Praxistipps von Uwe Hamann
Wer seine Umsatzquellen nicht diversifiziert, verliert
Wie sicher viele Unternehmer und Unternehmerinnen musste auch Uwe Hamann viel und immer wieder Lehrgeld bezahlen, um seine Firmen am Laufen zu halten und dafür zu sorgen, dass profitabel gearbeitet werden kann und das Geschäft skaliert. Mehr als einmal drohte alles zusammenzubrechen. Hier ist seine Geschichte:
Von Null auf 25 Mitarbeiter in gut 3 Jahren
Die Geschenke 24 GmbH habe ich Anfang 2009 gemeinsam mit einer Mitarbeiterin gegründet. Wir verkauften Geschenke online in einem eigenen Shop.
Das Geschäft lief super an, so dass wir bereits nach 2 Monaten einen weiteren Mitarbeiter aus der Arbeitslosigkeit holen und einstellen konnten.
SEO sei Dank lief das Geschäft immer besser. Es kamen so viele Besucher, dass wir selbst mit einem schlechten Shop und einem noch längst nicht ausgereiften Sortiment sehr schnell mehr Bestellungen hatten, als uns lieb war.
Das Geschäft skalierte so schnell, dass wir uns überhaupt keine Gedanken über die Zukunft machten, schon gar keine strategischen.
Wir haben einfach abgearbeitet, was das Tagesgeschäft forderte. Weder gab es saubere Prozesse im Marketing noch einen guten Plan für das Sortiment. Es ging einfach alles viel zu schnell.
So ging es bis 2012 stramm weiter. Mittlerweile arbeiteten über 25 Kollegen die Aufträge ab und 80 % der Umsätze kamen über SEO. Das war einerseits super, weil es für mich einfach war, neue Besucher zu generieren. Andererseits aber war es eine tickende Zeitbombe. Die dann auch in Etappen explodierte.
Den ersten Einschlag gab es im April 2012 mit dem Penguin Update von Google. Unsere damals größte Umsatzquelle, ein eigenes Geschenke-Portal mit bis zu 5 Mio. Besuchern im Jahr hatte von heute auf morgen massiv an organischen Rankings bei Google verloren.
Damals tat das weh, war aber noch gut verschmerzbar. Denn wir hatten diverse Shops parallel hochgezogen, die gut rankten.
Aber die erwischte es etwa 1 Jahr später mit dem Hummingbird-Update von Google. Etwa 40 % der Einnahmen fehlten. Innerhalb von nur 4 Wochen. Wenn man 25 Mitarbeiter hat, geht das schon richtig an die Substanz. Man muss sich die Frage stellen, wie es weiter gehen kann und sollte. Muss man Mitarbeiter entlassen?
Google Updates… Und nun?!
Um die Firma zu retten und niemanden entlassen zu müssen, haben wir alles in Frage gestellt. Alles. Nichts und niemand waren tabu: Ich als Geschäftsführer, meine Entscheidungen, das Sortiment, die Shop-Technik, die Prozesse, die Produkt-Bilder, das Online Marketing, …
An genau dieser Stelle meines Lebens hatte ich das Glück, sehr Wichtiges dazuzulernen. Bis hierher bestand Online Marketing für mich aus SEO. Punkt. Von Karl Kratz – danke! – lernte ich, dass SEO mitnichten das Ende der Online Marketing-Fahnenstange ist. Online Marketing beinhaltet so viel mehr.
Wir haben also die Ärmel hochgekrempelt und Geschenke 24 von Grund auf neu aufgestellt, angefangen beim Wesentlichen, dem Sortiment sowie bei der Technik und den Shop optimiert. Um auf mobilen Geräten den Kauf zu erleichtern, haben wir ein responsives Shop Design entwickelt und folgten damit früh einem Trend, der damals gerade erst aufkam. Ebenso haben wir die Struktur des Shops verbessert. Diese Erleichterungen ihrer Customer Journey nahmen die Kunden dankbar an.
Neben der Technik wurden das Sortiment verbessert und die Produkt-Texte neu geschrieben, damit unsere Kunden besser verstehen, was wir verkaufen. Wir haben quasi unser Produkt – den Online-Marktplatz – verbessert. Das war aber nicht alles.
Zusätzlich haben wir uns bereits 2013 nach Alternativen zum organischen Traffic umgesehen. Eine einfache und sehr naheliegende Alternative ist Google Adwords. Ja, auch Adwords sind wieder von Google, aber deutlich besser kalkulierbar als die organischen Ergebnisse. Neben Google gibt es auch Bing und Yahoo als Suchmaschinen, bei denen man ranken und Anzeigen schalten kann. Hatten wir diese bisher komplett außen vor gelassen, widmeten wir uns jetzt auch ihnen.
