Von Christina Cassala
Montag, 27. Juni 2016

“10 % der FinTechs haben gute Überlebenschancen”

Der Banken- und Finanzsektor wird sich durch die Digitalisierung und dem Aufkommen der FinTech-Unternehmen in den kommenden Jahren rasant verändern. Doch die eine Branche wird auch in Zukunft nicht ohne die andere auskommen. Wie beide ihren Platz in der veränderten Welt finden können, wird im Interview erläutert.

In grauer Internet-Vorzeit gründete Karl Matthäus Schmidt Consors, den ersten Online-Broker Deutschlands. Inzwischen ist der Seriengründer Vorstandsvorsitzender der quirin bank. Im Interview mit deutsche-startups.de spricht Schmidt über Privatanleger, Ballast und regulatorische Hürden.

Sie sind seinerzeit ausgezogen, die Bankenwelt zu erobern und zu verändern: was hat Sie angetrieben und wie haben Sie Ihr Ziel erreicht?
Ich bin immer wieder von Freunden und Bekannten danach gefragt worden, wie man als Privatanleger sein Geld vernünftig anlegen sollte und – ehrlich gesagt – ist mir darauf keine vernünftige Antwort eingefallen. Mir war klar, dass herkömmlicher Bankvertrieb nicht immer im Sinne des Kunden ist, da die Berater motiviert sind, dem Kunden das Produkt zu verkaufen, das die höchsten Provisionen bringt. Leider ist das eben oft nicht geeignet für den Kunden und bringt ihm am Ende nicht die gewünschte Rendite.

Fühlen Sie sich mit quirion als ein FinTech-Unternehmen oder noch als klassische Bank?
Wir sind eine moderne Bank mit einem innovativen Geschäftsmodell, die konsequent auf Digitalisierung setzt. Wir sind also Bank und FinTech in einem Haus. Das ist ein Wettbewerbsvorteil. Ich gehe davon aus, dass wir in den nächsten Jahren eine weitgehende Automatisierung des Anlageprozesses erleben werden. Dem persönlichen Berater wird dann eine neue Rolle zukommen. Er steht künftig am Ende der Wertschöpfungskette und wird für die komplexen Fragestellungen und die ganzheitlichen Lebens- und Finanzziele des Kunden ein wichtiger Ansprechpartner bleiben. Außerdem fungiert er als wichtiges Bindeglied zwischen dem Kunden und der digitalen Welt.

Was können FinTechs besser als die klassische Bankfiliale?
Sie sind frei vom Ballast über lange Zeit gewachsener Strukturen, in denen klassische Banken sich bewegen, und können daher schneller am Markt agieren. Und sie können ihre Dienstleistungen prinzipiell auf Basis IT- gestützter, automatisierter Prozesse deutlich kostengünstiger anbieten als dies in der klassischen Bankfiliale möglich ist, zumal in Bereichen, wo die Kunden nicht auf die Beratung der Bankmitarbeiter angewiesen sind.

Mit welcher Zielgruppe müssen sich FinTechs auseinandersetzen? Und machen das Ihrer Meinung nach die jungen Wilden in ausreichender Form?
Die Zielgruppe für das Segment der digitalen Anlageberatung ist deutlich reifer und vermögender als wir ursprünglich vermutet haben. Der neue digitale Kunde ist anspruchsvoll. Er will Aufklärung und Information bei seiner Geldanlageentscheidung, Und er will die gewünschte Dienstleistung überall, jederzeit, sofort und so wie er es sich vorstellt. Die Maximierung des Kundenerlebnisses und die klare Beantwortung der Kunden- Anliegen wird künftig darüber entscheiden, wer die Nase vorn hat. Einige Fintechs machen das heute schon sehr gut.

Welchen Vorteil haben Sie gegenüber den kleinen Start-ups?
Wir haben zehn Jahre Erfahrung im Bankgeschäft, vor allem in der Anlageberatung für Privatkunden und wir wissen daher was sehr genau, was funktioniert und was nicht. Unsere Kundenbasis und die verwalteten assets sind ja schon vorhanden, andere Startups müssen sich erst einmal einen Kundenstamm aufbauen und üben gerade mit ihren ersten Kunden die neuen Anlagekonzepte. Zudem verfügen wir über eine BaFin-Lizenz, das heißt wir werden von der Bundesaufsicht für Finanzdienstleistungen regelmäßig geprüft.

Wie wichtig ist eine BaFin-Lizenz im Hinblick auf die Investoren?
Ein Fintech ohne BaFin-Lizenz kann keinen Beratungs- oder Verwaltungsauftrag mit dem Kunden eingehen. Damit ist eine Kundenbeziehung im eigentlichen Sinne nicht vorhandenen. Clevere Investoren werden dies bemerken und auf eine eigene, auch rechtlich legitimierte Kundenbeziehung Wert legen.

Wie hoch sehen Sie persönlich die Überlebenschancen der meisten FinTechs?
Fintechs, denen es gelingt einen echten Mehrwert für den Kunden zu schaffen und die über eine ausreichende finanzielle Basis verfügen, haben gute Überlebenschancen. Allerdings sind die regulatorischen Hürden gerade im Banken- und Finanzdienstleistungsbereich sehr hoch und können sich als Hemmschuh erweisen. Hinzu kommt, dass der Weg in die Profitabilität und die Gewinnung einer ausreichenden Kundenbasis ein Marathonlauf ist und kein Sprint. Von daher glaube ich, dass nur circa 10 % der FinTechs langfristig gute Überlebenschancen haben.

Zur Person:
Karl Matthäus Schmidt ist Vorstandsvorsitzender der quirin bank AG und Gründer von quirion, dem digitalen Anlageberater der quirin bank. Er gründete bereits 1994 im Alter von 25 Jahren Consors, den ersten Online-Broker Deutschlands. Mit quirion ermöglicht Schmidt online-affinen Anlegern seit 2013 eine Online-Vermögensanlage. Quirion betreut derzeit rund 1100 Depots mit einem Gesamtvolumen von 35 Millionen Euro. Der Mindestanlagebetrag liegt bei 10.000 Euro.

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