“Da bleibt für viele wichtige Dinge zu wenig Zeit”
Was bedeutet es Ihnen, Ihr eigener Chef zu sein?
Es bedeutet zunächst einmal Verantwortung – so unsexy das auch klingen mag: Verantwortung für die Venture-Idee, für das Team und nicht zuletzt natürlich für das uns anvertraute Risikokapital. Es ist zudem für mich der ‘natürliche Zustand’. Ich bin nun seit über zwölf Jahren Unternehmer und fühle mich genau in dieser Rolle wohl. Ich trage gern Verantwortung, gestalte und treibe gern voran.
Bei welcher Gelegenheit kam Ihnen die Idee zu Ihrem Start-up?
Ich bin mein Leben lang sehr viel gereist. Bereits als Teenager in abgelegene Surf-Spots sowie später geschäftlich viel an die üblichen Orte. Wenn man so viel Zeit auf Reisen und im Flieger verbringt, entwickelt man eine große Aufmerksamkeit und Wertschätzung für die kleinen Details, die das Reisen angenehmer und entspannter machen. Sehr häufig dachte ich mir unterwegs: Das geht besser!
Besonders beim Gepäck sah ich viel Verbesserungspotenzial. Über Jahrzehnte hat die Branche kaum Innovationen hervorgebracht. Die größte Innovation der letzten 20 Jahre war der Schritt von zwei auf vier Rollen. Das ist doch unglaublich! Wir leben heute in einer hypermobilen und hypervernetzten Welt – wir sind permanent miteinander verbunden – mehr und mehr auch mit unseren ‘Dingen’. Alles ist digitalisiert. Der Gepäckmarkt hat sich jedoch kaum verändert, auch weil Traditionsmarken diesen riesigen Markt beinahe allein beherrschen. Das Geschäftsmodell der etablierten Marken ist höchst traditionell und bedient nicht mehr zeitgemäß das Bedürfnis der Kunden.
Das gilt sowohl für fehlende Features wie GPS und Smart Charger als auch für ein angemessenes Verhältnis zwischen Preis und Qualität. Die Branche ist komplett ‘Wholesale’ getrieben, wodurch der Preis sich von Produktion bis Endkunde mehr als versechsfacht. Wir wissen heute: Das geht besser. Nämlich ‘direct-to-consumer’, ‘online-first’. Und da wir eine richtig spannende Marke für die neue Generation an Reisenden weit und breit nicht sehen konnten, war es einfach Zeit, hier etwas Neues zu schaffen und diese Marktlücken zu schließen.
Vor einigen Jahren lernte ich Jaimal Odedra kennen, in Marrakesch. Jaimal hat bereits die Taschen und Accessoires für Calvin Klein, Givenchy, Mulberry und Ralph Lauren entwickelt. Mit der Zeit wurden wir gute Freunde. Und so war es natürlich toll, als ich ihn eines Tages anrufen konnte, um nun gemeinsam an der eigenen Marke zu arbeiten. Mein Co-Founder Jan Roosen war dann die perfekte Ergänzung: Wir sind wie ‘right brain und left brain’ – sowie Sturm und Verteidigung. Damit konnte es so richtig losgehen.
Woher stammte das Kapital für Ihr Unternehmen?
Als Seed-Investoren konnten wir Project A Ventures und Vorwerk Ventures sowie eine Handvoll hochkarätiger Angels aus Berlin und London gewinnen. Der riesige, stark wachsende Markt, die tradierten Strukturen, die wir digital aufbrechen, die unterproportionale Online-Penetration sowie die mangelnde Befriedigung einer weltweiten Zielgruppe junger Vielreisender und höchst attraktive Online KPIs sind einige der Aspekte, die Investoren an unserem Case überzeugen.
Was waren bei der Gründung Ihres Start-ups die größten Stolpersteine?
Ich denke die größten Herausforderungen bringt die nötige Geschwindigkeit mit sich: Als junges Venture mussten wir mit sehr begrenzten Mitteln zurecht kommen und so schnell wie möglich ‘Traction’ zeigen. Da bleibt für viele ebenfalls wichtige Dinge zu wenig Zeit. Es muss radikal priorisiert werden. Man muss gezwungener Maßen mit Imperfektionen leben. Es gab nur einen Ort, wo wir uns das nicht erlauben konnten: Das (physische) Produkt muss qualitativ und vom Design her ganz oben mitspielen können. Daher war es so wichtig, dass wir nicht nur einen so erfahrenen Designer, sondern mit ihm auch sofort Zugang zu den besten Manufakturen der Welt erhielten.
Was würden Sie rückblickend in der Gründungsphase anders machen?
Dafür fehlt mir wahrscheinlich gerade der Abstand – momentan schauen wir alle nur nach vorn.