Und wir fragten uns: Wo noch suchen Besucher nach Geschenken?
Sie suchen auf Produkt-Marktplätzen wie Amazon und Dawanda, bei Geschenke-Portalen, bei themennahen Portalen zu Geschenke-Anlässen wie Hochzeit, Taufe und Co. und in Magazinen, die sich mit Anlässen beschäftigen, zu denen man etwas schenkt.
Diese zusätzlichen Umsatzquellen haben wir gesucht, gefunden und unsere Produkte auch dort beworben oder direkt verkauft.
So waren wir nicht mehr nur vom organischen Traffic von einer Suchmaschine abhängig, sondern konnten die Abhängigkeit von 80 % auf ca. 20 % reduzieren. Jetzt ich konnte erst einmal etwas ruhiger schlafen.
Wie verhindert man solche GAUs?
Am besten lässt man es gar nicht so weit kommen. Hier die Tipps, die ich Unternehmern auf den Weg geben würde.
Diversifikation: Nie nur auf eine Umsatzquelle setzen
Man sollte dafür sorgen, mehrere Einnahmequellen zu erschließen, die gleichzeitig Umsatz bringen. Idealerweise startet man sein Geschäft schon auf der gesunden Basis eigener Rücklagen plus mehrerer paralleler Umsatzquellen.
Immer wieder legt man den Fokus auf Diversifikation. Am besten dann, wenn das Geschäft gerade gut läuft, damit man finanziell einigermaßen entspannt ist und kreativ an die Entwicklung neuer Ideen gehen kann.
Für Händler bedeutet Diversifikation, neue Produkte auf den Markt zu bringen und neue Plattformen für den Verkauf zu erschließen. Dazu kann auch heutzutage noch durchaus der Offline-Handel gehören.
Je nach Geschäftsmodell gibt es immer mehrere Plattformen, die man nutzen kann. Shop-Betreiber können z.B. über Amazon, Idealo, Dawanda, Ebay, Etzy, Themen-Portalen, Facebook, Pinterest, Youtube und Co. direkt verkaufen oder auch werben. Je nach Geschäftsmodell. Und je nachdem, wo die Zielgruppe aktiv einen Bedarf oder ein Problem äußert.
Dienstleister sind gut beraten, keinesfalls nur 1 oder 2 Haupt-Kunden gleichzeitig zu bedienen, sondern immer mindestens 5 bis 6 größere Projekte in Arbeit zu haben, damit sie bei Wegbrechen eines Auftrags nicht quasi vor dem Nichts stehen.
Diversifikation kann auch bedeuten, Wege zu finden, denselben Kunden mehrfach abzuholen, also den Customer Livetime Value zu erhöhen durch geeignete Maßnahmen, die aus Käufern glückliche und treue Kunden machen oder aufeinander aufbauende Produkte.
Vielseitig agieren auch bei den Sales- und Marketing-Maßnahmen
Im Folgenden einige Sales- und Marketing-Ideen, die wichtig sind, aber oft vernachlässigt werden:
Da werben und redaktionell stattfinden, wo die Kunden sind: Man sollte gut nachdenken, wo die Zielgruppe unterwegs ist und überlegen, wie man sie dort erreichen kann. Wir verkaufen z. B. auch Hochzeitsdekoration. Daher sind wir auch an Hochzeitsplaner herangetreten. Ein anders Beispiel: Professionelle Baby-Fotografen können ihre Flyer in der Nähe des Kreißsaals regionaler Krankenhäuser platzieren.
Auch Spezialforen oder geschlossene Systeme, Frage-Antwortportale können hilfreich sein. In unserem Fall sind das z.B. Hochzeitsportale oder -Foren, gutefrage.net, thematische Facebook-Gruppen etc.
Retarketing nutzen: Je Zielseite kann man genau die Werbung ausspielen, die für den Besucher interessant ist. Kein Gießkannenprinzip. Das kostet nur unnötig Geld.
Newsletter-Abonnenten-Liste aufbauen: Exzellente eigene Newsletter (oder besser: Everletter, weil dieser von Karl Kratz geprägte Begriff mehr nach Kontinuität und nicht so kampagnen-orientiert klingt wie Newsletter) zahlen auf zig Marketing-Ziele gleichzeitig ein. Oft vergessen wird die Möglichkeit, auch in den Newslettern – Everlettern ;-) – Anderer stattfinden zu können. Wie bei vielen Maßnahmen sind beim E-Mail- oder Newsletter-Marketing A/B-Tests sehr wichtig, um die wichtige Tonalität zu finden.
