Startups brauchen soziale Akzeptanz und Open Privacy
Die alte Annahme der Wirtschaftswissenschaft, dass Menschen anhand rationaler Faktoren konsumieren, war nie richtig. Der sogenannte “Homo Oeconomicus” ist eher ein “Homo Socialis & Emotionalis”, also ein sozial und emotional beeinflussbarer Mensch. Unsere Entscheidungen werden durch Freundeskreise, familiäre Erziehung, den Stadtteil und den sozialen wie auch beruflichen Status beeinflusst. Was Menschen tun oder auch konsumieren, wird durch unbewusste soziale Einflüsse ihres Umfelds bestimmt.
Wer also als Startup neu auf den Markt kommt, muss sich nicht nur fragen, ob sein Geschäftsmodell durchdacht und vernünftig finanziert ist, sondern auch: Wie sorge ich dafür, dass mein Produkt die Zielgruppe emotional und sozial anspricht? Und wie schaffe ich es so, Aufmerksamkeit auf meine Produkte zu lenken?
Hierfür lohnt ein Blick in die Verhaltensökonomie, auch bekannt als Behavioral Economics-Forschung, die international am schnellsten wachsende Teildisziplin der Wirtschaftswissenschaft und Wirtschaftsberatung. Der Vorteil der Behavioral Economics: Die Nachprüfbarkeit der Analysen, was wichtig für die Wiederholbarkeit von Aktivitäten und Strategiegrundlagen ist.
Soziale Akzeptanz: Die Währung der Zukunft
Wer als Startup potenzielle Kunden erreichen möchte, darf nicht unter der Glasglocke leben, sondern muss sich für den Austausch öffnen: Denn soziale Akzeptanz entsteht durch sozial kompatibles Verhalten, das vom Teilen bis zum Kooperieren und darüber hinaus reicht.
Und genau diese soziale Präsenz (Social Value ist die Währung der Zukunft, denn Geldwert und Finanzkraft allein reichen nicht mehr aus. Nur wer sozial anerkannt ist und sich transparent sozial kompetent im Sinne der eigenen sozialen Gruppe(n) verhält, dessen Empfehlungen oder Entscheidungen werden von seinem sozialen Umfeld geachtet – dazu zählen der Freundeskreis, die Kollegen, Unternehmen, Marken- oder Sportvereins-Fans und viele mehr.
Wer es stattdessen wagt, den sozialen Austausch zu unterbinden oder zu behindern, der stört den Zusammenhalt der Gruppe. Und wird in Folge von der Gruppe isoliert, übergangen oder ersetzt.
Kein Wunder, dass diese unbewussten Motivationen auch für den einzelnen Menschen gleichermaßen wie für Unternehmen oder Marken so starke Wirkungen haben.
Denn unser menschliches Sozialverhalten wird durch ererbte soziale Grundverhaltensmuster bestimmt, die sich seit der Steinzeit kaum geändert haben. Die heutigen digitalen Technologien und Medien wie auch klassische Markttrends werden durch soziale Gruppendynamiken bestimmt: Die Sippen- und Clan-Sozialstrukturen der Steinzeit unterscheiden sich hier nicht von den heutigen Fußball- und Marken-Fans oder selbst politischen Bewegungen. Stets spielt die Gruppenzugehörigkeit die gewichtige Rolle.
Entsprechend ist soziale Ausgrenzung – in der Steinzeit aus der Überlebensgemeinschaft, heute etwa aus dem Kreis der Internetnutzer oder einer Community – nach wie vor der Worst Case.
Open Privacy: Von XING bis Minecraft
Soziales Leben erfordert Gruppenzugehörigkeit – ob als Familie, Fußballfans oder Startup-Team. Und jede Gruppe lebt von ihrer inneren Transparenz: Eine zuerst vielleicht widersprüchlich klingende offene Privatsphäre, auch Open Privacy genannt. In Zeiten von sozialen Netzwerken leben wir Menschen freiwillig unsere (selbst gesteuerte) Transparenz der unterschiedlichen Privatsphären.
