Wie man ein Plattform-Business zum Laufen bekommt
Ist ein Hochzeitsportal nicht ziemlich banal, das recht problemlos so ziemlich jeder aufsetzen und erfolgreich betreiben kann? Klingt so simpel…
Bei fast jedem Geschäftsmodell sehen Außenstehende immer nur einen Bruchteil der Arbeit, die notwendig ist, um erfolgreich zu sein. Das ist auch gut so, sonst würde kaum jemand gründen. Man darf sich aber nicht einbilden, dass sofort nach der Gründung der Rubel rollt.
Auf dem Hochzeitsmarkt entdecken wir fast wöchentlich ein neues Portal, das keine Scham hat, von Listing-Kunden Beträge zwischen 150 Euro und 500 Euro jährlich zu verlangen und das, ohne signifikanten Traffic auf der Seite zu haben. Daher stößt man so auf viel Widerstand bei der Vermarktung. Man könnte den Markt schon als gebranntes Kind bezeichnen.
Die meisten User und auch angehende Unternehmer denken, ein Hochzeitsportal besteht nur aus der Technik – einfach ein WordPress-Theme und Listings-Plugin wählen, anpassen und schon rennen die Kunden einem dankend die Türen ein.
So simpel ist es aber leider nicht. Möchte man wirklich gut sein, dann ist es mit den Standardlösungen meist nicht getan und es gehen schnell Monate für die (sehr teure) Entwicklung ins Land.
Die wahre Hürde ist jedoch das Henne-Ei Problem, das jede Plattform, jeder Marktplatz bzw. jedes Listings-Business hat. Ohne User keine zahlenden Kunden, ohne zahlenden Kunden kein Budget für Werbung, SEO und gute Inhalte, um die User zu bekommen.
Dazu kommt noch, dass in fast allen Branchen die potenziellen Kunden schon die Schnauze voll haben von schlechten Portalen und Verzeichnissen, die ihnen in der Vergangenheit Geld für Listings abgeknöpft haben, ohne irgendeine bedeutende Leistung zu bringen.
Welche Voraussetzungen muss man mitbringen, um in diesem Markt – vor allem in Deutschland – erfolgreich zu sein?
Durch Apps bestehen nun ganz neue Möglichkeiten, die User zu erreichen, einen echten Mehrwert zu bieten und die User zu halten. Am Beispiel unserer Weddian Hochzeitsapps können wir in Zukunft durch die bereits eingegebenen Daten der Brautpaare nicht nur irgendeine Liste von Dienstleistern anzeigen, sondern nur diejenigen, die auch zum Brautpaar passen. Die Fülle an Daten aus einer Planungsapp macht so etwas möglich.
Im Vergleich zum Amerikanischen und Südeuropäischen Markt ist das Hochzeitsgeschäft in Deutschland sehr saisonal. Das führt dazu, dass gerade bei Locations kaum jemand nur auf Hochzeiten spezialisiert ist. Fürs Marketing ist das natürlich schwieriger. Einer der globalen Big Player hatte sich – auch deswegen – gegen einen Einstieg in den deutschen Markt entschieden. Deutschland ist da aus Marketing-Sicht doch nicht das perfekte Hochzeitsland.
Am wichtigsten ist die allerdings die Geduld. Wer keine Geduld hat, der sollte richtig viel Geld mitbringen. Und da rede ich nicht von 150.000 € oder 400.000 €. Da spreche ich von Beträgen, die gerne hoch 7-stellig oder 8-stellig sein sollten. Und selbst solche Summen sind keine Garantie, dass es auch klappen wird.
Damit ein Verzeichnis für die User sinnvoll ist, müssen flächendeckend viele Anbieter zu finden sein und die Einträge müssen gute und korrekte Informationen liefern. Diese Informationen zu sammeln ist sehr zeitaufwändig.
Um die User auf die Plattform zu bekommen, sollten auch gute und hilfreiche Inhalte geliefert werden. Speziell für die Suchmaschinenoptimierung ist das sehr wichtig. Dabei hilft es enorm, wenn man für das Thema brennt und eine Leidenschaft hat. Solche Inhalte kann kein Agenturtexter liefern.
Welche Fehler sollte man speziell in diesem Markt unbedingt vermeiden?
Wir versuchen, den Markt auszuloten und gehen offen mit unseren eigenen Fehlern um. Bisher haben wir Folgendes gelernt:
Zu wenige oder falsche Daten: Finden die User mehr als 10 % Karteileichen oder zu wenige Anbieter, werden sie sich schnell wieder verabschieden. Wer den Brautpaaren helfen will, der darf nicht einfach blind alle Daten übernehmen, die man auf irgendwelchen Plattformen findet. Das bei den Technikern so beliebte Scrapen anderer Plattformen ist da leider keine Lösung.
