Isar Valley statt Silicon Valley: StartUp-Kultur gibt’s auch in München
n der Arbeitswelt schauen viele immer noch sehnsüchtig in Richtung GAFA: Google, Amazon, Apple und Facebook locken mit viel beschworenem Gründergeist und aufgeladener StartUp-Atmosphäre Absolventen und Experten. Dabei lohnt sich der Blick auf ganz bestimmte deutsche Unternehmen, die sich in den letzten Jahren – manche still und leise – zu digitalen Schwergewichten mit einer sehr ähnlichen Unternehmenskultur entwickelt haben.
Willkommen bei PAYBACK – der „Tante Emma 2.0“.
Auf den Fluren von PAYBACK herrscht emsiges Treiben: Mehrere Teams testen in der Lobby Anwendungen auf einem überdimensionalen Smartphone-Screen, es geht um die Darstellung von digitalen Coupons auf einer Landkarte. Funksender – so genannte Beacons – sorgen dafür, dass die Coupons zum richtigen Zeitpunkt auf den Smartphones der vorbeigehenden Nutzer erscheinen. Aktivieren diese die Coupons, zeigt die Anwendung live und direkt die Aktion auf der Karte an. Projektleiter Timm Kawohl prüft die aufblitzenden Signale, dirigiert die Feinjustierung und gibt die Übersichtskarte schließlich frei – der Showcase ist bereit für die dmexco 2017.
Die dmexco ist (rein) digital – ein Tante-Emma-Laden sticht deshalb ins Auge
Timm Kawohl ist Produktmanager bei PAYBACK und die dmexco seit einigen Jahren ein Highlight für die Münchner. In Sachen digitale Trends führt in Deutschland kein Weg an der „Digital Marketing Exposition & Conference“ in Köln vorbei. Vor Jahren noch wurde PAYBACK dort eher als Exot unter den Ausstellern gehandelt, so Kommunikationschefin Nina Purtscher: „Viele kannten uns nur als Plastikkarte – auf einer Digitalmesse hat deshalb kaum einer mit uns gerechnet. Das hat sich vollkommen geändert.“ Heute steht PAYBACK in Sachen Digitalmarketing in einer Reihe mit Google, Facebook oder Amazon. Die Münchner haben mit der PAYBACK App die drittbeliebteste Shopping-App der Republik im eigenen Haus entwickelt und sind hierzulande Google, Apple oder Alibaba mit einer Lösung für mobiles Bezahlen zuvorgekommen. PAYBACK verschickt pro Jahr rund 35 Milliarden Coupons – als richtiges Angebot über den richtigen Kanal und am richtigen Ort. Innovationen und Digitaltrends im Handel kommen aus München, nicht aus dem Silicon Valley.
Mischung aus Ehrgeiz, Teamgedanken und individuellen Vorzügen
Wie kann sich ein deutsches Unternehmen gegenüber US-Giganten behaupten, worauf lässt sich der Erfolg zurückführen? Vor allem auf die Partner, auf die Innovationskraft des Unternehmens und einen gelungenen Wertewandel im Unternehmen. Bei PAYBACK ist die digitale Komponente mittlerweile fest im Arbeitsleben verankert. Auf den Fluren stehen Tablets mit Dashboards der Tagesergebnisse, in den großen Büroräumen arbeiten Teams wie das von Timm Kawohl mit agilen Methoden wie Scrum, Kanban und XP. Wer den Kopf frei bekommen möchte, verlagert seinen Arbeitsplatz kurzerhand für eine Weile ins „Spielzimmer“: Mit Tischtennisplatte, Bällebad und Game-Stations. Wer beim Unternehmen – mittlerweile immerhin 17 Jahre alt – verkrustete Strukturen oder veraltete Standards erwartet, wird überrascht sein: Die Liste der Benefits ist lang und wächst stetig.
Mal abseits vom Job richtig punkten? Geht bei PAYBACK im Spielezimmer.
„Wir sind ehrgeizig und wissen, dass wir besser als andere sein müssen, um uns am Markt zu behaupten. Aber wir haben auch eine Menge Spaß bei der Arbeit“, so Nina Purtscher. „Besonders spannend ist die ständige Veränderung der Firma – natürlich mitgetrieben durch das Thema Digitalisierung.“ Aus dem Bonusprogramm mit Plastikkarte wurde eine Multichannel-Marketing Plattform, die offline, online und mobile Kanäle verbindet. Heute sieht sich PAYBACK als „der digitale Turbo“ seiner Partnerunternehmen, zu denen in Deutschland 650 Firmen, darunter Aral, dm-drogerie markt, Galeria Kaufhof und REWE, zählen. Von 2013 bis 2016 ist PAYBACK im Schnitt um 20 Prozent gewachsen, alleine in den letzten drei Jahren wurden 5 Millionen Kunden dazu gewonnen. Aktuell sammeln 30 Millionen Verbraucher in Deutschland und 120 Millionen weltweit Punkte – auch in Italien, Polen, Indien, Mexiko und in den USA.
Purtscher sitzt im PAYBACK Headquarter in München und schaut aus dem Büro auf die Theresienwiese, wo schon ab Juli der Aufbau für das Oktoberfest im Gange ist. Die rund 1.000 Kollegen vor Ort – dazu gehören neben PAYBACK auch die Holding Loyalty Partner und die Schwesterfirmen Loyalty Partner Solutions sowie emnos – kommen dadurch jeden Herbst recht unkompliziert in den Genuss des größten Volksfestes der Welt, mit Brathendl schon zu Mittag und Lederhosn als auch mal gern getragener Arbeitskleidung inklusive. In der restlichen Zeit des Jahres hat die Firma eine Kantine (genannt „Esszimmer“) der besonderen Art zu bieten: Abends leitet Küchenchef Pietro ein herausragendes Restaurant in Münchens Innenstadt, tagsüber begeistern er und sein Team die Mitarbeiter mit typisch italienischen Gerichten.
Italienisches in München: Sebastian, Sascha und Robin genießen die Kantinen-Auswahl.
Das Silicon Valley taugt weiterhin als Vorbild; als Reiseziel für die Karriere verliert es aber an Zugkraft. Alles, was die neue Arbeitswelt ausmacht, ist bei näherem Hinsehen inzwischen auch schon vor der Haustüre vorhanden. PAYBACK ist ein Musterbeispiel dafür, dass man für das StartUp-Feeling längst nicht mehr in die Ferne schweifen muss. Vom App-Spezialisten über Scrum Master bis zum SAS-Entwickler bieten die Münchner die verschiedensten Top-Jobs direkt am Standort an, ausgeschrieben in Deutsch oder auch Englisch. Letzteres kann nicht schaden, gehört PAYBACK doch mittlerweile zum American Express Konzern und eröffnet damit auch internationale Karriereperspektiven.
Die Handelsexperten sind mit dieser Ausrichtung auf eine moderne, digitale Arbeitswelt bei Weitem nicht alleine. In der „IT-Hauptstadt“ München eröffnen auch Unternehmen wie SIXT, Cancom, Scout24 und selbst IT-Dino Siemens inzwischen Labs, Inkubatoren oder eigene StartUps im Unternehmen, bieten Fitness-Programme und offene agile Arbeitsmethoden. Der inoffizielle Titel des „Isar Valley“ ist daher nicht mehr realitätsfern. Für Interessierte auf der Suche nach Perspektiven lohnt sich in jedem Fall eine Radtour durch das schöne München, bevor sie das Ticket nach San Francisco buchen.