Von Alexander
Mittwoch, 18. Januar 2017

“Der bloße Akt des Geldinvestierens ist eher banal”

"Wie jeder VC eröffnen wir unseren Companies natürlich unser breites Netzwerk, helfen zum Beispiel mit Kontakten in Industrie und zu Investoren für Folgerunden. Aber vor allem helfen wir operativ mit unserem 100-köpfigen Expertenteam", sagt Anton Waitz von Project A Ventures.

Der Berliner Geldgeber Project A Ventures investiert seit einigen Jahren in deutsche und ausländische Start-ups. Im aktuellen Funds der Hauptstädter sind beachtliche 120 Millionen Euro. Im VC-Interview mit deutsche-startups.de spricht Anton Waitz, seit dem Herbst des vergangenen Jahres General Partner bei Project A, über Innovationen, Neugier und Menükarten.

Reden wir über Geld. Was genau reizt Dich daran, Geld in Unternehmen zu investieren?
Der bloße Akt des Geldinvestierens ist ja eher banal – aber das, was davor und danach passiert, ist enorm reizvoll: Im Investmentprozess überhaupt erstmal die richtigen Gründer zu finden, sich ein Bild von Unternehmen und Geschäftsmodell zu machen und auf dieser Grundlage eine Investmententscheidung zu treffen – all das sind herausfordernde, aber eben auch extrem spannende Aufgaben. Und wenn das Geld dann auf dem Konto des Start-ups ist, geht die eigentliche Herausforderung erst los: den Gründern dabei zu helfen, außergewöhnliche Unternehmen aufzubauen. Als VC hast Du das Privileg, ständig von Anfang an dabei zu sein. Das gilt sowohl für die konkreten Unternehmen, in die wir investieren, aber auch ganz allgemein für die digitalen Innovationen, die wir jeden Tag sehen. Man hat wirklich das Gefühl, am Puls der Zeit zu sein. Und da gibt es wohl kaum etwas Reizvolleres.

Wie wird man eigentlich Venture-Capital-Geber – wie bist Du Venture-Capital-Geber geworden?
Den geradlinigen Karriereweg mit dem Ziel VC gibt es nicht. In der Regel sind es Leute, die nicht in Karriereleitern gedacht haben, sondern schon immer eine große Neugier und Leidenschaft für das hatten, was sie gerade machten – ehemalige Gründer zum Beispiel, wie einige meiner Partner bei Project A. Auch ich habe mich immer von meinen Interessen leiten lassen und bin entsprechend einen ziemlichen Zickzack-Weg gegangen. Jura studiert, Erfahrungen im Private Equity-Bereich gesammelt und dann im Büro des Axel Springer-CEOs Mathias Döpfner gelandet. Für Axel Springer bin ich dann in die USA gegangen, um das Venture Capital-Geschäft aufzubauen. Dort habe ich dann auch meine Leidenschaft für dieses Geschäft entdeckt und wusste: das will ich weitermachen.

In der VC-Welt wird oftmals mit Millionenbeträgen hantiert, wird Dir da nicht manchmal mulmig zumute – bei diesen Summen?
Mulmig nicht, aber natürlich sind wir uns der Verantwortung bewusst, die wir unseren eigenen Investoren gegenüber haben. Denn wir legen ja vor allem fremdes Geld an – beteiligen uns als Partner allerdings auch in nicht geringem Maße mit an dem Fonds. Die Frage: „Würdest Du denn auch Dein eigenes Geld investieren?“ ist also für uns keine theoretische. Wenn man diese Frage aber nach ausführlicher Prüfung des Investmentobjekts und Für- und Abwägung im Partnerkreis mit „Ja“ beantworten kann, dann ist einem dabei auch nicht mulmig zumute.

Was sollte jeder Gründer über Euch – als VC – wissen – wie etwa grenzt Ihr Euch von anderen Investoren ab?
Die Frage ist für uns als Project A eine Steilvorlage, denn mit unserem sehr operativen Ansatz differenzieren wir uns stark von den anderen VCs im europäischen Wettbewerb. Während der normale VC vor allem aus Investment-Partnern und Managern auf der Jagd nach neuen Deals besteht, haben wir neben unserem Investment-Team rund 100 operative Experten bei Project A beschäftigt, die exklusiv mit unseren Portfolio-Unternehmen zusammenarbeiten. In Europa gibt es keinen vergleichbaren „Operational VC“-Ansatz, in den USA ist Andreessen Horowitz mit einem ähnlichen Modell bekannt geworden.