Ein kaltes Verzeichnis ohne begleitenden Inhalt: Einfach nur ein ‘kaltes’ Verzeichnis aufzubauen, ohne die User mit hilfreichen Tipps und Inspirationen zu helfen, ist für die meisten User zu wenig. Sie wollen eine komplette Unterstützung bei der Planung. Durch gute Inhalte kann man die User an die Marke binden. Bei reinen Verzeichnissen erinnert sich am Ende keine mehr daran, wo genau der Dienstleister gefunden wurde.
Zu früh monetarisieren: Wer von Anfang an Geld verlangt, ohne Reichweite zu haben, kann sich seinen Ruf schnell ruinieren. Spätestens nach dem ersten Jahr werden die meisten Kunden abspringen. Diese wiederzugewinnen ist kaum möglich. Und die Branche spricht ja auch miteinander. Wer keinen Erfolg bringt, wird schnell als tote Plattform abgestempelt.
Langfristig erfolgreicher ist man mit einer kostenlosen Strategie, bis genug Reichweite vorhanden ist, um eine Gebühr zu rechtfertigen. Wir gehen bei Weddian dabei einen Mittelweg. Wir versprechen allen unseren Kunden eine lebenslange Preisgarantie. So profitieren die Kunden langfristig von den aktuell noch niedrigen Preisen und es lohnt sich, früh einzusteigen, auch wenn wir noch nicht garantieren können, dass jeder einzelne Dienstleister sofort Anfragen bekommt.
Beim Thema Apps sollte man sich gut überlegen, ob man überhaupt schon gut genug ist, um auf dem Markt zu bestehen. Hat man eine App erstmal herausgebracht und schlechte Bewertungen erhalten, ist es schwer, da wieder aus dem Keller zu kommen. Da hilft es meistens nur, die App komplett zu verwerfen und eine neue App herauszubringen.
Mittels welcher Geschäftsmodelle kann man – und sollte man – Listing-Portale monetarisieren?
ProvisionDer Traum jedes Listing-Geschäfts ist die Kommission oder Provision, also die Beteiligung am Umsatz. In einer idealen Welt ist dies das fairste Bezahlmodell. Kunden zahlen nur, wenn Umsätze generiert wurden. Beispiele sind Booking.com oder AirBnB.
Das eignet sich am besten, wenn der Sale oder die Buchung auch online stattfinden. Je einfacher das Produkt oder die Dienstleistung ist, desto eher lässt sich dieses Modell durchsetzen. Findet der Kauf oder die Buchung jedoch offline oder erst nach intensiver Beratung statt, dann muss man sehr viel Energie in Systeme stecken, die Betrug verhindern. Diese sind dann meist für den User und für die Listing-Kunden auch nicht sonderlich angenehm.
Pay per Lead: Die nächstbeste Alternative sind Pay-Per-Lead Modelle, bei denen allein für die Anfrage bezahlt wird. Das Tracking ist kein Problem mehr und die Plattform-Kunden haben eine gute Messzahl, an der sie den Eintrag bewerten können. In Märkten, in denen die Listing-Kunden sehr marketingaffin sind, ist das eine gute Lösung. Ein Beispiel dafür ist das Käuferportal.
Dazu sollten die Kunden allerdings ihre Conversion-Rate kennen und wissen, was ihnen ein Kunde wert ist. In den meisten Branchen (wie auch bei Hochzeiten) ist das jedoch nicht der Fall. Für viele ist es unvorstellbar ‘nur für eine E-Mail-Adresse’ einen bestimmtem Betrag zu zahlen.
Listing-Fee: Übrig bleibt noch das simpelste der Bezahlmodelle: Die Listing-Fee – einfach umzusetzen und für die meisten Kunden schnell verständlich. Die Abrechnungszeiträume können je nach Branche stark schwanken. Die meisten setzen jedoch auf eine jährliche Zahlweise. Beispiele dafür sind Weddian oder Eventpeppers.
Auch bei diesem Bezahlmodell gibt es Nachteile. Die 2 wichtigsten sind der nötige Vertrauensvorschuss der Kunden und die deutlich geringeren Preise, die durchgesetzt werden.
Da nicht jeder Kunde gleich viele Aufträge und Anfragen bekommt, wird es immer Kunden geben, die mehr profitieren als andere. Setzt man den Preis so an, dass es sich nur für die Kunden mit den meisten Aufträgen lohnt, werden die mit weniger Anfragen nicht verlängern und man hat weniger Kunden. Ist der Preis zu niedrig angesetzt, verlängern zwar mehr Kunden, aber es wird immer Kunden geben, die auch bereit gewesen wären, mehr zu zahlen.