Jedes Start-up muss bekannt werden. Welche Marketingspielart ist für Sie besonders wichtig?
Natürlich hat Marketing für uns einen besonders hohen Stellenwert. Gemeinsam mit Project A haben wir an einem möglichst smarten Zusammenspiel von Brand Building und Performance Marketing gearbeitet. Wer mit einem der oder mit beiden Bereichen bereits Erfahrung hat, weiß, dass dies nicht immer ganz leicht ist. Unser Ansatz war dabei so systematisch wie möglich, beinhaltete aber auch natürlich einiges an Trial-and-Error.
Wir setzen im Brand Building stark auf Partnerschaften wie beispielsweise mit der Soho House Gruppe weltweit, kreieren einen Signature Trolley mit Design Hotels und arbeiten mit international angesagten DJs am perfekten DJ Trolley. Im Performance Marketing Bereich spielen wir auf allen Kanälen und haben seit einigen Monaten den richtigen Mix identifiziert, mit dem wir profitabel skalieren können. Im Zusammenspiel von Brand Building und Performance liegt die besondere Herausforderung und das enorme Potenzial.
Welche Person hat Sie bei der Gründung besonders unterstützt?
Das sind einige. Am Anfang braucht man jede Hilfe, die man bekommen kann. Ganz vorn natürlich Project A, das einfach neben seiner Funktion als VC ein großartiger Company Builder ist. Die vielen Kompetenzen in Reichweite zu haben, war und ist bis heute unheimlich wertvoll. Aber natürlich haben auch die anderen Investoren, Vorwerk Ventures und die Angels über das Kapital hinaus extrem hilfreiches Sparring gegeben. Ich würde hier vor allem gern das Team namentlich aufzählen – alle die mitgewirkt haben. Aber das würde den Rahmen sprengen.
Welchen Tipp geben Sie anderen Gründern mit auf den Weg?
Da bin ich zurückhaltend. Ich denke jeder Gründer ist anders und bringt seine eigene Persönlichkeit und Stärken mit. Klar ist es ratsam, hohes Durchhaltevermögen zu haben und sich nicht unterkriegen zu lassen, wenn es mal ‘bumpy’ ist. Aber das haben die meisten hier, denke ich, bereits mehrfach gelesen. ‘Enjoy the Journey!’ vielleicht.
Sie treffen den Bundeswirtschaftsminister – was würden Sie sich für den Gründungsstandort Deutschland von ihm wünschen?
Ha, eine Menge! Allem voran vielleicht mal eine starke Vision gefolgt von einer Strategie, wie wir dorthin kommen. Besonders in Berlin geschieht schon eine ganze Menge – aber eben nicht immer aufgrund, sondern häufig noch ‘trotz’ der politischen Rahmenbedingungen. Berlin bietet als Stadt bereits viel Attraktivität an sich, um eine Grundvoraussetzung für unsere Branche zu schaffen. Und zwar die, Talente anzuziehen. Aber die Erfolgs-Chancen – und damit positive Effekte auf Wirtschaft und Arbeitsmarkt – steigen massiv mit dem Zugang zu Kapital. Hier wird es langsam besser, aber wir sind noch immer weit abgeschlagen im Vergleich mit den USA.
Was würden Sie beruflich machen, wenn Sie kein Start-up gegründet hätten?
Seit kurzem denke ich, ich hätte DJ werden sollen. Aber da fehlt mir wahrscheinlich das Talent. Vielleicht würde ich anderen dabei helfen, Start-ups zu gründen.
Bei welchem deutschen Start-up würden Sie gerne mal Mäuschen spielen?
Bei einigen! Oculus, uBeam, Harry’s, Warby Parker, Airbnb – und viele mehr.
Sie dürften eine Zeitreise unternehmen: In welche Epoche reisen Sie?
Ans Ende des 21. Jahrhundert. Ich finde es wahnsinnig spannend, sich vorzustellen wie die nicht zu ferne Zukunft aussehen wird.
Sie haben eine Million Euro zur persönlichen Verfügung: Was machen Sie mit dem ganzen Geld?
Investieren (zumindest einen ordentlichen Teil davon). Natürlich in Horizn Studios.
Wie verbringen Sie einen schönen Sonntag?
Mit meiner kleinen Familie und Freunden in Kreuzberg.
Mit wem würden Sie sich gerne einmal auf einen Kaffee oder ein Bier verabreden?
Mit all meinen Freunden aus dem Rheinland, wo ich herkomme, aber viel zu lange nicht mehr war.
Im Fokus: Weitere Fragebögen in unserem großen Themenschwerpunkt 15 Fragen an
Zur Person:
Stefan Holwe ist Gründer und Geschäftsführer von Horizn Studios. Zuvor gründete er Greenkern und war Geschäftsführer und Mitgründer von Plantage. Zudem war er für Project A tätig.
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