Manuel Wesch im Pivot-Interview

“Ab und zu einen Schritt zur Seite machen”

"Man sollte sich ab und zu hinterfragen, ob der eingeschlagene Weg der Richtige ist und nicht ewig auf seiner Grundidee beharren. Es sind so viele Faktoren, welche über ein direktes Gelingen oder nicht gelingen entscheiden. Ist der Markt bereit? Wie ist der aktuelle Investment Trend?", sagt Manuel Wesch von Shäre.
“Ab und zu einen Schritt zur Seite machen”
Dienstag, 13. Dezember 2016VonAlexander

In unserem Themenschwerpunkt Pivot geht es um Start-ups, die ihren Kurs geändert haben. Grundsätzlich hat sich ein strategischer Kurswechsel bei vielen Startups bewährt. Statt ein totes Pferd zu reiten, ist ein Pivot immer die bessere Entscheidung. Im Pivot-Interview mit deutsche-startups.de spricht Manuel Wesch, Mitgründer der jungen Mobilitätsfirma Shäre, über Marketingbudgets, Umstrukturierungen und die Außendarstellung des Start-ups.

Shäre-a-Taxi ging 2015 als App an den Start, mit der Nutzer die Kosten für eine Taxifahrt teilen können. Inzwischen seid Ihr im B2B-Segment unterwegs und bietet “digitale Mobilitätslösungen für Unternehmen” an. Warum habt ihr Euer Geschäftsmodell geändert?
Wir haben Shäre Mitte 2014 in München gegründet und gingen im Januar 2015 mit der App Shäre-a-Taxi an den Start. Mit Shäre-a-Taxi lässt sich ein Taxi bestellen, bezahlen und mittels intelligenten Algorithmen mit anderen Mitfahrern teilen. Mit der App sprachen wir anfangs allen voran eine junge, studentische und preissensible Zielgruppe an. Obwohl wir unsere Marketing-Aktivitäten sehr intelligent und effektiv gestaltet haben, war dies der größte Kostentreiber. Wir hatten es mit unserem relativ geringen Marketingbudget zwar geschafft, die Zielgruppe in München erfolgreich zu erreichen, jedoch hätten die Marketingspendings noch weitaus höher sein müssen, um die nötige Traction zu generieren und letztendlich zu skalieren.

War dies das einzige Problem?
Zu diesem Zeitpunkt, vor über zwei Jahren, war zudem weder die Taxibranche noch der Mobilitätsmarkt für diese Form des neuartigen Sharing Ansatzes bereit. Heute sieht das schon anders aus.

Wie ging es dann weiter?
Wir standen kurz vor dem Abschluss einer hohen sechsstelligen Finanzierungsrunde, haben uns an diesem Punkt jedoch bewusst gegen die Aufnahme von externem Risikokapital entschieden. Wir wollten unser Unternehmen nicht künstlich in einem Umfeld aufblasen, in welchem der Markt noch nicht bereit ist und die direkte und indirekte Konkurrenz am Ende definitiv die größeren Ressourcen hat. In dieser Zeit bekamen wir auch vermehrt Anfragen aus dem B2B-Bereich nach individuellen Mobilitätskonzepten aufbauend auf unserer Technik und Erfahrung mit der Shäre-a-Taxi App. Hier haben wir für uns und das Unternehmen das größere Potenzial in einer intelligenten Ausrichtung im B2B-Segment gesehen und die strategische Umstrukturierung eingeleitet.

Was genau bietet ihr nun an?
Wir beraten, konzipieren und entwickeln etwa individuelle Mobilitätsplattformen. Weiter bieten wir unsere Shäre-API anderen Unternehmen – etwa Travel-Apps – an. Zudem verkaufen wir individuell angepasste Whitelabellösungen der Shäre-a-Taxi App und der WelcomeRide-Plattform und helfen bei der Unternehmensausrichtung für eine grüne, urbane Mobilität.

Was war die größte Herausforderung, was die größte Schwierigkeit bei diesem Wandel?
Keine Schwierigkeit, aber eine Herausforderung war sicherlich sich nun auch persönlich in der Branche als Experte und Ansprechpartner in Sachen digitaler Mobilität zu behaupten und zu etablieren. Gerade im B2B-Segment ist eine gewisse Reputation und Glaubwürdigkeit unabdingbar. Diese mussten wir uns erst einmal erarbeiten. Mit der Taxibranche ist uns dieser Sprung ins kalte Wasser damals sehr gut gelungen und daher waren wir auch hier sehr zuversichtlich. Letztendlich ist uns auch dieser größere Schritt gelungen. Mittlerweile sind wir bei diversen Messen und Kongressen wie bspw. IAA, wocomoco oder für das Bundesministerium und der giz als Speaker und Disskussionsteilnehmer gefragt. Das hilft uns sehr, direkt in der Branche verankert zu sein und mit unserer Vision die Zukunft der urbanen Mobilität mitzugestalten. Diese neue Ausrichtung galt es natürlich auch an unsere neuen Kunden zu kommunizieren. In vielen Köpfen waren wir als das Unternehmen Shäre-a-Taxi verankert. Mit dem neuen Unternehmensauftritt der Shäre mobility innovation gelingt uns aktuell auch ein Umdenken in der Außendarstellung.

