Thomas Andrae verstärkt die Factory
Partnership-Modell: Die Factory wird ein digitaler Business-Club
Personeller Neuzugang in der Factory Berlin. Mit Thomas Andrae verstärkt ab 1.5. kein Unbekannter den Start-up Campus in der Hauptstadt. Unter seiner Tätigkeit als Chief Strategy Officer soll sich die Factory vom reinen Co-Working-Space hin zu einem Business-Modell entwickeln. Über die Ziele und Pläne für die kommenden Monate spricht er im Interview.
Nach Stationen bei Linden Capital und 3M New Ventures werden Sie nun als Chief Strategy Officer für die Factory Berlin tätig. Warum haben Sie sich zu diesem Schritt entschieden?
Das hat mehrere Gründe. Ich bin in Berlin groß geworden, habe dann aber insgesamt über 10 Jahre in den USA und Asien gelebt. Ein bisschen Heimweh war auch dabei. Hauptgrund aber war, dass sich allmählich zeigt, welche Position Berlin international einnimmt und künftig haben wird. Berlin wird – davon bin ich überzeugt – das Silicon Valley Europas. Aufgrund seines Magnetismus, den Berlin ausübt, kommen vor allem junge Leute hierher, die sehen, was für ein toller Standort Berlin ist und was hier alles passiert.
Berlin ist eine offene und liberale Stadt, zu der man schnell Zugang findet. Zudem hat Berlin gute Hochschulen zu bieten, die Mieten sind im Vergleich immer noch günstig. Was fehlt, ist nach wie vor das Kapital. Doch Deutschland zieht nach, das begreifen auch die Amerikaner. Die Tickets hierzulande werden höher, wir begeben uns auf Augenhöhe mit den US-Investoren. Es findet gerade ein Paradigmenwechsel statt!
Die Factory ist jetzt schon international: 70 Prozent kommen nicht aus Deutschland, sie kommen aus vielen Ländern Europas, aber auch immer mehr Amerikaner arbeiten hier.
Sie sind seit dem 1. Mai fest an der Factory. Was sind Ihre Aufgaben?
Seit einigen Monaten bin ich bereits mit der Factory assoziiert, seit dem 1.5. auch als Gesellschafter. Was ich hier mache: Ich will gemeinsam mit dem deutschen Mittelstand und der deutschen Industrie überlegen, wie sie ihre Kompetenzen in die digitale Welt transformieren können und sie darin unterstützen. Ich bringe sie dann über die Factory untern anderem mit Start-ups, Company Buildern, Venture Capital Gebern oder Acceleratoren in Kontakt, die digital getriebene Geschäftsmodelle in ihren Bereichen entwickeln oder finanzieren.
Wir wollen in der Factory künftig zusammen mit unserem Netzwerk, das sind Unternehmen wie Google, Uber, Twitter, Pinterest, Soundcloud etc. und große Finanzierer wie Lakestar oder Founders Fund, Inhalte schaffen, die relevant für Unternehmen sind. Wir wollen auch deswegen weitere Firmen in dieses Netzwerk hineinholen, um ihnen ein Verständnis davon zu geben, wohin die digitale Reise gehen wird. Das heißt: Das Unternehmen kann in der Factory arbeiten und erhält Zugang zu über 700 Veranstaltungen, die wir hier pro Jahr organisieren und durchführen.
Wer ist denn ein Corporate Partner bzw. wer kann es werden?
Das sind der deutsche Mittelstand und große deutsche Konzerne, aber auch internationale Partner wie Takeda, der größte Pharmakonzern Asiens. Unsere Aufgabe ist es, mit diesen Unternehmen einen Diskurs über den kommenden, digital getriebenen Kontext in Ihrer und in angrenzenden Industrien zu führen. Wir werden Ihnen relevante Wege auf dem Weg vom Produkt zur Lösung zum Ecosystem aufzeigen, auf Basis unserer Kenntnis der internationalen Märkte, neuen Geschäftsmodellen und neuen Wegen der Interaktion mit Kunden und Partnern.
Ziel ist es, dass Corporates die Start-ups und ihre digitalen Innovationen kennen lernen, es zu einer Zusammenarbeit kommt und die Corporates idealerweise sogar in diese Start-ups investieren.
Zudem sehen wir auch ganz neue Trends und Tendenzen. Künstliche Intelligenz ist gerade ein großes Thema, genauso wie die rasante Entwicklung im Kontext Genomanalyse. Das ist für Pharmakonzerne relevant, aber auch für Versicherungen und andere Bereiche von Wirtschaft und Gesellschaft.
Wie sehr hat sich die Factory seit dem Start verändert?
