Gastbeitrag von Felix Bauer
Von Köln in die Welt: Ein Coworking-Trip durch Indonesien
Ausgehend von meinen guten Erfahrungen der vergangenen vier Jahre im Kölner Startplatz wollte ich wissen, wie diese Szene in Indonesien aussieht. Ich habe mich also für 20 Tage auf den Weg nach Südostasien gemacht und die angesagtesten Coworking-Spaces in Jakarta und Bali gecheckt. Tri Lastiko (Tiko), E-Commerce Enthusiast bei woogency und erfolgreicher Instagram-Influencer für Samsung und Google, hat mich begleitet und mir dadurch tiefe Einblicke in die Startup-Szene, die Kultur, das urbane Leben und die Familie ermöglicht. Danke, lieber Tiko!
Unsere Reise nach Jakarta und Bali begann am 25. November des vergangenen Jahres mit dem Flug von Düsseldorf über Dubai nach Jakarta. Insgesamt rund 20 Stunden bis zum ersten airbnb-Host. Unser Eindruck: Es ist heiß! Zwischen 25 und 28 Grad – trotz 23 Uhr und Regenzeit. Außerdem herrscht Verkehrschaos: 18 Millionen Menschen wollen sich bewegen. Aber Tiko kennt sich aus und so gestalten wir unseren Timetable mit Hilfe von uber, Airbnb, GO-JEK, Tuk-Tuks, Pferdekutschen und Motorrollern vergleichsweise lässig.
Wie in ganz Südostasien steigt auch in Jakarta die Zahl der Young Professionals, die ihr eigenes Business aufbauen wollen. Aktuell gibt es in Indonesien etwa 60 Coworking-Spaces, Inkubatoren, Kreativ-Communities und Makerspaces. Grundsätzlich bieten die unterschiedlichen Spaces allesamt voll ausgestattete Arbeitsplätze und eine moderne Infrastruktur. Wie gewohnt können diese auch in Asien nach dem individuellen zeitlichen Bedarf und inhaltlichen Umfang per Mitgliedschaft gebucht werden. Neben Kostenvorteilen und Flexibilität schätzen auch die indonesischen Nutzer besonders die inspirierende Interaktion mit Gleichgesinnten. Unser erstes Ziel: Der schickste Coworking-Space von Jakarta.
1. Conclave
Mitten im Herzen der Hauptstadt bietet Conclave Platz für circa 75 Member. Beliebt ist der Space nicht nur wegen seines hellen, stylischen Ambientes, sondern auch, weil man eine Menge fancy Restaurants in der Umgebung findet. Auf dem Gelände findet man dank Duschräumen, Kicker und Dachterrasse (mit Barbecue) sämtliche Optionen, um sich 24/7 wohl zu fühlen. Im Mittelpunkt der Vision steht der Austausch mit anderen Kreativen – sei es um Stories und Ideen zu teilen, Meetings zu organisieren, Content zu sharen oder an Workshops teilzunehmen. Im Vergleich ist der Preis für die monatliche Mitgliedschaft jedoch recht hoch, was sicherlich auch der Grund war, wieso an dem Tag unseres Besuches wenige Mitglieder vor Ort waren und viele Teambüros leer standen. Nach Auskunft eines Insiders wird Conclave gern als Ort für Pitches oder Investorenpräsentationen genutzt und tageweise gebucht. Was mir direkt am ersten Tag aufgefallen ist: Mit Standard-Englisch und den üblichen Anglizismen kommt man gut durch die Startup-Szene. In den vielen Restaurants, Street-Food-Küchen und Geschäften ist allerdings Zeichensprache das Mittel der Wahl in puncto Kommunikation.
2. Koléga I
Koléga eröffnete im Februar 2016 bereits den zweiten Space im Süden der Stadt. Das Ziel: Eine kreative Community von Unternehmern, Freelancern und Selbständigen aufzubauen. Dafür bietet der Betreiber wöchentliche Workshops, On- und offline Trainings, Tutorials für Start-Ups und weitere Aktivitäten, die eine Zusammenarbeit, den Wissenstransfer und die Beziehungen untereinander unterstützen sollen. Deutlich kleiner als Conclave bietet Koléga in einer rustikalen Industrie-Design-Atmosphäre vor allem für Freelancer und kleine Teams eine erste Anlaufstelle um sich auszutauschen und in den verwinkelten Bereichen miteinander zu „coworken“. Die Community hat einen sehr lebendigen Eindruck gemacht, sicher trägt hier auch das integrierte Café seinen Teil dazu bei.
