Was nützt “Made in Germany” Startups in den USA?
Im März 2017 veröffentlicht das Statistik-Portal Statista den sogenannten Made-in-Country Index, der Auskunft darüber gibt, wie positiv Produkte “Made in…” verschiedener Länder wahrgenommen werden. Deutschland positionierte sich noch vor der Schweiz auf dem ersten Platz.
Auch in den USA stehen deutsche Produkte hoch im Kurs. Nach den amerikanischen Produkten stehen deutsche Waren auf dem zweiten Platz. Das war nicht immer so: Als das Label im Zuge des “Merchandise Marks Act” im Jahre 1887 in Großbritannien eingeführt wurde, sollte es ursprünglich auf die vermeintlich minderwertige Qualität deutscher Waren hinweisen und britische Käufer vor ihnen warnen.
“Made in Germany” als Gütesiegel für Qualität
Über die Jahrzehnte wendete sich das Blatt und spätestens seit den 60er Jahren wurde “Made in Germany” zu einem Gütesiegel. Heutzutage profitieren davon bekanntlich vor allem etablierte Marken mit langer Historie. Sie nutzen ihr Herkunftsland als USP (unique selling proposition), um die Zuverlässigkeit und Verarbeitungsqualität ihrer Produkte zu bewerben.
Aber wie lange funktioniert das noch? Laut einer aktuellen Umfrage der Boston Consulting Group befindet sich kein deutsches Unternehmen mehr in den Top 10 der weltweit innovativsten Firmen. Viele Firmen mit bahnbrechenden Ideen in den letzten Jahren stammen entweder aus dem Silicon Valley oder einer anderen Startup Hochburg wie New York City oder Seattle. Neben zahlreichen wirtschaftlichen und politischen Gründen zählt auch der US- amerikanische Optimismus und die “Just-do-it” Mentalität zu den oft genannten Erfolgsgründen. Deutschland hingegen hinkt in puncto Innovationen im Internetzeitalter hinterher.
Deutsche Gründer zu risikoscheu
Anders als in der Stahl- oder Automobilindustrie steht “Made in Germany” in der Digitalbranche nicht mehr “automatisch” für hohe Qualität. Welche Gründe hat das? Ein Erklärungsansatz: Deutsche Entrepreneure sind zu konservativ und risikoscheu. Um dieses abzulegen versuchen viele von ihnen, sich zu amerikanisieren und sich ebenfalls eine “Just-do-it” Mentalität anzutrainieren. Aber ist das die richtige Lösung? Oder könnten deutsche Tugenden wie Pünktlichkeit und Gewissenhaftigkeit auch im digitalen Zeitalter wieder zu einem Qualitätsversprechen werden? Können deutsche Gründer nicht auch wie etablierte Firmen von der guten Einstellung der Kunden zu “Made in Germany” profitieren?
Mit ihren Startups Spacebase und adsquare haben Julian Jost und Sebastian Doerfel am German Accelerator des Bundes teilgenommen. Das Förderprogramm hilft deutschen Startups bei deren Expansion in die USA. Wichtigstes Ziel: Das Verstehen des amerikanischen Marktes. Während des 3-monatigen Programms lernten die beiden vor allem eines: Mit „Made in Germany“ ist eine Menge zu erreichen. Wenn man es denn richtig macht.
Können Startups “German Engineering”?
Julian Jost ist Co-Founder von Spacebase, der führenden Buchungsplattform für Meeting- und Workshopräume in Europa. Das Unternehmen wurde 2014 gegründet und expandierte Ende letzten Jahres nach NYC. In zahlreichen Gesprächen mit Investoren und Kunden lernte Jost, dass es durchaus Vorteile hat, die Herkunft seines Startups zu erwähnen. Der gute Ruf deutscher Traditionsfirmen, scheint auf die Einstellung der Amerikaner gegenüber deutschen Startups durchaus Einfluss zu haben. Das Bild des des konservativen, risikoscheuen Deutschen sollte man sich zunutze machen. “Deutsche Startups wirken auf amerikanische Investoren souverän und vertrauenswürdig“, sagt Jost. Grund dafür: Um hiesige Investoren von ihrem Konzept überzeugen zu können, müssen Entrepreneure bereits viele Prozesse optimiert haben, ehe sie den Markteintritt wagen oder an Venture Capitalists pitchen.
