Gastbeitrag

So arbeiten Distributed Teams gekonnt zusammen

Agiles Management innerhalb verteilter Teams ist eine große Herausforderung – mehr noch als in „normalen“ Teams vor Ort. Deshalb muss im Vorfeld besonders gut vorbereitet werden, wie die Zusammenarbeit ablaufen soll. So arbeiten Distributed Teams gekonnt zusammen.
So arbeiten Distributed Teams gekonnt zusammen
Mittwoch, 11. Oktober 2017VonTeam

Für die allermeisten Internetfirmen gehört Agilität zum Standardwerkzeug der Unternehmensorganisation. Der Teufel steckt jedoch oft in der Umsetzung der agilen Methoden, wodurch eine Reihe von Firmen nur vordergründig agil sind. Denn die Umsetzung des agilen Managements verlangt in erster Linie nach einem „agilen Mindset“, das von der ganzen Firma gelebt wird und nicht nur von einer einzelnen Abteilung.

Noch komplexer und schwieriger wird die Umsetzung von agilen Methoden in verteilten Teams über Ländergrenzen oder sogar Kontinente hinweg. Im Zentrum einer agilen Organisation stehen selbstorganisierte Teams. Und das ist schon für ein Team vor Ort schwierig genug.

‚Agile‘ vs. Distributed Teams: Wo die Schwierigkeiten liegen

Wie kann die komplexe Selbstorganisation eines agilen Teams nun in einem verteilten Umfeld funktionieren? Es gibt einige Punkte, die die besonderen Schwierigkeiten aufzeigen, mit denen verteilte Teams zu kämpfen haben:

Remote arbeitende Teammitglieder

In den Prinzipien des agilen Manifests heißt es: „The most efficient and effective method of conveying information to and within a development team is face-to-face conversation.“ Die einzelnen Teammitglieder sitzen in einem verteilten Team aber nicht nebeneinander. Es kann sogar sein, dass die Teile des Teams, die zusammen in einem Office sind, sich stärker gegenüber den anderen Teamkollegen abschotten. Das führt dazu, dass ein gemeinsamer Team Spirit gar nicht erst aufkommt.

Unterschiedliche Zeitzonen

Das oben genannte Problem wird durch unterschiedliche Zeitzonen noch größer. Bei Teammitgliedern in Osteuropa oder Russland ist das kein Problem. Bei Teamkollegen in Indien sieht es schon ganz anders aus. Arbeit wird häufig asynchron durchgeführt, wodurch sich die Kommunikation stark verlangsamt. Auch Standup Meetings sind viel schwieriger zu planen.

Spontane informelle Meetings in der Kaffeeküche? Is nicht!

Die besten Ideen kommen, wenn man sich in entspannter Atmosphäre locker unterhält ohne an die Arbeit zu denken. Ein spontanes Treffen in der Kaffeeküche ist in verteilten Teams aber ausgeschlossen. Die einzelnen „Teamhälften“ können sich natürlich noch spontan zusammensetzen. Aber gerade hier muss aufgepasst werden, dass das Verständnis als ein einziges Team erhalten bleibt.

Wie verteilte Teams agil werden können

Die Herausforderungen sind groß. Doch das ist kein Grund die Flinte ins Korn zu werfen. Mit folgenden Tipps will ich Anregungen schaffen, wie in einem verteilten Umfeld Agilität gelebt werden kann:

Onsite Onboarding

Wenn Umfang und Budget es hergeben, lasse das ganzen Near-/Offshore Team für zwei bis drei Wochen einfliegen. Die Zeit vor Ort sollte nicht nur für die alltägliche Zusammenarbeit genutzt werden, sondern für weitere Aktivitäten neben der Arbeit. Das ist die beste Zeit für Teambuilding!

Die Arbeitsmethodik und das persönliche Kennenlernen stehen somit im Vordergrund. Wenn es zu teuer ist, alle einfliegen zu lassen, können erst einmal die wichtigsten Teammitglieder vor Ort einige Zeit verbringen. Der Verzicht auf ein Onsite Onboarding kann sich sehr negativ auswirken und kommt höchstens bei sehr kleinen Teams mit weniger komplexen Aufgaben in Frage.

Shared Product Vision

Die Produktvision ist ein zentrales Element des Onsite Onboardings! Die gemeinsame Vision vor Augen zu haben und voranzutreiben ist für agile Teams selbstverständlich. Aber im verteilten Umfeld natürlich schwieriger umzusetzen.

Neben dem Onboarding muss die Vision regelmäßig Thema sein:

* Review- und Planning-Sessions eignen sich perfekt, um die Produktvision regelmäßig mit den kurzfristigen Aufgaben ein Einkang zu bringen.
* Kundenfeedbacks und Ergebnisse von User Tests sollten mit dem kompletten Team geteilt werden.
* Der Product Owner oder Projektmanager sollte in gewissen Abständen mit dem Remote Team Zeit persönlich Zeit verbringen, um für eine gemeinsame Draufsicht zu sorgen.

Gemeinsames Verständnis für Kommunikation

Beim Nearshoring nach Osteuropa und Russland sind die Kommunikationshürden noch nicht so hoch. Dagegen ist Offshoring nach Indien eine große Herausforderung: Fragen werden oft mit „ja“ im indischen Sinne beantwortet, obwohl im europäischen Kontext „nein“ gemeint ist.