Durch ausgezeichneten Kunden-Service Käufer zu glücklichen Stammkunden machen: Biete den besten Service, den man nur bieten kann. Stelle die Kunden zufrieden und sie kaufen wieder.
Partner für Kooperationen finden (Crossmarketing, Affiliate…), z. B. Preissuchmaschinen, Themen-Portale, Magazine etc.
Affiliate Marketing nutzen: Eigenes Programm oder über Netzwerke oder beides
Social Media-Kanäle wie Facbeook, Instagram, Pinterest, YouTube, Snap Chat… für Verkauf, Markenführung, Expertenpositionierung nutzen. Auf YoutTube z.B. Nutzen des Produkts zeigen, Viralität erzeugen, mit Influencern kooperieren.
Influencer Marketing betreiben für Markenführung, Abverkauf, Community-Aufbau etc. nutzbar.
Empfehlungs-Marketing betreiben, z.B. Gutscheine für Freunde bereitstellen.
Portale und Plattformen nutzen, um ungefiltertes Kundenfeedback und Emotionen beim Kauf direkt zu sehen.
Offline-Werbung: Eigene Flyer, Flyer-Tausch, regionale Werbung, Radio-, TV-Werbung etc. Testen. Je Produkt kann etwas anderes funktionieren.
Und last not least: Eine fitte und leistungsstarke Sales-Mannschaft aufbauen, indem man selbst Vertriebler anstellt oder freiberufliche Vertriebs-Experten engagiert.
Vertrauen und einen guten Ruf aufbauen
Mit einer starken Marke generiert man Reichweite und Vertrauen bei den potenziellen Kunden. Eine Marke aufzubauen und zu führen, gehört deshalb zu den wichtigsten Aufgaben eines Unternehmens.
Man lässt das Unternehmen selbst und Produkte zu Marken wachsen. Als Freiberufler oder Selbstständiger lässt man seine eigene Person zur Marke werden. Felix Beilharz (Experte für Social Media und Online Marketing) und Karl Kratz (Online Marketing-Experte und Vordenker) haben das aus meiner Sicht hervorragend hinbekommen. Wer die 2 Experten nicht kennt, sollte ihnen folgen und lesen, welche Gedanken sie in die Welt tragen.
Kostenlos hochwertige Informationen bereitstellen z. B. in Form von E-Books oder Whitepapers, damit potentielle Kunden und andere fürs Geschäft Wichtige sehen, dass man Experte ist. Ist teils hervorragend mit Content-Marketing und Seeding (platziere deine Inhalte in Teilen in anderen Medien, Blogs, Portalen etc.) kombinierbar und beides wird durch die Wechselwirkung noch effektiver.
Um sich als Experte zu positionieren in einer Nische oder einem Fachgebiet und bekannter zu werden, kann man auch z.B. Gastartikel in Fachmagazinen schreiben, Gastvorträge an Universitäten und Vorträge auf Fach-Konferenzen halten oder Webinare und Podcasts anbieten.
Eine eigene, aktiv betreute Facebook-Community, z.B. eine gut gepflegte, den Dialog hegende Facebook-Page oder sogar eine eigene Facebook-Gruppe kann super für den eigenen Marken- und Reputationsaufbau sein, kann außerdem Kunden binden, Leads generieren, fantastische Networking-Effekte haben…
Massiv unterschätzt bzw. oft zumindest in der Praxis zu stark vernachlässigt wird immer noch das Empfehlungs- und Bewertungs-Marketing. Weder als Produzent, noch als Händler oder Dienstleister darf man diesen Bereich vernachlässigen, denn nichts wirkt vertrauensbildender und damit kauf-entscheidender als glaubwürdige Empfehlungen und Gütesiegel.
Es gibt Geschäftsmodelle, bei denen man nur von Empfehlungen und Stammkunden leben kann. Man sollte um Empfehlungen bitten, ein gutes Bewertungs-Portal nutzen und keine Gelegenheit auslassen, Bewertungen zu erhalten.
Ein richtig guter Unternehmer werden
Die wichtigste Aufgabe eines Unternehmers ist es, AM Unternehmen statt IM Unternehmen zu arbeiten. Er muss strategisch planen, lenken und arbeiten statt Tagesgeschäft abzuarbeiten.
Für viele Unternehmer, die ‘klein’ angefangen haben, ist das eine besonders schwer zu meisternde Hürde: Sie müssen frühzeitig beginnen, sich zunehmend aus dem Tagesgeschäft zurückzuziehen.