3. Estubizi
Ebenfalls im Süden von Jakarta besuchten wir den Estubizi-Coworking-Space. Der Betreiber kommt aus dem Umfeld der klassischen Business-Center, also mit Fokus auf die Bereitstellung von (Büro-) Räumlichkeiten, Infrastruktur und Office-Services, wie etwa Buchungen von Hotels oder Flügen. Das merkt man auch in den seit April 2016 eröffneten Räumlichkeiten mit knapp 100 Hot-Desks: es hat den konzentrierten Charme einer Universitätsbibliothek und vom Balkon einen unschlagbaren Ausblick auf die Skyline von Jakarta. Ein Stockwerk darunter ist übrigens das Büro von VICE. Es stehen mehrere Meeting-Räume zur Verfügung sowie Team-Büros für bis zu 4 Member und ein Auditorium inklusive Dachterrasse. Die professionelle Organisation, Ausstattung und Professionalität ist hier viel stärker spürbar als der typisch kreative Coworking-Spirit der ersten beiden Spaces.
Tipp: Die Preise für Coworking-Spaces unterscheiden sich sehr stark. Die Bandbreite reicht von etwa 1 Euro pro Tag in Padang bis zu 18 Euro in Jakarta oder Bali. Monatliche Mitgliedschaften kosten bis zu 285 Euro pro Arbeitsplatz!
BALI
Vier Tage später ging es für mich weiter nach Denpasar/Bali, ohne meine neue Begleitung, die ortskundige Social-Media Agentin Yasti Lumempouw aus Jakarta, wäre ich wohl in den Reisfeldern, Kaffeeplantagen & Blütenmeeren für immer verloren gewesen. Auch hier der übliche Verkehr, öffentliche Verkehrsmittel gibt es nicht: Man bewegt sich mit Rollern, Mietwagen, uber, Taxi, Boot, Pferdekutsche und/oder zu Fuß durch das einmalige Gewusel. Der eine oder andere mag beim Stichwort Bali die Idee eines Instagram-Selfies vor Augen haben: Mit den Füßen im Wasser am Strand sitzend, das MacBook auf dem Schoss, Titel: “Mein Büro für heute”. Tatsächlich gibt es einige traumhaft gelegene Coworking-Spaces, wo solche Bilder entstehen könnten. Aber ich habe die Atmosphäre in den drei folgenden Spaces deutlich professioneller erlebt!
4. Legian
Das Legian, benannt nach der gleichnamigen Touristenregion an der Westküste von Bali, wirbt mit voll klimatisierten Räumen und einem Ambiente, das „Zusammenarbeit und Austausch unterstützt“. Mir erschien dieser Space allerdings im Nachhinein wie ein Copy-Cat vom Dojo (Coworking Spance Nr. 6). Es gibt zwar einen schönen Außenpool mit Liegen und Beanbags, aber das W-Lan ist sehr langsam und eine sichtbare Community konnte ich nicht ausmachen. Womöglich liegt es an der Entstehungsgeschichte? Die Sara Residence hatte aufgrund der Empfehlung eines Langzeit-Gastes (Reiseblogger) die Idee zur Schaffung eines Coworking-Space aufgegriffen. So sind die Services im Hotelstandard zwar für Business-Reisende sicher angenehm (etwa freie Nutzung des Pools inklusive Handtücher und der 22-Zoll-Bildschirme, kleine Konferenzräume, Appartements direkt im Space). Aber Achtung: Den echten Coworking-Spirit gibt es hier nicht.
Tipp: Trotz Regenzeit (Oktober bis April) lässt es sich gut reisen, die Sonne genießen und Sightseeing betreiben, an den meisten Tagen gab es kurze aber kräftigen Schauer.
Hubud (Hub-in-Ubud) ist das Original unter den balinesischen Coworking-Spaces, gegründet 2013 von drei Expatriates. Heute ist der in den Anhöhen von Ubud gelegene Platz dafür bekannt, eine große Gemeinschaft von heimischen und besuchenden Talenten zu beherbergen. Er wird täglich von circa 50 bis 60 Entrepreneuren, Digitalen Nomaden oder Freelancern aus über 30 Nationen besucht. Hubud ist 24 Stunden lang geöffnet und bietet offene Räume in einem zweistöckigen, vorwiegend aus Bambus bestehenden Gebäude mit etwa 400 Quadratmetern. Arbeiten kann man aber auch in dem schönen großen Garten; die Verpflegung mit veganen Speisen, Salaten und leckeren Säften sichert das “Living Food Lab”. Das Besondere von Hubud sind aber die Events: jeden Tag finden Veranstaltungen zum Kennenlernen, zum Austausch und voneinander Lernen statt. Hubud ist auch Mitglied in der Coworking Alliance of Asia Pacific (CAAP), die gemeinschaftliches Arbeiten in der gesamten Region unterstützt und bekannt macht. Außerdem bieten Hubud ein “Soft-landing-package” für internationale Gäste, inklusive Airport-Pick-up, Unterbringung, Einführung in die Community vor Ort etc. Definitiv ein Muss für jeden Coworker und digitalen Normaden in Bali, bei der Gelegenheit am besten ein paar Tage in Ubud verweilen und auch den Javaneraffen einen Besuch abstatten!
