Reaktionen und Kommentare

#Brexit: Das sagt die Startup-Szene zum EU-Austritt

Die EU wird wieder kleiner. Großbritannien verlässt nach dem gestrigen Referendum in zwei Jahren die Europäische Union. deutsche-startups.de dokumentiert an dieser Stelle die interessantesten, spannendsten und wichtigsten Start-up-Kommentare zum Briten-Austritt aus der EU.
#Brexit: Das sagt die Startup-Szene zum EU-Austritt
Freitag, 24. Juni 2016VonAlexander

Es ist tatsächlich passiert – auch wenn das Ergebnis knapp ist! Die Briten bzw. die Engländer und Waliser – wollen die EU verlassen. Die Volksabstimmung wird auch massive Auswirkungen auf das europäische und deutsche Start-up-Ökosystem haben. Wie weit diese reichen, ist derzeit kaum absehbar. Im schlimmsten Fall verliert England seine klugsten und innovativsten Köpfe, seine spannendsten und innovativsten Start-ups, seine wichtigsten und größten Geldgeber.

Die Folge könnte das Ende der englischen Start-up-Szene sein, wie wir sie kennen – gerade im Hinblick auf das boomende FinTech-Segment. Auf der anderen Seite könnte es für europäische Start-ups schwieriger werden, Engländer als Mitarbeiter einzustellen und es könnte schwieriger werden in Großbritannien zu arbeiten. In der Start-up-Szene wird schon heftig über den Brexit diskutiert – vor allem auf Twitter und Faceboook kommentieren viele Gründer und Investoren über die Folgen für Großbritannien.

“Verringerung der Neuansiedlung”

deutsche-startups.de dokumentiert die interessantesten, spannendsten und wichtigsten Kommentare. Die German Startups Group (GSG) etwa erwartet positive Auswirkungen für den Standort Deutschland. “Erst in 2015 ist Berlin in Anzahl und Gesamtvolumen der Finanzierungstransaktionen von Startups an dem zuvor in Europa dominanten Standort London vorbeigezogen. Nun wird sich diese Entwicklung beschleunigen und sich der Abstand von Berlin vs. London zügig vergrößern. Wir rechnen sowohl mit der deutlichen Verringerung der Neuansiedlung von Startups in London zu Gunsten von Berlin als auch mit dem Zuzug erfolgreicher Londoner Startups. Das dürfte in besonderer Ausprägung für den besonders dynamischen Sektor der FinTechs zutreffen”, sagt GSG-Macher Christoph Gerlinger.

“Bürokratische Hürden”

“Ein Brexit bedeutet einen Rückschritt für den europäischen E-Commerce, der mit einem Anteil von 60 % die stärksten Umsätze in Großbritannien, Frankreich und Deutschland verzeichnet”, sagt Florian Seikel vom Händlerbund. “Die Konsequenzen für Online-Händler sind weitreichend. Wir sehen die Last vor allem auf den kleinen- und mittelständischen Online-Händlern, die es schwer haben könnten, eventuelle höhere Versandkosten zu tragen und bürokratische Hürden, wie mögliche Wiedereinführung von Zöllen und der Einfuhrumsatzsteuer, zu überwinden.”

“Erschwerter Zugang zu 64 Millionen Konsumenten”

Der Startup-Verband sieht ebenfalls Berlin als Brexit-Gewinner, teilt aber auch mit: “Es ist ein Sieg, den wir nicht wollen und nicht feiern werden. Wir sehen uns schon lange nicht mehr als deutsche oder britische Gründer. Wir sind europäische Gründer. Unsere Startups gründen wir für internationale Märkte. Ein offener und starker Binnenmarkt ist die Voraussetzung für eine starke Startup-Szene in Deutschland und Europa. Die deutschen Startups werden den erschwerten Zugang zu 64 Millionen Konsumenten im Vereinigten Königreich verkraften und an anderen Stellen deutlich profitieren. Die eigentliche Rechnung zahlen ab heute die britischen Startups”.

“Business as usual”

Tom Rahder, Vice President Marketing von Ebury hat dies zu sagen: “Obwohl wir ein in Großbritannien ansässiges Unternehmen sind, haben wir uns breit in vielen verschiedenen Ländern Kontinentaleuropas aufgestellt. Das Brexit-Ergebnis wird die Bedeutung unserer bestehenden Expansions-Strategie mit neuen Büros in ganz Europa – einschließlich Deutschland im Laufe des Jahres – verstärken. Wir glauben, dass es sehr wahrscheinlich ist, Finanzdienstleistungen auch weiterhin länderübergreifend und EU-weit anbieten zu können. Daher haben wir erstmal keine Pläne, unser Hauptquartier innerhalb der EU zu verlegen. Man sollte im Hinterkopf behalten, dass es mindestens zwei Jahre dauern wird, bis Großbritannien die EU tatsächlich verlässt, weshalb in der nahen Zukunft erstmal ‘business as usual’ angesagt ist”.

“Key factors for the success of Zalando”

Auch beim Dickschiff zalando betrachtet man den Brexit mit Sorge: “From a business perspective, the single European market brings advantages to both customers and businesses. We are convinced that notably the convenient cross-border commerce and the freedom of movement for workers within the European Union are key factors for the success of Zalando and other players”.

“Auf große Märkte angewiesen”

Für Scalable Capital-Macher Erik Podzuweit ist die Sache eindeutig: “Start-ups sind auf starkes Wachstum und damit auf große Märkte angewiesen. In der Finanzwelt definiert sich die Marktgröße auch nach regulatorischen Grenzen – in Europa ist das der Europäische Wirtschaftsraum. Hier sind sämtliche Finanzinstitute über den sog. „Europäischen Pass“ mit der Zulassung in einem EU-Staat berechtigt, auch in allen anderen Mitgliedstaaten aktiv zu sein. Mit dem Brexit könnte der Markt für Finanzinstitute, die nur mit einer FCA-Erlaubnis agieren, schrumpfen. Da die Beantragung einer Erlaubnis teuer und komplex ist, werden Fintech-Gründer, die nicht über ein großzügiges Startkapital verfügen, zumindest anfänglich abwägen müssen, ob sie sich um eine Erlaubnis für die gesamte EU mit ihren 450 Millionen Bürgern oder um eine Konzession für Großbritannien mit 65 Millionen Einwohnern bemühen. Darüber hinaus könnte der Arbeitsmarkt für Fachkräfte von der Unsicherheit betroffen sein. Nur jede zweite IT-Fachkraft in Großbritannien ist derzeit Brite. Gerade EU-Ausländer könnten sich daher künftig überlegen, ob sie ein Arbeitsvisum für den gesamten EU-Raum oder nur für Großbritannien beantragen wollen”.

#Brexit: Das sagt die Startup-Szene zum EU-Austritt

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Foto: Brexit from Shutterstock

Alexander

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.