Man sollte dafür sorgen, dass man sein Unternehmen so aufstellt und aufbaut, dass man es theoretisch jederzeit an einen Nachfolger übergeben kann. Ich nenne es gern: ‘Ich arbeite daran, mich arbeitslos zu machen.’ Warum ist das wichtig?
So lange man so sehr im Tagesgeschäft eingebunden ist, dass keine Zeit für strategisches Arbeiten ist, sollte man etwas ändern. Der Unternehmer hat den ganzheitlichen Blick aus der Vogelperspektive und sorgt dafür, dass das Unternehmen strategisch zukunftssicher aufgestellt ist und dass es auch bei personellen Ausfällen von Schlüsselpositionen weiterbestehen kann.
Außerdem braucht er zeitlichen und mentalen Freiraum für die eigene Weiterbildung und fürs Networken, denn nur so kann er am Ball bleiben und mehr oder weniger formelle Allianzen bilden, die heutzutage unabdingbar für den Erfolg eines Unternehmens sind.
Auch mir fällt es in manchen Punkten leichter als in anderen, mich aus dem Tagesgeschäft herauszuziehen. Bis heute schaffe ich es nicht, das Online-Marketing komplett zu delegieren. Ich war und bin der SEO und der Online-Marketer im Unternehmen, obwohl ich inzwischen exzellente Mitarbeiter auch in diesem Bereich habe. Aber es macht mir einfach viel zu viel Spaß. Daher werde ich weiter im und am Unternehmen parallel arbeiten. Ich liebe Online Marketing, es ist einfach meine Passion. Und bei allen strategischen Notwendigkeiten: Ein bisschen Spaß muss sein.
Wahrscheinlich hat jeder Unternehmer irgendeine ‘Steckenpferd’-Aufgabe, die er einfach nicht abgeben mag. Umso wichtiger, dass er möglichste viele andere Aufgaben eliminiert, automatisiert oder delegiert:
Kill your darlings: Die Prozesse und Aufgaben im Unternehmen tabulos prüfen, was unbedingt benötigt wird und was ersatzlos gestrichen werden kann. Auch, wenn es sich dabei um liebgewonnene Aufgaben und Rituale handelt.
Saubere, schlanke Prozesse schaffen, entlang derer das Tagesgeschäft von den Mitarbeitern – nicht vom Unternehmer selbst ;-) – abgewickelt wird. Auch die Steuerung des Teams können Mitarbeiter übernehmen.
Prüfen, welche Aufgaben schlauerweise outgesourct werden sollten an Freelancer, Agenturen oder spezialisierte Dienstleister. Nicht jeder Job wird im eigenen Unternehmen am besten und kostengünstigsten erledigt.
Und ganz wichtig: Die Aus- und Weiterbildung des Teams immer im Fokus haben. Gut ausgebildete Mitarbeiter machen weniger Fehler, bringen innovative Ideen ein, sind zufriedener und glücklicher und können sich in Engpass-Situationen leichter gegenseitig aushelfen.
Fazit:
- Wenn Du Inhaber, Geschäftsführer eines Unternehmens bist, lerne, ein guter Unternehmer zu sein, entwickle die Skills, die Du als Unternehmer brauchst und lebe sie.
- Erstelle mit deinem Team saubere und gut funktionierende Prozesse. Zuerst für die wichtigsten Themen, später nach und nach für alle weiteren Abläufe.
- Sorge für mehrere Umsatzquellen. Sorge für so viele Umsatzquellen, dass Dein Unternehmen auch dann noch gut klarkommt, wenn plötzlich 1 oder gar 2 davon komplett wegbrechen.
Zur Person
Uwe Hamann hatte bereits als 6-Jähriger das Ziel, ein eigenes Unternehmen zu gründen. Nach Informatik-Studium und ersten Berufserfahrungen als IT-Berater war es dann 2006 soweit, dass er presents4friends.com gründete, das dank SEO zum meistbesuchten Geschenke-Portal im deutschsprachigen Raum avancierte.
2009 gründete Hamann – inzwischen richtig fit in Sachen SEO, Online Marketing und alternativen Suchsystemen – die Geschenke 24 GmbH, unter der zeitweilig bis zu 15 Geschenke-Shops liefen. Von Kundenakquise über Personalisierung der Geschenke bis zum Versand führt sein über 30-köpfiges Team alle Prozesse selbst aus. Seit 2015 wurden die einzelnen Shops nach und nach in geschenke24.de zusammengefasst und die Marke Geschenke 24 aufgebaut.