Das kann durch gezielte Fragen umschifft werden, die nicht zu einem Gesichtsverlust des Gegenübers führen, wie z.B. „Welche Risiken in der Zeitplanung für Anforderung xy siehst du?“ anstelle von „Kannst du den Zeitplan einhalten?“.

Die Fallstricke der Kommunikation abhängig vom kulturellen Background müssen offen angesprochen werden. Dadurch lässt sich manches Missverständnis vermeiden.

Die richtigen Tools für die Zusammenarbeit

Communication is King! Ein einheitlich Toolset für die Kommunikation über Ländergrenzen hinweg, ist selbstverständlich. Es darf nicht passieren, dass manche Teammitglieder untereinander mit anderen Tools als abgesprochen kommunizieren. Ebenfalls muss die Dokumentation zentral abgelegt sein. Das gilt natürlich auch für interne Teams, jedoch sind die negativen Auswirkungen bei verteilten Teams viel größer.

* Backlog- & Task-Management: Für diese Zwecke gibt es genug Tools wie Trello oder Jira. Das Team nutzt am besten das gleiche Tool, das auch von internen Teams genutzt wird.
* Dokumentation: Falls Jira benutzt wird, bietet sich Confluence an. Ansonsten gibt es genug Alternativen wie Google Drive.
* Chat: Ein Gruppen Chat ist für die tägliche Arbeit unersetzlich. Dabei sollten als Best-Practice Fragen, die für mehrere Teammitglieder interessant sind, im Gruppenchat gestellt werden. Slack, Skype, HipChat oder andere kommen in Frage.
* Video Chat: Die meisten regelmäßigen Meetings werden über Voice Chat ablaufen. Hin und wieder ist ein Video Chat aber hilfreich, weil es den Austausch persönlicher macht.

Daily Check-In

Bei verteilten Teams in der gleichen oder ähnlichen Zeitzone, kann wie üblich ein Standup Meeting jeden Morgen durchgeführt werden. Wenn Teile des Teams jedoch weiter entfernt sind, läuft die Kommunikation häufig asynchron ab. In diesem Fall hilft ein Daily Check-In. Jedes Teammitglied schreibt kurz in den Chat, woran gearbeitet wurde und welche Aufgaben jetzt anstehen (Standup Posts). Es gibt Slack Bots, die das unterstützen.

Overlapping Time

Bei verteilten Teams über weit entfernte Zeitzonen, muss eine Overlapping Time definiert werden. Diese Zeit ist die einzige, in der alle da sind und synchron kommuniziert werden können. Alle Meetings, die mit dem gesamten Team abgehalten werden, müssen somit in diesem Zeitfenster abgehalten werden: Planning, Standup (falls das Check-In nicht ausreicht), Review, Retrospektive und was noch so anfällt.

Regelmäßige Dokumentation

Agile Teams arbeiten häufig an Whiteboards, um Lösungen zu visualisieren und Ideen auszutauschen. Dokumentiert wird nur, was unbedingt nötig ist. Bei verteilten Teams geht das natürlich nicht. Deshalb ist Dokumentation in diesem Setup viel wichtiger, damit alle auf dem gleichen Stand sind. Einzelne Teile des Teams, die zusammen in einem Büro sitzen, können durchaus an Whiteboards arbeiten.

Die Ergebnisse müssen dann aber abfotografiert und aufbereitet werden und zentral abgelegt werden. Bei Bedarf gibt es eine kurze Präsentation der Ergebnisse mit dem gesamten Team. Meeting Notes bekommen durch das Teamsetup ebenfalls eine große Bedeutung. Diese sind ebenfalls zentral abzulegen mit Ergebnissen und resultierenden Aufgaben.

Fazit

Agiles Management innerhalb verteilter Teams ist eine große Herausforderung – mehr noch als in „normalen“ Teams vor Ort. Deshalb muss im Vorfeld besonders gut vorbereitet werden, wie die Zusammenarbeit ablaufen soll. Ebenfalls müssen Feedbacks aus dem Team einbezogen werden, so dass sich die Zusammenarbeit ständig weiterentwickelt. Nur dann wird sich das Team irgendwann selbst organisieren können.

Man muss mit einer längeren Anlaufphase rechnen, bis die Produktivität wirklich hoch ist. Kommunikationserfahrene Teammitglieder können diese Phase natürlich beschleunigen. Ein verteiltes Team sollte auf jeden Fall nicht zum großen Teil aus Juniors zusammensetzen *

Wer sich auf die Herausforderung einlässt und bereit ist, aus Erfahrungen und Fehlern zu lernen, wird mit verteilten Teams jedoch große Erfolge feiern.

Zum Autor
Eric Salbert war mehrere Jahre Start-Up Unternehmer und ist nun als Interim Product Owner unterwegs. Außerdem ist er Partner der Software Agentur OSTD Labs aus Russland und bietet Unterstützung für Nearshore Projekte. Nebenbei betreibt er zusammen mit einem früheren Co-Founder den Blog PRENEUR rund um Unternehmertum und Mindset.

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Foto (oben): Shutterstock