Amazon-Selling ist auch für Startups interessant

FBA, das für 'Fulfillment by Amazon' also 'Versand durch Amazon' steht, revolutioniert die Welt des Online-Handels, nimmt es Verkäufern von Produkten doch den Großteil der logistischen Prozesse beim Verkauf ab. Aber ist diese vereinfachte Art des Verkaufens auch für Startups relevant?

Fragen rund um den Verkauf von Produkten auf Amazon – ‘fulfilled by Amazon’ beantwortet Gil Lang, einer der beiden Macher von Private Label Journey, der größten deutschen Community rund um das professionelle Verkaufen bei Amazon.

Was genau ist FBA eigentlich?

‘Fullfillment by Amazon’, also ‘Versand durch Amazon’ bedeutet eine große logistische Erleichterung für Händler. Amazon kümmert sich bei dieser Kooperation um einen Großteil der Prozesskette: Versand an den Kunden, Bestellabwicklung, Kundenkontakt.

Verkäufer haben so die Möglichkeit, beliebige Produkte zum Verkauf in eines der Amazon-Lager zu senden. Von dort wird es gegen Gebühr zum Endkunden verschickt, sobald es auf Amazon gekauft wurde.

Amazon selbst beschreibt das FBA-Konzept so: ‘Artikel mit dem Hinweis ‘Versand durch Amazon’ werden bei einem Drittanbieter gekauft, aber von einem unserer Logistikzentren an Sie verschickt. Hierzu zählen auch Artikel, die Sie über Amazon.de Warehouse Deals erwerben.

Für alle von uns verschickten Artikel gelten die üblichen Versandbedingungen, (…) Amazon Prime-Mitglieder profitieren von einem kostenlosen Premiumversand ohne Mindestbestellwert.’

Die von Dritthändlern via FBA vermarkteten Artikel stellen also einen großen Teil der beliebten Prime-Produkte auf Amazon.

In den USA nutzen Verkäufer FBA schon seit einigen Jahren und dort wird es auch in vielen Blogs und Podcasts als empfehlenswertes Geschäftsmodell beworben, um mit eigenen physischen Produkten einen erfolgreichen Einkommenskanal zu schaffen.

FBA ersetzt oder ergänzt zumindest in den USA zunehmend das zuvor sehr verbreitete Dropshipping, bei dem Online-Händler die Möglichkeit bekommen, das eigene Sortiment um externe Produkte eines Großhändlers zu erweitern.

Für Amazon ist FBA ein sehr interessantes Geschäftsmodell, da der Konzern an jedem Verkauf durch Versand- und Lagerkosten und natürlich Verkaufsgebühren mitverdient. Zudem ermöglichen es die FBA-Produkte Amazon, überschüssige Ressourcen in ihren Logistikzentren besser zu nutzen.

Warum ist FBA derzeit so im Trend ?
Es ist wie so oft: Die USA sind Vorreiter und nach einigen Jahren schwappt ein dort populärer Trend langsam nach Europa herüber. Und dieser Zeitpunkt ist für den Handel mit Private Label Produkten in Deutschland gerade etwa jetzt erreicht: Immer mehr Verkäufer steigen in Deutschland in das Geschäftsfeld ein.

Auch in Europa gibt es bereits Firmen, die jährlich Millionenumsätze erwirtschaften, aber seit kurzer Zeit wird FBA auch unter Selbstständigen, die aus anderen Berufsfeldern kommen und Online-Marketern immer beliebter.

Der Grund dafür ist das riesige Potential verbunden mit dem verhältnismäßig geringen Aufwand im Vergleich zu klassischen Modellen wie einem eigenen Online-Shop oder gar einem stationären Geschäft.

Durch die enormen Besucherzahlen auf den verschiedenen Amazon-Marktplätzen und den vielen Aufgaben, die Amazon übernimmt, kann der FBA-Handel problemlos als One-Man-Show betrieben werden, bis wirklich ansehnliche Umsätze von vielen tausend Euro monatlich erwirtschaftet werden. Selbst dann ist es möglich, das Business mit Hilfe von virtuellen Assistenten und Freelancern ohne Festangestellte laufen zu lassen.

Dazu kommt, dass dieses Business ortsunabhängig betrieben werden kann, da man alle Aufgaben vom PC aus erledigen oder outsourcen kann. Gerade dieser Aspekt ist für viele moderne Entrepreneure sehr attraktiv.

Was können Startups von Amazon-Sellern lernen?
Amazon-Handel bedeutet für die meisten, lean zu starten, häufig mit sehr geringem Kapital. Startups können sich anschauen, wie man mit geringen Mitteln in kurzer Zeit viel erreichen kann, wenn man die Hingabe und den Willen dazu hat.