Gleichermaßen wird eine ähnliche Transparenz von Anderen erwartet – etwa von Marken und Unternehmen, Institutionen und Politik. Dabei reichen die Möglichkeiten der Offenheit von Lebensläufen bekannter Topmanager, die auf XING einsehbar sind, bis hin zur transparenten Produktentwicklung wie beim Game Minecraft, die dann für rasche gruppendynamische Erfolge sorgte .
Open Privacy war seit jeher – und ist es auch in Zukunft – Bedingung für gesellschaftliches Fortkommen und wirtschaftlichen Erfolg.
Wer nachhaltige und umfassende Kundenbindung schaffen möchte, dem ist die einfache Open Privacy-Methodik zu empfehlen. Dadurch helfen wir, gleichzeitig die Marken- und Produktgestaltung für die Zielgruppe nachvollziehbar zu machen, weil sie Prozesse transparent macht.
Was heißt das nun für Startups?
Jede Marke, die den Markt für sich erobern möchte, braucht eine starke Akzeptanz bei ihren Kunden und Zielgruppen. Und auch jedes Startup wird sowohl seine Kunden-Zielgruppen als Fans und Community-Mitglieder gewinnen müssen, wie auch die eigenen Mitarbeiter.
Dafür braucht es eine starke Vorbild-Funktion: Etwa durch eine gemeinsame Mission, die die Gruppe aneinander bindet, durch gemeinsame Ethik und Werte oder durch Schaffen einer sozial attraktiven Präsenz am Markt. Sehr wirksam ist hier natürlich auch das David-vs-Goliath-Prinzip: Wenn ein Startup, wie der Webfuture Award Gewinner Protonet, sich den angeblich übermächtigen Clouddiensten gegenüberstellt, wenn Tesla gegen die unflexibel geltenden Autohersteller antritt, dann sind das Geschichten, die innerhalb und außerhalb des Unternehmens (ver-)binden. Es sind gerade diese Helden, die für den sozialen Zusammenhalt der Teams wie auch der Zielgruppen den sozialen Focus bilden. Sie sind soziale Vorbilder.
Fazit für Startups:
- Durch das Bilden von Fan-Gruppen lässt sich der Erfolg gezielt starten und steuern.
- Marketing, das Psychologie und Verhaltensökonomie gesteuert einsetzt, ist erfolgreicher.
- Für Maßnahmen sind stets das soziale Umfeld und unbewusste Motivationstreiber der Zielgruppen zu analysieren. Dann vermeidet man negative Überraschungen und ist nicht nur auf das grobe Bauchgefühl angewiesen. Schon eine erste kurze Analyse der bestehenden Zielgruppe(n) kann hilfreich sein. Hierfür gibt es Methoden und Werkzeuge.
- Beim Start des Unternehmens und der Evaluierung des Unternehmenskonzepts ist die den Maßnahmen vorhergehende Charakterisierung der Wunschzielgruppe hilfreich, um einen Richtwert aufzustellen.
- Teammotivation lässt sich steuern und steigern.
- Trends und Hypes lassen sich gezielt initiieren, steuern und steigern.
- Erfolge und Chancen aber auch Risiken und Lücken lassen sich vorab erkennen: Daran ausgerichtet kann man entsprechende Maßnahmen und Aktionen vorbereiten und etwa eine Roadmap planen.
- Soziale Netzwerke und soziale Traditionen schaffen soziale Anziehungskraft und Aufmerksamkeit.
- Diese und weitere Faktoren gelten und wirken nahezu branchenübergreifend.
Zur Person
Walter Matthias Kunze ist Gründer und Geschäftsführender Gesellschafter von trendquest, einem der führenden Think Tanks für Zukunftsforschung, Strategie und Behavioral Economics in Deutschland. trendquest wird u. a. gebucht von Auftraggebern der Bereiche Automotive & Mobility, Energie, Medien & Digitale Infrastruktur, Government und Gesellschaft. Dieser Artikel entstand in Zusammenarbeit mit nextMedia.Hamburg.