Das Start-up hat sich bei seiner Internationalisierung bemüht, diesen Stereotypen mit Fakten zu bestätigen, um sich von seinen lokalen Wettbewerbern abzuheben. Jost und sein Team nehmen sich bewusst Zeit, sämtliche auf der Internetplattform aufgeführte Locations zu besuchen und zu überprüfen. Für die Expansion in die USA bedeutete das, aus organisatorischen Gründen erst einmal nur in NYC Fuß zu fassen, statt, um schneller zu wachsen, auch unbekannte Locations aus anderen Teilen des Landes aufzunehmen. Das mag penibel wirken, führte aber dazu, dass das Unternehmen das Qualitätsversprechen “Verified Space” jetzt aktiv im amerikanischen Wettbewerb nutzen kann. In Branchen, in denen es auf das instinktive Vertrauen der Kunden in die Plattform ankommt, ist das viel wert. Ein Mieter buchte vor kurzem einen ihm unbekannten Raum für eine wichtige Firmenfeier über die Plattform mit der Begründung “because it is German, so surely things will work”, berichtet Jost.
“Made in Germany” – Leistungsstark und Datenschutzkonform?
Auch Sebastian Doerfel hat mit seinem Unternehmen adsquare Anfang des Jahres in die USA expandiert und hat dabei bewusst den guten Ruf des German Engineerings in der Markenkommunikation verwendet. Und das, obwohl das Start-up keine klassischen Maschinen entwickelt, sondern eine Datenplattform für mobile Werbung auf Smartphones ist. Gerade in der Marketing-Branche sind die Versprechen hoch. Das Start-up arbeitet in Echtzeit mit sogenannten Real-Time Werbe-Marktplätzen und reichert pro Sekunde über 500.000 Anfragen mit Zielgruppendaten an. Ein komplexes Geschäftsmodell im B2B Sektor, bei dem das Thema Datenschutz eine besonders wichtige Rolle spielt. Und hier kann das Unternehmen “Made in Germany” als Zeichen für leistungsfähige Technologie und hohe Datenschutzstandards nutzen. Denn die besonderen Anforderungen an den Umgang mit Daten sind in Deutschland viel stärker reglementiert als in den USA. Weil Doerfel die Plattform ursprünglich für den deutschen Markt entwickelte, war er gezwungen sich intensiv mit diesen Themen auseinanderzusetzen und hat nun gegenüber der internationalen Konkurrenz in den USA bei Fragen zur Privatsphäre einen Vorsprung.
Es besser machen als die anderen
Im Gegensatz zur traditionellen Industrie haben deutsche Startups grundsätzlichen keinen Vertrauensvorschuss durch ihre Herkunft. Spacebase und adsquare zeigen aber, dass eine Amerikanisierung nicht die einzige Lösung ist. Wenn man im US Markt selbstbewusst mit ausgereiften Konzepten auftritt und seine Kunden mit hochwertigen Produkten überzeugt, kann der Halo-Effekt von “Made in Germany” auch Gründern nutzen. Denn gerade bei Geschäftsmodellen im B2B Bereich geht es oft nicht darum, wer am schnellsten ist, sondern wer es am besten macht. Und dort scheinen deutsche Startups durch ihren durchdachten Ansatz Vorteile gegenüber amerikanischen zu haben.
Wenn deutsche Entrepreneure sich an dieser Zielsetzung orientieren, gibt es keine ersichtlichen Gründe, warum nicht auch “Startup Made in Germany” zu einem starken Verkaufsargument werden sollte.
Über den Autor:
Philipp Kraatz ist nach seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre in Mannheim nach Berlin gezogen und dort in die Startup- Welt eingetaucht. Momentan arbeitet er als Marketing Manager bei Spacebase. Daneben studiert er Design Thinking in Potsdam.
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