Auf “Wolf of Wall Street”-Partys sollten Gründer verzichten
Die Kultur des Scheiterns ist in der Startup-Szene allgegenwärtig: Ein Großteil der Jungunternehmen schafft es nicht, langfristig erfolgreich zu sein. Das Scheitern von Startups kann viele Gründe haben. Meist liegt es daran, dass wesentliche Prinzipien missachtet werden, die für den langfristigen Erfolg entscheidend sind.
Laut DIHK-Gründungsreport 2016 ist das nachlassende Gründungsinteresse auch ein Spiegelbild der guten Konjunktur. Fähige junge Menschen finden zu Zeiten des Fachkräftemangels schnell einen Job. Warum dann ein Unternehmen gründen? Diese Entwicklung ist fatal: Leisten doch innovative Ideen und Produkte einen entscheidenden Beitrag, damit die deutsche Wirtschaft an Dynamik gewinnt. Die Lösung ist aber nicht eine Flut unausgereifter Startups. Als Insolvenzverwalter sehe ich immer wieder, dass eine gute Idee allein nicht ausreicht. Unternehmer brauchen ein solides finanzielles Fundament, betriebswirtschaftliche Kenntnisse und Branchen-Know-how, um dauerhaft wettbewerbsfähig zu sein. Wer dann doch in Schieflage gerät, sollte darauf vorbereitet sein.
Finde nicht Kunden für dein Produkt. Finde ein Produkt für deine Kunden.
Die Euphorie über die eigene, visionäre Idee vernebelt häufig den Blick für die Realität. Gründer sollten sich deshalb fragen: Bringt meine Idee einen wirklichen Zusatznutzen, der sich beim Kunden in Euro und Cent auszahlt? Wenn Kunden sagen, die Idee ist ganz nett, aber kaufen würde ich sie nicht, hat man nichts gewonnen. Damit sich ein Unternehmen etablieren kann, müssen zudem Märkte adressiert werden, die ausreichend groß sind. Das heißt: Lösen Start-ups ein Problem am Markt, das es gar nicht gibt, ist das Scheitern vorprogrammiert. Aber auch ein umfassendes Branchenwissen ist elementar. Vor allem fundierte Lieferanten- und Kundenkontakte sind in der Startphase unverzichtbar.
Schnelles Geld = schneller Erfolg?
Überdies werden am Anfang häufig grobe Kalkulationsfehler begangen. Während die einen Gründer den Umsatz des eigenen Produkts zu hoch einschätzen, vergessen andere sogar die Kalkulation grundlegender Fixkosten, von der Miete bis hin zum eigenen Gehalt. Dabei ist es entscheidend, dass Unternehmer alle wichtigen Kennzahlen taggenau abrufen können. Dies gilt insbesondere für alle Verbindlichkeiten und deren Fälligkeiten. Dazu zählen allerdings nicht nur die Kreditoren aus der Offene-Posten-Liste wie z.B. Lieferanten. Auch die Höhe und Fristen von Zahlungen an Krankenkassen, das Finanzamt, Arbeitnehmer oder Banken sind entscheidend. Und: Besonders in der Anfangszeit muss das Ausfallrisiko von Kunden einkalkuliert werden.
Bei der Finanzierung setzen junge Unternehmer seit Jahren überwiegend auf Freunde und Familie als Kapitalgeber. Aber auch Business Angels und Risikokapital-Geber gewinnen weiter an Bedeutung. Das Risiko: Solche kleinteiligen und informellen Investments sind häufig undurchschaubar; Risiken und Laufzeiten werden nicht hinreichend überblickt. Der einfache Zugang zu Kapital kann gefährlich werden. Sobald die gute Konjunktur nachlässt, ist der negative Effekt auf Jungunternehmer umso heftiger. Besonders dann, wenn Gründer über eine zu geringe Eigenkapitaldecke verfügen.
Drum prüfe, wer sich ewig bindet
Mehr als die Hälfte aller Jungunternehmen scheitert übrigens an internen Streitigkeiten, so die Berliner Startup Acadamy. Schließlich erfordert die Gründung eines Unternehmens enormen persönlichen und finanziellen Einsatz. Geschäftspartner müssen also bzgl. Strategien und Risiken an einem Strang ziehen. Das gilt nicht zuletzt für wirtschaftliche Krisen: Eine Krise kann junge Unternehmen schnell treffen. Wer aber in guten Zeiten die eigene Finanz- und Marktsituation kritisch prüft und rechtzeitig entschlossen reagiert, kann auch in Krisen wieder auf die Beine kommen, ehe es zu spät ist.
Die Ursachen für Krisen sind vielfältig: Zahlungsunfähigkeit bei Kunden oder Geschäftspartnern sowie Krankheiten oder Wirtschaftskrisen, aber auch eine unzureichende Unternehmensplanung, mangelhafte Unternehmensführung oder eine fehlerhafte Kalkulation. Für Start-ups ist es deshalb besonders wichtig, langfristig zu denken. Ein guter Unternehmer weiß mehrere Monate im Voraus, dass z.B. ein Liquiditätsbedarf durch größere Investitionen, Darlehensrück- oder Steuerzahlungen ansteht. Erwirtschaftet ein Start-up die ersten Überschüsse, sollte auf Partys à la “Wolf of Wall Street” verzichtet werden. Stattdessen gilt es, dieses Geld langfristig im Unternehmen einzuplanen und Rücklagen zu bilden. Wachstum kostet Liquidität. Wer nur wachsen will um des Wachsens willen hat schnell ein existenzielles Problem, wenn die Eigenkapitalrücklagen gering sind. Häufig haben Jungunternehmer nur den Umsatz und weniger den Ertrag im Fokus. Das kann schnell Liquiditätsprobleme auslösen.
Schlittert ein Startup dennoch in die Insolvenz, muss das nicht das Ende sein. Im Gegenteil: Die Insolvenz kann sogar die unangenehmen Folgen einer finanziellen Katastrophe abwenden. Am Ende der Insolvenz kann nämlich die Entschuldung des Unternehmens stehen, sodass ein Neuanfang gewagt werden kann. Voraussetzung ist, frühzeitig zu reagieren: Wer trotz Zahlungsunfähigkeit die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens versäumt, begeht den Straftatbestand der Insolvenzverschleppung.
Lohnt sich das denn auch?
Studien sagen ganz klar: Ja. Der Deutschen Startup-Monitor hat herausgefunden, dass die Gründer von Start-ups deutlich zufriedener mit ihrer Lebenssituation sind als Angestellte. Selbst wenn das eigene Start-up aufgegeben werden müsse, würden mehr als 80 % weiterhin einer selbstständigen Tätigkeit nachgehen. Zwei Drittel der Befragten würden sogar ein neues Start-up gründen. Gründer, die zur richtigen Zeit mit der richtigen Idee auf den Markt treffen, haben große Chancen. Wer darüber hinaus alle Risiken stets im Blick behält und rechtzeitig handelt, wird auch langfristig erfolgreich sein.
Zum Autor
Professor Lucas F. Flöther ist einer der führenden deutschen Sanierungsexperten.
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