Limberry – der Erfolg kam mit einer Konzeptänderung
Sibilla Kawala ist eine Frohnatur. Lacht, strahlt, versprüht gute Energie. Doch hinter der fröhlichen, sanften Stimme verbirgt sich eine echte Kämpfernatur. Dieser Kämpfergeist hat ihr am Ende durch eine Phase geholfen, in der das Aufgeben nicht mehr weit entfernt lag. „Ohne meine Willenskraft hätte ich das nicht durchgestanden. Aber ich hatte schon im Kindergarten meinen eigenen Kopf, und ich ging gerne mal nach links auch wenn wir rechts gehen sollten und zu meinem Erstaunen zog noch die ganze Gruppe mit“, lacht die 32-Jährige.
„Dann gebe ich den Leuten eben Dirndl und Trachten!“
Vor sechs Jahren startet Kawala mit Limberry, einem Online-Shop für konfigurierbare Damenmode. Davor war sie für zwei Jahre ins Familienunternehmen eingestiegen, eine Firma für Stahlvertrieb. Doch das Thema reizte sie so wenig, dass sie selbst und ihr Vater einsehen mussten: Das wird nichts. Sie entscheidet sich für Mode und die Selbstständigkeit. „Es ist vielleicht wie nach einer gescheiterten Beziehung: Der nächste Partner ist das genaue Gegenteil. Nach der Stahlindustrie wollte ich ein kreativeres, mir näher stehendes Thema.“
Als sich Kawala nach dem BWL-Studium an die Promotion macht, wählt sie das Thema „Mass Customization“. Sie will einen eigenen „Business Case“ schaffen. Mit Hilfe von Limberry sollen Frauen ihre Klamotten selbst designen und mit Applikationen versehen. Eine tolle Idee – die aber wenige in Anspruch nehmen. Nur eine kleine Neben-Rubrik findet Beachtung: Dirndl. Verschiedenste Presseartikel erscheinen, immer geht es darin um den Dirndl-Konfigurator.
„Irgendwann hatte ich das Gefühl: Ich bin nicht Jacke und nicht Hose. Wenn die Leute mich als Trachten-Onlineshop wahrnehmen, dann gebe ich ihnen eben Dirndl und Trachten!“ Aus einem Online-Konfigurator für Damenmode wird ein Dirndl-Konfigurator. Der wirtschaftliche Durchbruch bleibt trotzdem aus.
Ende 2013 steht Kawala vor der Frage, vor der sich jeder Gründer fürchtet: „Aufhören oder erneute Konzeptveränderung?“ Da hat sie bereits drei Jahre gekämpft, um aus ihrem hoch gelobten und mit Preisen dotierten Start-up ein wirtschaftliches Unternehmen zu machen. Das Geld – Limberry ist bis heute komplett eigenfinanziert – wird knapp, es fehlt Perspektive. Kawala hört auf, Gründerveranstaltungen zu besuchen. Auch die Nachfragen von Freunden und Bekannten sind für sie immer schwerer auszuhalten. „Nach außen hin sah es glanzvoll aus. Die Leute dachten, es läuft bombastisch und beglückwünschten mich. Aber außer extrem hohen Verweildauern passierte leider nicht viel auf unserer Seite.“
Entscheidende Erkenntnis: „Die Nische ist zu klein.“
Aus der brünetten Frohnatur wird eine zurückgezogene Gründerin, die sich mit Selbstzweifeln und der Frage martert, warum der Durchbruch ausbleibt. „Wenn man drei Jahre lang alles gibt an Zeit, Erspartem und Herzblut und das eigene Projekt einfach nicht gedeiht, ist das wahnsinnig deprimierend.“
Heute, zweieinhalb Jahre später, spricht Kawala von „Betriebsblindheit“. Ihr habe der richtige Blick auf die Sache gefehlt. Erst die Rückmeldung von E-Commerce-Kollegen und Uni-Professoren lässt sie erkennen, was im Nachhinein offensichtlich scheint: Die neue Nische ist zu klein.
Kawala kratzt noch einmal allen Mut zusammen und entscheidet sich für eine weitere Konzeptumstellung. Sie holt externe Trachten-Hersteller mit ins Boot und designt eine eigene Kollektion. „Viele Menschen mögen die Idee, etwas selbst zu entwerfen, aber trauen es sich am Ende nicht zu oder scheuen die höheren Preise und Lieferzeiten. Sie brauchen etwas Fertiges, das sie direkt kaufen können.“
Prozessoptimierung? „Luxus-Problem.“
Im Mai 2015 legt sie los. Zunächst ist es schwer, Trachten-Hersteller dafür zu gewinnen, über eine Konkurrentin zu verkaufen. Doch als die ersten mit im Boot sind, wird es leichter. Und die Umsätze steigen von Woche zu Woche. Kawala kann es kaum fassen: „Endlich konnte ich wirklich ein Unternehmen führen mit Luxus-Problemen wie der Optimierung von Prozessen. Vorher gab es ja nichts, das ich hätte optimieren können.“
Mittlerweile hat die Hamburgerin nicht nur ihre Lebensfreude wieder, sondern auch das Arbeiten im Familienunternehmen: Die Familienmitglieder haben die Rollen getauscht, ihre Eltern arbeiten nun bei Limberry mit. Kawala, die ein echter Familienmensch ist, findet es fantastisch. Sie kommt besser damit klar als umgekehrt: „Mit meinem Dickkopf und Durchsetzungswillen wäre ich eine echt miserable Angestellte.“
Wenn sie zurückschaut auf ihre Gründungsjahre ist sie dankbar für ihre Eigenschaft, sich durchzubeißen. „Es gäbe bestimmt noch viele Start-ups, wenn man diese harte Phase durchstehen würde.“ Aber sie ist auch selbstkritisch: „Ich hätte mir früher eingestehen können, dass man den Markt zwar mit Marketingtätigkeiten beeinflussen kann, aber keine Nachfrage erzwingen.“ Manchmal ist eine Geschäftsidee zwar theoretisch gut, aber in der Realität nicht gewinnbringend. „Das ist wie mit dem Kommunismus: Theoretisch eine gute Idee, aber praktisch nicht umsetzbar.“
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