Von Alexander
Montag, 26. Juni 2017

WebID: Lockere Startup-Kultur trifft Professionalität

"Wir haben das Video-Ident-Verfahren erfunden, sind heute schon Marktführer und haben allein 100 Banken unter Vertrag. Doch wir werden weiter enorm wachsen, bald über 300 Mitarbeiter beschäftigen und immer mehr Branchen betreuen", sagt Franz Thomas Fürst von WebID.

Um Online-Verträge abzuschließen, musste man sich früher bei der Post identifizieren. Mit WebID, gegründet 2012, ist dies ein Relikt aus einer anderen Zeit. Das junge Unternehmen ermöglicht die staatlich anerkannte Identifikation per Videochat. Nachdem WebID seinen Umsatz im Vorjahr auf 5 Millionen Euro verdoppeln konnte, peilt die Jungfirma fürs laufende Jahr die 10 Millionen Euro an. Im Interview mit deutsche-startups.de sprechen die WebID-Macher Franz Thomas Fürst und Frank Stefan Jorga über Daten, Fluktuationen und Abläufe.

Wie würdest Du Deiner Großmutter WebID erklären?
Fürst: Mit WebID werden Bankgeschäfte viel einfacher. Wenn Du ein Konto eröffnest, musst Du nicht mehr zur Bankfiliale gehen oder Dich auf dem Postamt anstellen, um Dich zu identifizieren – Du kannst alles von Deinem Sofa oder dem Küchentisch aus machen. Du wirst dann mit unserem Hochsicherheits-Video-Ident-Center verbunden, wo ein spezialisierter Mitarbeiter mit Dir den Identifikationsprozess durchführt, im Auftrag der Bank, die sodann Dein Konto aktiviert. Deine persönlichen Daten sind dabei bestmöglich geschützt.

WebID ist stark gewachsen – Welche Herausforderungen ergeben sich für Gründer, die mehr als 50 Mitarbeiter betreuen müssen?
Jorga: Bei Startups ist rasantes Wachstum logischerweise ein zentrales Ziel, schließlich soll das Geschäftsmodell schnell skalierbar und relevant für neue Investoren werden. Doch schon ab etwa 20 Mitarbeitern verändert sich ein Unternehmen stark. Der Organisationsaufwand potenziert sich, und gut sortiert zu sein, ist ein Must-have. Im kleineren Maßstab lässt sich alles eher hemdsärmelig regeln, später braucht man einen Plan, um effiziente Abläufe zu schaffen und Nachhaltigkeit zu erreichen.

Was sind die besten Methoden, um größere Teams zu organisieren?
Jorga: Man braucht starke Führungskräfte und muss ihnen Verantwortung übertragen. Das mittlere Management muss wissen, was es entscheiden darf – und was nicht. Auf diese Weise stärken wir übrigens auch die Zufriedenheit, verhindern Fluktuation und sorgen für mehr Motivation. Daneben muss aber auch die Spitzenmannschaft gut aufgestellt sein, auf der C-Ebene sind wir etwa zu sechst. Auch das hätten wir übrigens früher angehen sollen.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Fürst: Auch wir haben nicht sofort erkannt, wann genau unser Baby erwachsen geworden ist und man den Laden anders zusammenhalten muss. Vieles geht dann nicht mehr spontan oder durch uns; alleine, die Mitarbeiter zu organisieren, Jobausschreibungen, Einstellungen, Bewerbungen sichten, Abrechnungen, Urlaubspläne. Das kann bei wachsenden Startups rasch chaotisch oder gar gefährlich werden, doch wir haben zum Glück schnell die Prozesse effektiver gestaltet. Kern ist, den Fokus einmal für einen Moment von Sales weg auf die Gestaltung der Abläufe zu legen. Das geht schneller als man denkt, wenn man sich wirklich darauf konzentriert.

Und was habt Ihr bisher alles richtig gemacht?
Jorga: Von Anfang an sind wir keine Kompromisse bei der Qualität eingegangen – so als wären wir ein Traditionsunternehmen. Schließlich arbeiten wir mit sensiblen Daten, und Vertrauen ist eine starke Währung in unserer Branche. Zweitens waren wir sehr zielstrebig und hartnäckig – auch das ein wichtiger Erfolgsfaktor –, um die Erlaubnis des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) zu bekommen, unsere zentrale Dienstleistung durchführen zu können, nämlich die Personenidentifikation per Video-Call. Drittens haben wir erfolgreich das Ansinnen der Deutschen Post abgewehrt, uns aufzukaufen. Uns war klar, dass es danach ungemütlich wird, aber das hat uns nur noch weiter auf unserem Weg bestärkt.

Welche Tipps würdest du Gründern auf den Weg geben?
Jorga: Wie gesagt: Niemand darf den Organisationsaufwand einer wachsenden Firma unterschätzen. Das kann schnell ins Auge gehen. Dass das Produkt und die Dienstleistungen stimmen müssen, ist ohnehin klar. Schließlich ist das in der Regel der Grund, überhaupt ein Unternehmen aufzubauen. Doch meistens verzetteln sich Gründer, konzentrieren sich zu sehr auf ihre Inhalte und die wichtigen bahnbrechenden Innovationen – und ignorieren oft, dass das Personalmanagement oder gar die Finanzen nicht stimmen. Wer Pionier auf seinem Fachgebiet ist, muss sich daher rasch externen Sachverstand dazunehmen – entweder einstellen oder auslagern. Entscheidend ist insgesamt, die lockere Startup-Kultur mit Professionalität zu verbinden. Und nur mit Professionalität gewinnst Du den War of Talent, bekommst erfahrene Führungskräfte – und hältst sie auch!

Wo steht WebID in einem Jahr?
Fürst: Wir haben das Video-Ident-Verfahren erfunden, sind heute schon Marktführer und haben allein 100 Banken unter Vertrag. Doch wir werden weiter enorm wachsen, bald über 300 Mitarbeiter beschäftigen und immer mehr Branchen betreuen: Nach der Finanzwirtschaft werden Mobilfunkanbieter stark auf unsere Dienstleistungen zurückgreifen. Sie müssen ab dem 1. Juli 2017 jeden SIM-Karteninhaber bei Prepaid-Handys korrekt identifizieren. In so großem Maßstab – etwa 10.000 Online-Identifikationen täglich – schaffen das nur wir. Natürlich wollen wir auch international expandieren, besonders in Asien und Nordamerika, wo das Thema „Fraud“ virulent ist. Dazu sind wir auch häufig in San Francisco und im Silicon Valley, um strategische Kooperationspartner zu suchen und um Geschäftsfelder zu sondieren. Die Dynamik, Offenheit und der Spirit dort sind unglaublich – aber das wissen ja Deine Leser! Jedenfalls werden wir „Identity made in Germany“ zum Exportschlager machen und weiter die Digitalisierung vorantreiben.

Ein anderer Ausblick: Wie radikal wird sich der FinTech-Markt in den kommenden Jahren verändern?
Fürst: In fünf Jahren wird kein Stein mehr auf dem anderen stehen: Die Etablierten sind jetzt schon unter großem Kostendruck, alleine wegen ihres Personals, ihrer Büros und Immobilien. FinTechs werden – vor allem Dank Digitalisierung, der Blockchaintechnologie oder weil sie vieles in Kooperationen lösen – Finanzgeschäfte und alle dazugehörigen Dienstleistungen und Prozesse wesentlich effizienter anbieten können.

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