Gastbeitrag von Jörg Binnenbrücker
Gründergeist – vom urbanen Phänomen zum Mainstream
Geht es um den Gründerstandort Deutschland, so ist Berlin national und international die Stadt, die symbolisch für den deutschen Gründergeist steht. Auch die Zahlen sprechen hier für Berlin, denn in keiner Stadt wird so viel gegründet wie in der Spreemetropole. In naher Zukunft wird sich an dieser Position sicherlich auch nicht viel ändern. An sich ist es für ein Land immer von von Vorteil, einen Leuchtturm zu haben der exemplarisch für die Stärke in einem Wirtschaftssektor steht. Gleiches gilt in Europa für London und Stockholm oder auch in Israel für Tel Aviv. Auf der anderen Seite verdeckt diese prominente Rolle unserer Hauptstadt die Entwicklungen, die an anderen Orten in Deutschland von statten gehen. In den letzten Jahren sind in München,Hamburg und Köln beachtliche Ökosysteme entstanden, auch andere Metropolregionen ziehen nach. Wir haben uns im Jahr 2016 einmal angeschaut, aus welchen Orten in Deutschland uns die meisten relevanten Pitchdecks erreichen. Bei der Auswertung der mehr als 1300 Ideen ist klar geworden, dass eine Region bei der Debatte regelmäßig unter den Tisch fällt: Die deutsche Provinz.
Vom urbanen Phänomen zum Mainstream
Obwohl die üblichen fünf Startup-Cluster (Berlin, München, Hamburg, Köln und Frankfurt) rund die Hälfte der Anfragen ausmachen, kamen ganze 35 % der Pitchdecks aus Teilen von Deutschland, die keiner Großstadt zuzuordnen sind. Die große Frage, die sich daraus ergibt, lautet also: Woher kommen diese lokalen Ökosysteme in der deutschen Startup-Landschaft und wie sind sie organisiert? Einen Erklärungsansatz dafür liefert die Tatsache, dass Entrepreneurship in Deutschland in vielen Teilen der Gesellschaft mittlerweile eine starke Rolle spielt. Universitäten starten Gründungsprogramme, Leitmedien fügen ihrem Wirtschaftsressort einen Digitalteil hinzu und mit der “Höhle der Löwen” erreicht ein TV-Format über Startups enorm hohe Reichweiten.
Dreh- und Angelpunkt der jungen Digitalwirtschaft bleibt allerdings Berlin, dass 27 % aller Beteiligungsanfragen innehält. Platz zwei bildet München mit 17 %, Platz drei Hamburg mit 7 %. Den vierten Platz markiert Köln mit 5%, gefolgt von Frankfurt mit 4%. Frankfurt ist damit dank FinTech Boom der Shootingstar des Jahres. Die starken Zahlen deutscher Großstädte zeigen, dass ein funktionierendes Ökosystem immer noch den beste Nährboden für Gründungsinitiativen darstellt. Nichtsdestotrotz ist der Dealflow von 2016 ein starker Indikator, dass Gründertum in Deutschland vom Nischenthema in den Mainstream gewachsen ist. Venture Capital Firmen, Gründer, Medien und andere Influencer aus der Startup-Welt müssen dieses Momentum nutzen und ihren Horizont auf ländliche Regionen außerhalb bekannter Metropolen ausweiten. Nur so können sie auch in Zukunft alle wesentlichen Ideen von Morgen identifizieren.
Chancen für etablierte Startups
In der Vergangenheit spielten Startups in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit für die deutsche Wirtschaft keine besonders große Rolle. Auch wenn Startups hier aufholen, geht es in der Wirtschaftsberichterstattung vordergründig nachwievor um DAX Konzerne und den Mittelstand. Zur Wahrheit gehört mittlerweile jedoch auch, dass junge Startups von einst, sich mittlerweile zu profitablen Mittelständlern entwickelt haben und in ihren Branchen internationale Marktführer sind. Auch sie tragen zur Erfolgsgeschichte der deutschen Wirtschaft bei.
Passend zum Thema: “Gründen in der Provinz – Vor- und Nachteile für Start-ups” und “Gründen in der Provinz: Personalstrategien für Start-ups”
Zum Autor
Jörg Binnenbrücker ist Managing Partner bei Capnamic Ventures. Er hat Capnamic Ventures gegründet und gemeinsam mit Christian Siegele 2013 ins Leben gerufen. Seit mehr als 16 Jahren bewegt sich Jörg Binnenbrücker in der Venture Capital- und Private Equity-Szene. Vor der Gründung von Capnamic Ventures hat er DuMont Venture, die Beteiligungsgesellschaft der Mediengruppe M. DuMont Schauberg, als Gründungspartner und Geschäftsführer aufgebaut und dabei wesentlich zur Digitalstrategie des Hauses beigetragen. Zwischen 2007 und 2012 betreute er bei DuMont Venture 24 Investments und zwölf Exits. Zuvor war Jörg Binnenbrücker Senior Investment Manager beim High-Tech-Gründerfonds.
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