6. Dojo
Auf dem Gelände des angesagtesten Coworking Spaces der Insel spürt man gleich, dass hier Professionals am Werk waren. Die Ausstattung wurde eindeutig von Menschen kreiert, die im Sinne des Value Proposition Designs wirklich wissen, welche Needs ihre Zielgruppe hat. Hier gibt es neben unterschiedlich großen Konferenz- und Meetingräumen offene Bereiche mit Stehtischen, Skype-Boxen, Networking-Events, Workshops, Community-Barbecues und natürlich einen Pool mit Beanbags und Liegen. Also wirklich alles was man für eine echte Workation braucht, hier lässt es sich auch bequem ein paar Wochen ohne (ungewollten) Produktivitätsverlust aushalten! Sicher trägt auch die traumhafte Lage am Surfer-Hot-Spot Echo-Beach zu der einzigartigen Atmosphäre bei. Mitten im Hipster-Viertel von Canggu findet man im Dojo als digitaler Nomade alles, was das Herz begehrt. Angefangen von sehr gutem Kaffee und Tee in den verschiedensten Variationen über eine super lebendige Community von Young-Professionals und Work-Life-Balance-Fans bis zu einer Küche, die von früh bis spät healthy Food direkt an den Tisch liefert. Das Dojo arbeitet mit vier Providern, um durchgehend verlässliche up- und download-Geschwindigkeiten zu gewährleisten. Ganz klar mein Favorit und der einzige Space wo ein Abschied wirklich schwer gefallen ist, leider auch von meiner indonesischen Begleiterin (und Bali-Insiderin) Yasti.
JAKARTA
Nach vielen aufregenden Bali Tagen bin ich für weitere drei Tage zurück nach Jakarta – die übrigens weltweite Twitter-Hauptstadt ist. Nirgendwo sonst auf der Erde werden so viele Kurznachrichten abgesetzt wie hier. Ich bin fasziniert von den vielen Menschen, die sich Tag und Nacht im öffentlichen Raum bewegen. Es ist laut, quirlig und am besten schaut man sich als Europäer etwas von der Gelassenheit der Javanesen ab. Gemeinsam mit Tiko checke ich noch zwei weitere Spaces im Zentrum.
7. Koléga II / Comic Cafe
Nur ein paar Kilometer entfernt von dem oben beschriebenen Koléga, befindet sich der erste, in 2015 eröffnete Kolega-Space, im dritten Stock des Limatiga-Buildings. Die Einrichtung kultiviert Industrie-Charme: hohe Decken, große Fensterflächen, offene Räume und viele Sitzgelegenheiten. Vergleichbar viel Platz, Parkplätze (!) und das nerdige Comic-Café unten im Haus zeichnen diesen Space aus. Die Community ist offen, kreativ, neugierig, kommunikativ und wird überwiegend von einheimischen abgebildet.
Tipp: In Indonesien gibt es an jeder sprichwörtlichen Ecke etwas zu Essen: Reis, Hähnchen, süß oder echt pikant gewürzt, viel Frittiertes. Genau das, was ich als typisch asiatisch erwartet habe. Es wird mit der Hand oder mit Löffel und Gabel gegessen. Wenn mit den Fingern gegessen wird, niemals die linke Hand benutzen, denn sie gilt als unrein.
8. Kekini
In einem restaurierten Gebäude aus der Kolonialzeit wurde im Mai 2016 der Kekini Coworking-Space eröffnet. Helle, hohe Räume, eine gemütliche Einrichtung und die für einen Coworking-Space eher ruhige Atmosphäre zeichnen das Kekini aus. Kein Wunder: Während Conclave sich eher auf die Tech-Szene konzentriert, ist Kekini stärker auf Kunst, Kultur und Soziales ausgerichtet. Für alle, die eine entspannte Arbeitsumgebung suchen, bietet Kekini angenehme Features: Meeting-Räume, High-Speed-Internet und den guten, original indonesischen Kaffee aus Soma. Sonntags kann man hier allerdings nicht arbeiten; Montag bis Samstag ist von 9 bis 21 Uhr geöffnet.
Am Ende unserer drei super-spannenden Wochen ist ein bleibender Eindruck von Freiheit, Unabhängigkeit und Abenteuer entstanden, gemischt mit einem einzigartigen Business. Die Aufbruchsstimmung der Coworking- und Start-up-Szene ist deutlich zu spüren und ich bin dankbar für 8 Coworkings, 10 fantastische airbnb-Hosts, 20 Tagen unvergessliche Reise mit 100 neuen Kontakten, mehr als 1.000 tolle Eindrücke und Millionen von indonesischen Rupiah.
Zum Autor
Felix Bauer ist seit über 10 Jahren im E-Commerce Umfeld tätig. Aktuell führt er die Geschäfte des E-Commerce-Network warenkorb.com mit Sitz im Kölner MediaPark und lehrt als Dozent an der Hochschule Fresenius im Fachbereich „Electronic Commerce“. Darüber hinaus berät er Onlineshop Betreiber als freiberuflicher E-Commerce-Consultant im Bereich der Suchmaschinen- und Conversionoptimierung.
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