Jakob Schreyer im Interview
orderbird – “ein starkes, familienorientiertes Unternehmen”
Seit 2011 arbeiten Jakob Schreyer, Bastian Schmidtke, Patrick Brienen und Artur Hasselbach an orderbird, einem iPad-Kassensystem. Im vergangenen Jahr wanderten über 20 Millionen Euro in das Unternehmen, das inzwischen über 140 Mitarbeiter beschäftigt. Im Interview mit deutsche-startups.de spricht Mitgründer Schreyer über Leistungsträger, Fingerspitzengefühl und Operationen am offenen Herzen.
Wie würdest Du Deiner Großmutter Dein Start-up erklären?
Wir bieten Gastronomen ein professionelles, leicht zu bedienendes Kassensystem. Es ist eine sehr flexible Alternative auf dem iPad zu den alten, kostspieligen Kassen. Wir wollen Gastronomen zeitgemäße, intuitive Softwarelösungen bieten und sie durch Digitalisierung erfolgreicher machen. Dafür bieten wir viele Zusatzservices, die weit über herkömmliche Kassenfunktionen hinausgehen. So können auch kleine Cafés, Restaurants oder Bars die Tools der Großen für sich nutzen und im harten Wettbewerb besser mithalten.
Investoren wie Digital+ Partners, die Metro Group und Altinvestor Concardis investierten im vergangenen Jahr über 20 Millionen Euro in orderbird. Wie seid Ihr mit diesen Geldgebern in Kontakt gekommen?
Der Finanzdienstleister Concardis ist wie die ALSTIN einer unser ersten Investoren. Ich erinnere mich sehr gut an mein erstes Treffen mit Marcus Mosen, dem CEO von Concardis. Denn das war um 6 Uhr morgens zum Frühstück nach der 3-Jahresparty von orderbird. Unsere Zusammenarbeit lag auf der Hand, da die Concardis Kartenlesegeräte zur bargeldlosen Zahlung anbietet. Wir haben schnell entschieden mehr miteinander machen zu wollen. Der erste Kontakt mit ALSTIN wiederum verlief ganz anders. Wir haben in den ersten zwei Jahren viele Auszeichnungen für orderbird gewonnen. Eine davon war der Award der Financial Times Deutschland. Einen Tag nach der Veröffentlichung der Gewinnerportraits, rief mich Jörg Goschin, damaliger Geschäftsführer von ALSTIN an und fragte, ob wir uns nicht mal kennenlernen wollten. Er hatte in der Financial Times über uns gelesen. Die Metro kam uns 2015 in Berlin auf einer Reise mit Ihren Führungskräften besuchen. Danach hat sich der Kontakt intensiviert. Mit Digital+ Partners haben wir bereits vor ihrer eigenen Gründung über die fehlenden Growth Finanzierungen in Deutschland diskutiert und sind seitdem in Kontakt geblieben. Das war ebenfalls 2015.
In der Presseaussendung wurde damals hervorgehoben, dass es sich bei den Geldgebern um “strategische Partner” handle. Was genau ist damit gemeint?
Die Metro verfolgt das gleiche Ziel wie wir: Sie möchte Gastronomen durch Digitalisierung erfolgreicher machen. Auf dem Weg dahin, macht es Sinn, sich gegenseitig zu unterstützen. Als etablierter Konzern verfügt die Metro über langjährige Beziehungen zu allen Stakeholdern entlang der Wertschöpfungskette in der Gastronomie. Das ist für uns gerade im Hinblick auf unsere Markteintritte in nicht-deutschsprachige Länder, wie Frankreich im vergangenen Jahr und Spanien in diesem Jahr, wichtig. Das heißt, dass wir nicht nur einen Investor gewonnen haben, der uns finanziell unterstützt, sondern auch einen Partner mit dem wir eng – vor allem auf vertrieblicher Ebene – zusammenarbeiten. Bestehend aus erfahrenen Managern und Beratern unterstützt uns das Team von Digital+ Partners vor allem mit Kontakten und bei der Umsetzung unserer Expansionsstrategie.
Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Aktuell durchlaufen wir einen starken Veränderungsprozess. Mit dem massiven Wachstum unseres Unternehmens, als auch unseres Teams, haben wir festgestellt, dass wir Entscheidungsfindungsprozesse auf eine neue Basis stellen müssen. Ich denke im Nachhinein, dass wir diesen Prozess früher hätten beginnen sollen. Doch der perfekte Moment kommt in der Realität nie. Jetzt fällt beides zusammen: die Internationalisierung und die interne Umstrukturierung. Bei laufendem Tagesgeschäft Operationen am offenen Herzen durchzuführen ist ein Drahtseilakt: angefangen bei der Analyse und Einführung neuer Arbeitsprozesse, Organisationsstrukturen, neuen Entscheidungswegen und Eskalationsmechanismen bis hin zum Wechsel zu einem neuen CRM-System. Um die Transformation von einem deutschen zu einem internationalem Unternehmen zu gestalten, hätten wir rückblickend viel früher Unterstützung an Bord holen sollen. So lernt man einfach schneller, wie professioneller Wandel gestaltet werden kann, entwickelt ein Gefühl für realistische Veränderungszyklen und bekommt aufgezeigt, dass jede Veränderung immer zuerst bei einem selbst beginnen muss. Das klingt natürlich erst einmal banal, aber feste Strukturen im Unternehmen aufzubrechen, Prozesse zu verändern und auch die Menschen dahinter richtig abzuholen und mitzunehmen ist eine Aufgabe, die Fingerspitzengefühl und Wagemut erfordert. Wir haben gelernt: einfach nicht auf den perfekten Moment warten und vom Start an auf klare, professionelle Strukturen bauen. Das zahlt sich aus.
Und wo habt Ihr bisher alles richtig gemacht?
Wenn man bedenkt, dass 2011 die Themen Digitalisierung und Gründung in der Gastronomie, nicht annähernd den Stellenwert in der Branche und in den Medien hatten, wie heute, dann gehören wir zu denen, die diesen Markt als First Mover mit erneuert und weiterentwickelt haben. Heute profitieren wir von der starken Marke, die wir aufgebaut haben und sind mit sechs Jahren am Markt führend in der Branche der iPad-Kassenanbieter für Gastronomen in der DACH Region. Wir gewinnen mehr als 300 Neukunden pro Monat und verfügen mittlerweile über einen Kundenstamm von mehr als 7.500 Kunden. Wir kennen die Branche in- und auswendig, pflegen enge Beziehungen zu unseren Kunden und stehen im regelmäßigen Austausch mit führenden Gastronomen. Mit der Erschließung des französischen Marktes haben wir bereits mehrere hundert Kunden hinzugewonnen und sind unserem Ziel, Marktführer in Europa zu werden ein Stückchen näher gekommen. Zudem sind wir uns in unserer Unternehmenskultur bis heute treu geblieben. Nach sechs Jahren sind wir immer noch ein starkes, familienorientiertes Unternehmen mit mittlerweile 140 Mitarbeitern. Wir haben viele Leistungsträger, die in den vergangenen Jahren bereits Eltern geworden sind oder dieses Jahr zum ersten Mal Eltern werden, in Teilzeit arbeiten oder sich für eine erneute Elternzeit entscheiden. In diesem Punkt haben wir uns nie verändert: Bei allem unternehmerischen Wachstum ist es für uns selbstverständlich familienfreundliche Arbeitsbedingungen zu schaffen und zu leben.
Wo steht orderbird in einem Jahr?
In einem Jahr blicken wir auf erfolgreiche Markteintritte in Spanien und Italien zurück. Wir haben mehrere hundert Neukunden pro Monat in beiden Ländern gewonnen und sind in Frankreich unter den Top drei, der führenden iPad-Kassenanbietern. In DACH haben wir unsere Marktführung ausgebaut und erste, interessante Partner für unseren Marktplatz gewonnen. Darüberhinaus werden wir insgesamt auf 200 Mitarbeiter in vier Ländern angewachsen sein.
Hausbesuch bei orderbird
Seit mehreren Jahren entlastet orderbird Gastronomen beim täglichen Kampf mit der Kassenverwaltung. ds-Haus- und Hoffotograf Andreas Lukoschek durfte sich bei der Jungfirma bereits 2013 einmal ganz genau umsehen. Einige Eindrücke gibt es in unserer kleinen, aber feinen Fotogalerie.
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