Österreich: Ausländisches Geld hält Startups am Leben
Eine Kurzanalyse des österreichischen Wagniskapitalmarktes im Hinblick auf die Investitions- und Fundraisingflaute östereichischer Risikokapitalgesellschaften in den Jahren 2013/ 2014.
„Im Venture-Capital-Bereich ist die Situation grottenschlecht. Es ist nicht genug Geld da, um die bestehenden Startups zu bedienen.“ – Johann Hansmann, Präsident der Austrian Angels Investors Association.
Laut der Austrian Private Equity and Venture Capital Organisation (AVCO) haben österreichische Private Equity- und Venture-Capital-Gesellschaften in den letzten drei Jahren jeweils so wenig Geld beschafft und investiert, wie zuletzt 1997 beziehungsweise 1999. Dementsprechend schwer hatten es vor allem Startups, sich mit frischem Geld zu versorgen. Dabei wurden die Unternehmen jedoch tatkräftig von ausländischen Kapitalgebern unterstützt. Von den in 2013 insgesamt 539,9 Mio. in österreichische Unternehmen investierten Euro, wurden nur 88 Mio. (16,3%) von inländischen Risikokapitalgesellschaften bereitgestellt. Somit wird klar, dass ausländische Investoren ein großes Potenzial im österreichischen Venture-Capital-Markt sehen, während sich inländische Gesellschaften eher zurückhalten.
Da junge Unternehmen keine Sicherheiten – geschweige denn einen positiven Cashflow – vorweisen können, gewähren ihnen Banken normalerweise keine Darlehen. In der Regel sind Startups daher auf Risikokapitalgeber wie Business Angels, Venture-Capital-Gesellschaften, Private Equity-Unternehmen oder Inkubatoren angewiesen, je nachdem in welcher Phase sie sich gerade befinden.
Etwas besser sieht es im Bereich der Frühphasenfinanzierung aus. Im Unterschied zu den Series-A und Series-B Finanzierungsphasen existiert hier ein ausgedehntes Netzwerk an privaten Investoren. Da wäre zum Beispiel Hansi Hansemann der wohl bekannteste Business Angel Österreichs zu nennen.
Dem AVCO zufolge ist der österreichische Risikokapitalmarkt unterentwickelt. Nach einer Analyse mithilfe des ökonometrischen Modells nach Saillard als auch qualitativer Methoden kam man zu dem Schluss, dass sich in Österreich ein ungenutztes Potenzial an Risikokapitalinvestitionen ergibt. Den österreichischen Startups standen 2014 gerade einmal 0,032 Prozent des jährlichen BIPs als Wagniskapital zur Verfügung. Im Vergleich dazu waren es in Europa durchschnittlich 0,278 Prozent. Der Vorstandsvorsitzenden Dr. Rudolf Kinsky, erwähnte zudem, dass sowohl auf steuerlicher als auch gesetzlicher Seite Nachholbedarf besteht, um attraktive, international wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen zu schaffen. Darüber hinaus gibt es nur wenige lokale Wagniskapitalgesellschaften, was zudem die Situation erschwert. Im Folgenden werden drei vom Geschäftsmodell leicht unterschiedliche Beispiele österreichischer Wagniskapitalgesellschaften aufgeführt:
Der Branchenprimus
Im Jahr 2011 war Speedinvest, der Branchenprimus, de facto noch die einzige Venture-Capital-Gesellschaft auf dem österreichischen Markt. Mit ihrem Office im Silicon Valley schaffen sie einen leichteren Zugang zum traditionell starken US-amerikanischen Wagniskapitalmarkt. Dieser ist für Startups durchaus wichtig, da das Angebot an Risikokapital auf dem angloamerikanischen Markt wesentlich größer ist. Außerdem unterhält Speedinvest weitere Büros in München und Berlin. Im vergangenen Jahr legten die Österreicher ihren zweiten Fonds auf: Investitionsvolumen 90 Mio. Euro.
Der Etablierte
Im Bereich typischer Crowdinvesting-Plattformen à la Seedmatch oder Companisto, kann man in Österreich auf CONDA zurückgreifen. Die Plattform wurde 2013 gegründet und ist bereits in die komplette DACH-Region expandiert. CONDA bietet den Startups mit seinem Advisory Board Hilfe im Bereich Know-how und Netzwerk. Bekannteste Finanzierung stellt der Anti-Hangover Drink Kaahee dar. In nur 12 Tagen wurde das gesetzlich festgelegte Fundinglimit von 249.900 Euro damals erreicht.
Der Newcomer
kitzVenture ist eine junge Kapitalbeteiligungsgesellschaft mit Sitz in Kitzbühel, die in Österreich und Deutschland tätig ist. Sie zeichnet sich durch ihren Mix als Venture-Capital- Unternehmen, Private Equity-Gesellschaft und Inkubator aus. Demzufolge ist es möglich, die Startups durch verschiedene Phasen hinweg zu begleiten und am organischen Wachstum der Beteiligungen mitzuwirken. Rund 51 Prozent des Risikokapitals wurde in Österreich 2014 in junge Unternehmen der Seed- bis hin zur Growth-Phase investiert. Auch diese Tatsache spricht dafür, mehrere Phasen der Startup-Entwicklung durch eine einzige Gesellschaft abzudecken. Ziel ist es, laut Kapitalmarktprospekt, eine längere Partnerschaft einzugehen und nicht wie üblich die Beteiligungen nach drei bis fünf Jahren gewinnbringend abzustoßen. Vielmehr sollen Kapitalrückflüsse aus profitablen Unternehmen erzielt werden. Hier spielt vor allem die für Startups zur Verfügung stehende Unternehmensführung als auch der Beirat eine bedeutende Rolle. Die jungen Unternehmen werden hier nicht nur finanziell, sondern auch mit Know-how und einem entsprechenden Netzwerk unterstützt. Das Geschäftsmodell sieht einerseits vor in zum Portfolio passende Unternehmen zu investieren und andererseits eigene Startups zu schaffen.
Langfristig gesehen wird die anhaltende Niedrigzinsphase sowie das ungenutzte Potenzial an Risikokapitalinvestitionen Kleinanleger dazu anregen, alternative Anlagemöglichkeiten in Betracht zu ziehen. Bei der heutigen Entwicklung im Bankensektor stellen Private Equity-Gesellschaften als auch Venture-Capital-Unternehmen somit eine immer populärer werdende Investitionsalternative dar. Dies könnte im Zusammenhang mit weniger strengen Gesetzen und politischer Initiative zu einem erstarkenden Wagniskapitalmarkt in Österreich führen. Letztlich ist auch die kulturell bedingte Risikoaversion im deutschsprachigen Raum ein Faktor, der die deutlich niedrigere Investitions- und Fundraising-Summe österreichischer Wagniskapitalgesellschaften erklären kann.
Über den Autor
Merlin Bierekofen beginnt im September das Masterstudium Information Systems Management an der National University of Ireland, Galway. Seine letzten beiden Praktika absolvierte der Kölner beim Rechtsrheinischen Technologie und Gründerzentrum Köln sowie der Unternehmensberatung Alter-Pro Consulting Services mit Sitz in Rio de Janeiro.
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