Welche Unterstützung bietet Ihr – neben Geld?
Wie jeder VC eröffnen wir unseren Companies natürlich unser breites Netzwerk, helfen zum Beispiel mit Kontakten in Industrie und zu Investoren für Folgerunden. Aber vor allem helfen wir operativ mit unserem 100-köpfigen Expertenteam. Es unterstützt die Startups in erfolgsrelevanten Bereichen wie IT, Online Marketing, Business Intelligence, HR, PR oder Sales. Bereits im Due Diligence-Prozess setzen wir uns mit den Unternehmern und den jeweiligen Experten zusammen und versuchen zu verstehen, wie wir den Startups helfen können. Die Startups können dann die gewünschten Serviceleistungen quasi wie aus einer Menükarte auswählen – manchmal ist das nur intellektueller Input, häufig aber auch richtige operative Manpower. Beispielsweise kann das Startups in sehr früher Phase erlauben, nicht gleich ein komplettes IT-Team anstellen zu müssen, sondern sich erst einmal an unseren Project A-Ressourcen zu bedienen, um eine solide initiale Infrastruktur aufzubauen. Solche Projekte gehen dann meistens über einen intensiven Zeitraum von ein paar Monaten – immer mit dem klaren Fokus auf den Aufbau eines eigenen Teams im Venture, bei dem unsere Recruiter dann ebenfalls unterstützen können. Wir legen außerdem viel Wert auf Wissenstransfer im Portfolio. Deshalb gibt es regelmäßige fachspezifische Treffen und Meetups innerhalb der Project A-Familie, bei denen sich die Ventures untereinander kennenlernen und austauschen können. Da kommt eine Menge Wissen von Thought Leadern aus unterschiedlichen Bereichen zusammen.

Wie organisiert Ihr den Austausch mit Euren Portfolio-Firmen, welche Tools nutzt Ihr?
Anfangs gibt es eine sehr intensive Zusammenarbeit zwischen uns und dem Startup. Wir versuchen auf Partnerebene etwa alle zwei Wochen in Kontakt zu stehen, meist sogar häufiger. In den meisten Fällen gibt es auch einen regelmäßigen Austausch auf fachlicher Ebene, etwa mit unserem Head of Marketing oder Head of BI. Und wie gesagt: oft arbeiten im ersten Jahr Leute von uns in den Startups mit, bis sie sich selbst quasi überflüssig gemacht haben und dann gegebenenfalls nur noch beratend zur Seite stehen. Als Tool gibt es zum Beispiel einen Portfolio-weiten Slack Channel, in dem wir uns austauschen. Viel funktioniert über Google Applications wie Drive oder Docs, aber auch klassische Project Management Tools wie Asana und Trello werden genutzt. Da tickt jedes Team bei Project A und den Ventures im Portfolio ein wenig anders. Viel funktioniert auch einfach per E-Mail, Telefon oder idealerweise im persönlichen Gespräch.

Wie entscheidet Ihr, ob Ihr in ein Start-up investiert: Bauchgefühl, Daten, Beides oder was ganz anderes?
Beides. Alles, was an Daten vorliegt, analysieren wir in unserer Due Diligence sehr genau und machen uns ein Bild vom Status Quo des Unternehmens. Dann fragen wir uns bei jedem Geschäftsmodell, woran wir zukünftig glauben müssen, um davon auszugehen, dass es funktioniert. Diese Hypothesen versuchen wir so weit es geht mit Daten zu unterfüttern. Aber es bleibt natürlich auch immer ein gutes Stück Ungewissheit. Da kommt dann der Glaube an das Team und entsprechend immer auch das Bauchgefühl ins Spiel. Wenn wir uns nach diesem Prozess wohlfühlen mit der Entscheidung, dann investieren wir.

Nicht jedes Start-up läuft rund, nicht jedes wird ein Erfolg. Was macht Ihr, wenn eine Eurer Beteiligungen in Schieflage gerät?
Da wir aufgrund unseres operativen Ansatzes sehr nah an den Unternehmen dran sind, können wir Schieflagen früh erspüren und haben dann die entsprechenden Mittel, um gegenzusteuern. Rein operativ gelingt uns das natürlich nicht immer. Manchmal können wir zum Beispiel nicht vermeiden, dass ein Unternehmen, das zu schnell gewachsen ist, sich von Mitarbeitern trennen muss. Das ist natürlich immer eine unschöne Situation. Dann versuchen wir – meist auf Partnerebene – den Gründern eng zur Seite zu stehen und das Unternehmen gemeinsam durch die Krise zu navigieren.

Und woran merkt Ihr, dass Ihr bei einem Start-up die endgültige Reißleine ziehen müsst?
Grundsätzlich dann, wenn wir die oben erwähnten Ausgangshypothesen nicht mehr glauben können und es uns auch nicht gelingt, neue Hypothesen für eine erfolgreiche Zukunft des Unternehmens zu entwickeln. Eine Abschreibung ist natürlich immer die Ultima Ratio, die wir unter allen Umständen zu vermeiden versuchen. Aber sie gehört zum VC Geschäft dazu, auch wenn es hart ist.

Gebt Ihr uns einen Einblick in Euer Anti-Portfolio – bei welchen, jetzt erfolgreichen, Firmen seid Ihr leider nicht eingestiegen?
Der Ärger über vertane Chancen ist ja immer eine sehr persönliche Angelegenheit. Und da ich bei Project A erst seit 2016 am Start bin, ist es mir noch nicht möglich entsprechend zurückzuschauen. Während meiner Zeit bei Axel Springer in den USA hätte ich nachträglich gern in Giphy investiert, der heute sehr erfolgreichen Suchmaschine für animierte GIFs, die ich damals in einer frühen Phase kennengelernt hatte.

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Foto (oben): Saskia Uppenkamp