“Traditionelle Finanzprodukte sind zu teuer und schlecht”
Was bedeutet es Ihnen, Ihr eigener Chef zu sein?
Das Gründerleben ist extrem spannend und abwechslungsreich. Deshalb kann ich mir eine Rückkehr in ein Angestelltenverhältnis nicht mehr vorstellen. Allerdings darf man sich nicht der Illusion hingeben, dass man als Geschäftsführer vollkommene Unabhängigkeit genießt. Ich spüre schon eine sehr große Verantwortung. Und es ist auch nicht ganz leicht, die unterschiedlichen Interessen immer hundert Prozent zufriedenstellend zu berücksichtigen.
Bei welcher Gelegenheit kam Ihnen die Idee zu Ihrem Start-up?
Die Idee hat sich eigentlich über die Jahre entwickelt. Als Trader wurde ich von Familienmitgliedern und Freunden immer wieder gefragt, wie sie ihr Geld anlegen sollen. Ich konnte und wollte ihnen aber keinen Ratschlag geben. Ein Großteil der traditionellen Finanzprodukte ist einfach zu teuer und schlecht.
Zusammen mit den anderen Gründern, alles ehemalige Kollegen bei Goldman Sachs, haben wir die Frage immer wieder diskutiert. Irgendwann entstand die Idee eines automatisierten Investment-Managers. Im Spätsommer 2014 haben wir uns dann an einem Wochenende in Berlin getroffen und das Geschäftsmodell ausgearbeitet. Sonntagabend haben wir uns mit den Worten verabschiedet: „Wer morgen nicht kündigt, kann höchstens noch erster Angestellter werden.“
Woher stammte das Kapital für Ihr Unternehmen?
Wir haben in Seed- und Series-A-Finanzierungen insgesamt elf Millionen Euro Kapital aufgenommen. Zu den Investoren gehören bekannte Wagniskapitalgeber und Business Angels, wie Holtzbrinck Ventures, Tengelmann Ventures, MPGI (der Fonds von Mato Peric), Monk’s Hill Ventures (der Fonds von match.com-Gründer Peng T. Ong), die German Startups Group und Rainer Mauch (Gründer von Cortal Consors). Außerdem haben wir natürlich einen Großteil unserer Ersparnisse in das Unternehmen investiert.
Was waren bei der Gründung Ihres Start-ups die größten Stolpersteine?
Im Unterschied zu vielen anderen Start-ups bewegen wir uns in einem streng regulierten Markt. Als Finanzdienstleister darf man nicht mal eben ein „bisschen Geld managen“. Wir mussten uns zunächst um eine Erlaubnis der Finanzaufsicht kümmern. Und die erteilt ihre Erlaubnis erst, wenn alles funktioniert. Das ist auch gut so, schließlich dürfen Anleger zu keinen Versuchskaninchen werden. Aber für uns war das nicht ganz einfach. Wir mussten unsere Plattform in den ersten 12 Monaten mehr oder weniger im Verborgenen entwickeln und hatten keine Möglichkeit, echtes Kundenfeedback einzuholen.
Was würden Sie rückblickend in der Gründungsphase anders machen?
Für wiederkehrende Aufgaben würde ich heute von Anfang an Leute fest einstellen. Wir hatten in der Anfangsphase zentrale Aufgaben an Freelancer vergeben. Das war teuer, langsam und nicht besonders nachhaltig. Jetzt bündeln wir das Know-how im Unternehmen und werden als Organisation jeden Tag schlauer.
Jedes Start-up muss bekannt werden. Welche Marketingspielart ist für Sie besonders wichtig?
Geldanlage ist und bleibt eine Sache des Vertrauens. In unserem Fall ist die Balance zwischen digitaler Dienstleistung und dem persönlichen Kontakt extrem wichtig. Deshalb ist der Dialog mit Kunden bei uns auch „Chefsache“, per Telefon und E-Mail, aber auch auf Messen oder Branchen-Events. Einen vergleichbaren Effekt erleben wir mit der Berichterstattung in klassischen und neuen Medien. Diese wirken nach wie vor wie eine Art Gütesiegel.
Welche Person hat Sie bei der Gründung besonders unterstützt?
Ohne visionäre Business-Angels und Venture-Capital-Geber wären wir nicht in der Lage gewesen, unser Projekt zu stemmen.
Welchen Tipp geben Sie anderen Gründern mit auf den Weg?
Versucht nicht jedem zu gefallen. Entwickelt Euer Produkt messerscharf für Eure Zielkundschaft und niemand anderen. Lasst Euch in vielen Dingen beraten und nehmt Kritik und Hilfe an, aber lasst Euch niemals in diesem Punkt hereinreden. Nur Ihr als Gründer versteht Eure Zielkunden und deren Probleme.
Sie treffen den Bundeswirtschaftsminister – was würden Sie sich für den Gründungsstandort Deutschland von ihm wünschen?
Darf ich auch Herrn Schäuble treffen? Unser Steuersystem ist nämlich nicht sehr gründer- und investorenfreundlich. Ich würde mir eine Art „Entrepreneurs’ Relief“ wünschen, die beispielsweise Gründer in Großbritannien steuerlich entlastet. Außerdem sollten die Freibeträge für Kapitalanleger erhöht und im Gegenzug die Subventionierung komplexer Versicherungsprodukte reduziert werden.
Was würden Sie beruflich machen, wenn Sie kein Start-up gegründet hätten?
Ich wäre wohl noch im Wertpapierhandel bei Goldman Sachs.
Bei welchem deutschen Start-up würden Sie gerne mal Mäuschen spielen?
Während meiner Schul- und Studienzeit habe ich Elektronik-Hardware entwickelt. Bis heute faszinieren mich Unternehmer und Unternehmen, die sich diesem komplexen Umfeld stellen und neben Software auch selbst Hardware entwickeln. Vielleicht lässt mich mein Studienfreund Oliver Trinchera von Kinexon einmal in sein Münchner Start-up hineinschnuppern.
Sie dürften eine Zeitreise unternehmen: In welche Epoche reisen Sie?
Als Head of Product finde ich es immer wieder spannend, mit welch einfachen aber genialen Ideen schon vor hunderten von Jahren Probleme gelöst wurden.
Sie haben eine Million Euro zur persönlichen Verfügung: Was machen Sie mit dem ganzen Geld?
Diese Frage kann ich mit der Gründung unseres Start-ups nun endlich guten Gewissens beantworten: Ich würde das Geld bei Scalable Capital anlegen.
Wie verbringen Sie einen schönen Sonntag?
Als Tiroler zieht es mich eigentlich fast jedes Wochenende in die Berge. Ob zum Mountainbiken im Sommer oder zum Snowboarden im Winter. Da schalte ich ab und habe die besten Ideen.
Mit wem würden Sie sich gerne einmal auf einen Kaffee oder ein Bier verabreden?
Mama und Papa, ich melde mich bald bei Euch. Versprochen.
Im Fokus: Weitere Fragebögen in unserem großen Themenschwerpunkt 15 Fragen an
Zur Person:
Florian Prucker war über 8 Jahre in New York, Frankfurt und zuletzt in London im Finanzbereich tätig. Als Executive Director im Wertpapierhandel von Goldman Sachs begleitete er den Aufbau einer paneuropäischen elektronischen Handelsplattform für Privatanleger. Zuvor betreute er für die amerikanische Bank Privatbanken und Vermögensverwalter in Deutschland und Österreich. Florian Prucker studierte Betriebswirtschaft und Elektronik an der TU München. Scalable Capital gründete er gemeinsam mit Erik Podzuweit, Adam French und Patrick Pöschl im Jahr 2014.
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