Darüber hinaus setzt Erfolg im FBA effektives Outsourcing voraus und am Business anstatt nur im Business zu arbeiten. Die Schaffung effizienter Workflows und der Fokus auf externe Unterstützung und hilfreiche Software wird von den meisten FBAlern genutzt und kann Startups Inspiration sein.

Warum findet man wohl so wenige Produkte von Startups auf Amazon?
Gerade in den Bereichen Private Labeling und FBA, die wir mit Private Label Journey aktiv unterstützen, geht es eher darum, herauszufinden, welche Produkte bereits erfolgreich verkauft werden und eine eigene Version davon auf den Markt zu bringen.

Bei exotischen Produkten oder eigenen Erfindungen müssen der Markt und die Nachfrage häufig erst geschaffen werden, das ist auf Amazon eher schwieriger. Der Vorteil liegt hier darin, sich im ersten Schritt an bestehende Bestseller anzuhängen ohne aufwändiges Marketing.

Welche Vorteile hat es für ein Produkt-produzierendes Startup, seine Produkte (auch) bei Amazon zu verkaufen statt nur im eigenen Shop?
Als Verkäufer auf Amazon bekommt man Zugriff auf bestehende Besucherströme auf den Amazon Marktplätzen. Im eigenen Shop muss jeder Besucher erst mühsam angelockt werden durch PPC, SEO oder andere Werbemaßnahmen. Und selbst dann hat Amazon vermutlich immer noch eine größere Anzahl an Kaufinteressenten zu bieten.

Durch das enorme Vertrauen in den Online-Riesen Amazon liegt dort die Conversion Rate häufig zwischen 10 -20 % – je nach Produkt sogar noch höher. Dieser Wert ist mit einer eigenen Shoplösung fast unmöglich zu erreichen.

Durch die Nutzung von FBA braucht das Startup keine eigene Logistik und kann fast unbegrenzt skalieren ohne Personal oder Lagerfläche einkaufen zu müssen. Da auch der Kundensupport zu 90 % von Amazon übernommen wird, steht schnellem Wachstum nichts im Wege.

Wird sowohl der eigene Shop als auch das Selling via Amazon genutzt, kann die Amazon-Logistik in den meisten Online-Shops eingebunden werden.

Kann Selling via Amazon-FBA vielleicht sogar für Startups ein interessantes Side-Projekt sein und wenn ja, warum?
Je nachdem, welche Strategie gefahren wird, kann Amazon ein reines Cash Business sein und so andere Zweige eines Startups mitfinanzieren.

Alternativ lässt sich auch langfristig eine Marke aufbauen und über Amazon bekannt machen.

Durch den hohen Outsourcing-Anteil der anfallenden Arbeiten und dem eher geringen Zeitaufwand lässt sich ein Amazon-FBA-Ableger also relativ einfach realisieren – auch in vielen Startups.

Mit ein paar kreativen Ideen können so auch passende Add-On Produkte für ein Tech-Startup geschaffen werden. Thinking out of the Box ist angesagt.

Welches sind die wichtigsten Tools für Amazon-Verkäufer?
Da gibt es einiges aus den verschiedensten Bereichen, das nützlich bis unentbehrlich ist:
Facebook-Gruppen für Know-How und Networking
Die Gruppe Private Label Journey ist eine der größten und aktivsten deutschen Gruppen zum Thema und bietet damit schnell Hilfe bei aufkommenden Fragen oder vernetzt ihre User mit anderen Verkäufern in ihrer Region oder Nische. Rechtliches, Technisches oder auch einfach Erfahrungen können hier ausgetauscht werden.

Aber es gibt inzwischen auch sehr viele andere Facebook-Gruppen zum Themen, die relevant sind für das Verkaufen auf Amazon: Amazon SEO, Gruppen von und für Produkttester, regionale FBA-Gruppen usw.

Marketplace Analytics oder ShopDoc
Marketplace Analytics – besonders für auf Amazon Deutschland verkaufende Hersteller und Händler – eine sehr wichtige Analyseplattform, mit der Keywords optimiert, Bewertungen verwaltet, neue Produkte gefunden und PPC-Kosten gemanagt werden können. – Die Preise hängen von der Anzahl beobachteter Keywords und Produkte ab und werden auf Anfrage zugeschickt.
Ahnlich wird ShopDoc funktionieren, nur kann der Kunde dort zusätzlich aktiv Unterstützung durch erfahrene Consultants bei der Ranking-Optimierung auf Amazon bekommen. Allerdings ist ShopDoc noch in der beta-Version.

