anteilseigner in den Mittelpunkt stellt. Dies stellt jedoch für Gründer mehr Ressourcen- und Zeitaufwand dar.
• Beiräte sollten klare Ziele und Prozesse folgen, um die Motivation aller Beteiligten hochzuhalten. Es ist gerechtfertigt die Dauer von Beiratsmandaten zu befristen. Das macht es leichter, die Zusammensetzung an die Bedürfnisse der Startups anzupassen. Um leichter Entscheidungen zu treffen, empfiehlt es sich, wenn Beiräte aus einer ungeraden Zahl an Mitglieder bestehen.
• Während die Daten zeigen, dass Beiräte sich oftmals vierteljährlich treffen, würde die rechtliche Flexibilität es erlauben, die Meeting Frequenz den aktuellen Erfordernissen und Bedingungen anzupassen. Beispielsweise wenn Investitionsrunden näher rücken, könnten häufigere Treffen sinnvoll sein.
• Firmengründer ohne Beiräte fürchten die Offenlegung vertraulicher Informationen. Dies hingegen sehen Gründer mit Beiratserfahrungen nicht mehr als Problem an.
Die komplette wissenschaftliche Studie wurde im Rahmen meiner Dissertation an der HHL Leipzig The Graduate School of Management vom Fachverlag Springer Gabler veröffentlicht.
Über den Autor
Nach einigen Stationen bei größeren B2B-Unternehmen in den Bereichen IT und Großhandel sowie im Bereich der Startup-Beratung, leitet Eric Weber seit 2014 als Gründer und Geschäftsführer SpinLab – The HHL Accelerator, ein führendes sechsmonatiges Accelerator-Programm mit Sitz in Leipzig. Er erhielt einen B.A. der Staatlichen Studienakademie Sachsen (Berufsakademie), einen M.Sc. der Universität Leipzig sowie einen Doktor der HHL Leipzig Graduate School of Management.
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