Co-Working wird Commodity. Unsere Aufgabe heute ist, unser hoch relevantes Netzwerk mit Unternehmen wie Google, Uber, Continental, EOS, Daimler, etc. zum Mehrwert für die Start-ups und die Corporate Partner einzusetzen. Daher bieten wir für Start-ups Factory Memberships für 50 Euro pro Person und Monat an, mit vollem Zugang zu unserem Netzwerk und unseren Veranstaltungen. Damit bieten wir ein hohes Maß an Relevanz über Co-Working hinaus. Und helfen dabei, echtes Geschäft zu entwickeln.
Davon werden die klassischen Unternehmen profitieren, denn unsere Vorauswahl der Startups ist entsprechend gut. Wir haben so viel Know-how und Expertise, so dass wir beurteilen können, ob ein Start-up für die Corporates relevant ist. Wir wissen, wo Geschäftsmodelle auf Basis der Digitalisierung hingehen werden. Und das international!
Zudem wissen wir sehr genau, was Investoren derzeit suchen. Das sind typischerweise die nächsten großen Trends und sind in der Lage, die Möglichkeit, diese auf die betroffenen Industrien zu übertragen.
Sie haben ein Partnership-Modell für Corporates in der Factory etabliert. Wer soll da künftig mitmachen und was kostet das?
300.000 Euro im Jahr. Neben vielen weiteren Leistungen bekommt man ein festen persönlichen Ansprechpartner, der einen durch unserer Netzwerk navigiert und relevante Verbindungen herstellt – mit jungen Unternehmen, potenziellen Partnern, Co-Investoren, anderen Konzernen oder Mittelständlern. Zusammen mit anderen Factory Partnern kann man gemeinsame Formate wie z.B. eine Konferenz definieren, oder rollierend eigene Mitarbeiter nach Berlin an die Factory holen.
Ich führe mittlerweile fast täglich Gespräche mit den Corporates, die hier stattfinden wollen. Es geht darum, hier einen großen digitalen Business-Club zu bauen. Hier sollen sich ganz informell Menschen aus der Startup Szene treffen, aber drei Tische weiter sollen die großen Corporates sitzen. Beide sollen auf unkomplizierte Weise über kurze Wege miteinander in Kontakt kommen! Wenn wir über den deutschen Mittelstand reden, dann über Unternehmen mit einem Umsatz ab 50 Millionen Euro. Bis hin zu DAX Unternehmen.
Wie viele Factorys verträgt Deutschland?
Die Frage ist vielmehr: wie viele Factorys verträgt Berlin? Wir sehen Berlin ganz klar als den Konzentrationspunkt. Die anderen Städte haben einfach nicht die notwendige Größe für das Ökosystem, auch ein München nicht.
Deshalb wollen wir keine Factorys außerhalb Berlins bauen. Wir beschränken uns darauf, die Factory zu vertikalisieren. Wir planen etwa sechs Verticals, zunächst zu den Themen FinTech, Automotive, Food&Nutrition, Advanced Mobility&Smart Cities. Die tiefe Technologie-Expertise, die wir hier haben, ist international anerkannt.
Wie groß sind nach wie vor die Berührungsängste des deutschen Mittelstandes zu Startups?
Die fallen im Moment radikal! Nicht nur die Großen haben es mittlerweile ganz klar auf dem Radar, sondern auch die Kleinen. Allerdings fehlt gerade den Kleinen noch der Weitblick für die vielen Möglichkeiten, die es abseits von Deutschland und den Finanzierungsmöglichkeiten gibt. Der Kardinalsfehler vieler besteht darin, zu lokal zu suchen. Die Denke, die Ecosysteme prägt, findet derzeit primär in den USA statt! Die Corporates müssen genau wissen, was international geschieht, um konkurrenzfähig zu bleiben! Sonst fahren die an die Wand, wie es teilweise schon passiert ist. Wer heute als Mittelständler nicht über den Tellerrand schaut, macht einen Fehler. Diesen Blickwinkel können wir geben.
Unsere Industrie muss jetzt aufwachen, um nicht den Anschluss zu verlieren, denn was beispielsweise in USA in Sachen Ingenieurswesen passiert, ist bemerkenswert. Als Factory hauen wir jetzt auf die Glocke. Die Industrie darf nicht mehr produktbezogen denken, sondern Lösungen und Ecosysteme schaffen. Apple und Goolge haben uns das vorgemacht. Viele wissen noch nicht, dass der Hammer 20 cm über ihnen hängt.
Zur Person:
Nach seinem Studium der Informatik und der Betriebswirtschaftslehre arbeitete Thomas Andrae mehr als zehn Jahre im Management- und IT Strategie- Consulting in Nordamerika und Asien. Nach dem Verkauf seines Unternehmens gründete er die Beteiligungsgesellschaft Linden Capital, mit Fokus auf frühphasige Investments in schnell wachsende Unternehmen an der Schnittstelle zwischen Technologie und Kreativität, bevor er 2010 zu 3M wechselte.
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