Gesponsorte Produkte mit Amazon PPC
Die Amazon-interne PPC-Plattform, die jedem Amazon Pro-Verkäufer offensteht, generiert bei geschickter und korrekter Nutzung viele Verkäufe und Umsatz. Dies wiederum hilft den beworbenen Produkten, im Ranking zu steigen und ist somit ein unverzichtbares Tool für jeden FBA Seller.

Google Keyword Planner
Das kostenlose Keyword Tool hilft nicht nur bei der Suchmaschinenoptimierung für Google, sondern kann auch wertvolle Schlüsselwörter zur Optimierung eines Amazon-Listings oder für PPC-Kampagnen finden.

AmaInvoice oder EasyBill
Wer Waren verkauft, kommt ums Rechnungen schreiben nicht herum. Diese beiden Tools ziehen alle Daten aus der Amazon-API und versenden Rechnungen und PDFs automatisch. Ein Muss für jeden ernsthaften Verkäufer.

Apropos Rechnungen und Buchhaltung: Hier die allerwärmste Empfehlung, so früh wie möglich die Buchhaltung des Amazon-Business’ einem Steuerberater zu übergeben.

Besonders, wenn man mit Lieferanten aus dem Ausland zusammenarbeitet, den einen oder anderen Dienstleister vielleicht auch irgendwo auf der Welt sitzen hat und dann noch auf mehreren Amazon-Marktplätzen – also auch auf ausländischen – verkauft, bekommt man das Buchhalterische und Steuerrechtliche wohl kaum noch allein unter die Füße.

E-Mail-Marketing-Tool, z. B. GetResponse oder KlickTipp
Eine eigene Webseite ist für die Markenregistrierung auf Amazon sowieso erforderlich. Sie bietet aber auch andere Vorteile wie die Möglichkeit, einen eigenen Shop zu integrieren oder Affiliate-Verlinkungen.

Auf dieser Website sollten dann auch E-Mail-Adressen z. B. über ein Newsletter-Abo gesammelt werden, um die eigenen Produkte gezielt per Mail bewerben zu können.

Plattformen zur Suche von Herstellern: Google, Alibaba, AliExpress
Diese und andere Plattformen helfen, Hersteller für neue Produkte zu finden und sind daher für Aufbau und Skalierung jedes Amazon FBA-Business’ unverzichtbar.

Welche Berührungspunkte gibt es zwischen den Ökosystemen Startups – FBA-Seller?
Bisher sind das zwei Ökosysteme, die einander kaum kennen, geschweige denn, voneinander profitieren. Natürlich gibt es auch erfolgreiche E-Commerce-Startups, aber man trifft Leute aus diesem Bereich nahezu nie in der FBA-Seller-Community.
Schade eigentlich, denn beide Bereiche könnten voneinander lernen.

Amazon-Selling ist ja nicht nur ein Trend, sondern schafft praktisch ein komplettes neues Business-Ökosystem. Welche existenten Berufsfelder profitieren davon, welche Berufe/Jobs entstehen dadurch neu?
Noch ist das FBA-Selling in Deutschland so neu, aber derartig am Boomen, dass es sich für viele Dienstleister, die an dem Workflow beteiligt sind, lohnen könnte, über eine (zusätzliche) Spezialisierung in Richtung FBA nachzudenken: Steuerberater, Versicherungsmakler, Fotografen, Texter, Web- und Produktdesigner, SEO-Experten, Sourcing-Agenten, China-Biz-Spezialisten, E-Learning-Experten, Customer Service-Experten, Online Marketing-Spezialisten, Bewertungs-Services, Software-Schmieden, Trainer, Übersetzer….

Ein Beruf, der neu entsteht, ist vermutlich der des Amazon Account-Managers, der das komplette Tagesgeschäft für einzelne Unternehmen managt.

Zur Person:

Gil Lang ist seit einiger Zeit selbst professioneller Seller auf Amazon und hat dort eine stark fokussierte Sports-Brand aufgebaut.
Außerdem hat er zusammen mit Thomas Albiez mit Private Label Journey die größte deutsche Private Label Community aufgebaut, die Plattformen zum Networking bietet und mit Blog, Podcasts, Videos und einem sehr umfangreichen Pro Seller-Kurs anderen Amazon Pro Sellern das nötige Know-How vermittelt.
Und am 3.9.2016 rocken die Speaker und Besucher der Private Label Days das Millerntorstadion in Hamburg. Hier trifft sich ” das Who is Who der Private Label Szene”, um zu lernen und sich auszutauschen.

Bild oben: Hadrian / Shutterstock.com