Man sollte daher in jeder Branche genau prüfen, welches der 3 Modelle umsetzbar ist. Oft kann man auch mit einem simpleren Modell starten und später auf das Kommissionsmodell umsteigen, wenn man erkennt, dass der Markt das hergibt.
Finanzierung: Bootstrapping oder Kapital von VCs?
Eine externe Finanzierung für die Gründung zu suchen, ist in der heutigen Startup-Welt leider viel zu oft die erste Wahl und es wird meist gar nicht darüber nachgedacht, ob und wann es Sinn macht, Geld von Investoren dazu zu holen.
Die Vorteile gegenüber dem Bootstrapping liegen klar auf der Hand: Bootstrapping bringt oft schwere Zeiten mit sehr hoher Arbeitsbelastung mit sich und es ist sehr viel Leidenschaft notwendig, um das durchzustehen. Venture Capital ermöglicht eine schnellere Entwicklung des Produkts, mehr Mittel fürs Marketing und deutlich weniger Risiko für die Gründer.
Die Nachteile eines VC-Fundings werden dabei gerne übersehen. Dabei meine ich nicht, dass Anteile abgegeben werden müssen. Das ist das geringste Problem. Viel entscheidender ist, dass mit dem vielen Geld Kostenstrukturen geschaffen werden, die zum schnellen Erfolg zwingen.
Jede Finanzierung kommt mit einem Zeitplan, wann welche Umsätze gemacht werden müssen. Diese Ziele müssen dann auf jeden Fall erreicht werden, um entweder schon profitabel zu sein oder um eine weitere Finanzierung zu ermöglichen.
Die Realität zeigt aber, dass Listing-Businesses meist langsamer anlaufen, als die Gründer und Investoren sich das denken. Wenn dann nach 2 Jahren kein Geld mehr da ist, können die hohen Kostenstrukturen nicht mehr gehalten werden und ohne weitere Finanzierung scheitert das Projekt meistens.
Das liegt zum einen daran, dass die meisten Gründer mit Investorengeldern nie lernen mussten, sparsam mit Geld umzugehen. Zum anderen zwingt der Wachstumsdruck auch, in Maßnahmen zu investieren, die nicht ausreichend geprüft und getestet wurden. So ist das Geld dann meist schneller weg und die gewünschten Erfolge geringer als gedacht.
Ein reines Bootstrapping ist beim Listing Business jedoch auch nicht die beste Lösung. In unserem Fall konnten wir damit bisher ganz gut fahren, da wir Hochzeitsportal24 mit einem erfahrenen Partner aus der Branche mit hoher Reichweite starten konnten. Aber auch wir merken, dass etwas mehr Kapital für weitere Entwickler oder qualifizierte Vertriebskräfte sicherlich hilfreich wären. Daher sind wir nun auch auf der Suche nach einem Investor, der langfristig denkt und den Weg mit uns gehen möchte.
Startups sollten bei der Investorensuche darauf achten, einen Partner zu haben, der die gleiche Vision hat wie man selbst und ein organisches, strategisches und dauerhaftes Wachstum der überschnellen, unkontrollierten Expansion vorzieht. Und es hilft sehr, wenn der Investor die eigene Leidenschaft teilt.
Welchen Tipp kannst du Gründern mitgeben, die ein Listing-Business starten möchten?
Nicht all unsere Learnings lassen sich eins zu eins auf jede Branche übertragen, aber ich denke, folgende zwei Strategien sind fast universell einsetzbar:
Nutze die Power der Crowd. Viele Inhalte zu erstellen und zu prüfen ist aufwändig und teuer. Durch die Integration von Nutzergeneriertem Content kann eine Inhaltsqualität erreicht werden, die man mit eigener Kraft kaum schaffen würde. Durch Bewertungen der Listings und Vorschläge der User kann die Qualität der Datenbank in kleinen Schritten kontinuierlich verbessert werden.
Mache aus der reinen Listings-Plattform eine Kommunikations-Plattform. Ermögliche anstatt einer Einweg-Kommunikation von User zu Anbieter einen neuen, einfacheren und nützlicheren Kommunikationsweg zwischen allen beteiligten Personen.
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Zur Person
Raffael Schulz gründete schon während des Studiums diverse Hochzeitsplattformen, bevor er sich 2009 auf Hochzeitsportal24 konzentrierte. Seit 2014 arbeitet er mit 2 Mitgründern an der Hochzeitsapp Weddian, die Brautpaaren die Hochzeitsplanung vereinfachen möchte. Raffael bloggt auch über Marketingthemen speziell für die Hochzeitsbranche, um den Dienstleistern das komplexe Thema der Vermarktung näher zu bringen.