Wie genau haben Eure Kunden auf die Veränderung reagiert?
Die App ist immer noch in den Stores aktiv und somit für jedermann verfügbar. Jedoch bewerben wir das Produkt in diesem Segment seit einem knappen Jahr nicht mehr aktiv. Da kamen natürlich Fragen auf, wieso es um die App so ruhig geworden ist. Unser treuer Kundenstamm nutzt unseren Service der App Shäre-a-Taxi immer noch und ist sehr zufrieden. Auch ohne aktives Marketing generieren wir immer noch täglich neue Kunden, welche sich freuen mit Shäre-a-Taxi kostengünstig und ressourceneffizient Taxi fahren zu können. Von der gesamten Community erhalten wir durchweg nur positive Stimmen, Unterstützung und Verständnis für diesen Wandel. Die Community ist auch immer gespannt und interessiert, was sich bei uns als nächstes tut. Hierzu zählt beispielsweise unser kürzlich gelaunchtes soziales Projekt WelcomeRide. Mit WelcomeRide wollen wir die Integration von Flüchtlingen in unserem Land fördern. Die gemeinsame Interaktion und das in Kontakt treten verschiedener Kulturen unterstützen wir im ersten Schritt mit einer kostenlosen Ridesharing Plattform.

Und wie haben Eure Investoren auf Euren Pivot reagiert?
Da wir Anfangs mit Business Angels aus unserem privaten Netzwerk gestartet sind konnten wir hier alles offen und ehrlich ansprechen. Wir hatten nicht den Druck einen großen VC auf unserem Captable zu haben, welcher diesen Pivot zum B2B-Segment vielleicht so nicht mitgemacht hätte. Natürlich wurde auch bei uns intern der Pivot diskutiert, da natürlich das anfängliche Geld in das B2C Produkt geflossen ist. Aber unsere Gesellschafter haben den Need des Pivots verstanden und unterstützen diesen auch mit allen Mitteln.

Hat sich der Wandel denn gelohnt?
Definitiv! Wir hatten uns zum Ziel gesetzt die Shäre GmbH als ein organisch wachsendes Unternehmen im Mobilitätssektor zu etablieren. Mit der aktuellen Entwicklung sind wir sehr zufrieden. Themen wie Runway bis zur nächsten Finanzierungsrunde sind bei uns vom Tisch und sorgen auch mal für ruhigere Nächte. Wir können unser Team nachhaltig aus dem laufenden Cashflow aufbauen und unsere eigene Unternehmens DNA schaffen. Gerade große Unternehmen schätzen diese Beständigkeit einer klaren Strategie und nachhaltigen Wirtschaftens. Aktuell umfasst unser Kernteam in München sechss Personen. Neben unserem Kernteam bauen wir zusätzlich über unser privates Netzwerk ein technisches Team in Rumänien auf. Wir können hier gezielt und in kürzester Zeit interdisziplinäre Projektteams aufbauen. Trotz unserer schlanken Teamgröße in München können wir dadurch auch weitaus größere Projekte annehmen, als es Unternehmen vergleichbarer Größe leisten könnten.

Welchen Tipp gibst du anderen Gründern, die vor einem Pivot stehen?
Definitiv sollte man ab und zu einen Schritt zur Seite machen, um der Betriebsblindheit zu entgehen. Hierbei hilft es auch, sich Sparringspartner wie beispielsweise einen aktiven Beirat ins Boot zu holen. Uns hat das extrem geholfen. Man sollte sich ab und zu hinterfragen, ob der eingeschlagene Weg der Richtige ist und nicht ewig auf seiner Grundidee beharren. Es sind so viele Faktoren, welche über ein direktes Gelingen oder nicht gelingen entscheiden. Ist der Markt bereit? Wie ist der aktuelle Investment Trend? Was passiert in der Branche? Hier muss man einfach flexibel sein und sich sagen: wir haben ein geiles Team, unsere Idee und technische Umsetzung ist super – wir verpacken das nun einfach anders. Ein Startup wird nie im direkten Weg von A nach B verlaufen. Und das soll und muss es auch nicht. Neue Türen zu öffnen erweitert auch den eigenen Horizont und bringt einen nachhaltiger der Unternehmensvision näher, als mit Scheuklappen einer einzigen gesetzten Zielstellung zu folgen.

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Alexander

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.