Von Elke Fleing
Mittwoch, 20. April 2016

Sind Berater für Startups nur überbezahlte Besserwisser?

Für fast jedes Startup macht es Sinn, sich externe Expertise und vielleicht auch operative Unterstützung von Beratern beim Aufbau ihres Unternehmens hinzuzuholen. In diesem Gastbeitrag zeigt Christoph Rammé auf, unter welchen Umständen und wie man die Spreu vom Weizen trennt.

“Unternehmensberater sind überbezahlte Besserwisser, die nur für Unruhe sorgen”… oft bin ich als Berater mit diesem oder ähnlichen Statements konfrontiert worden. An Skepsis mangelt es zumeist nicht, und so stellt sich insbesondere für junge Firmen mit begrenzten Budgets die Frage, inwieweit der Einsatz externer Berater überhaupt sinnvoll ist.

Nach unserer Erfahrung lohnt sich der – wohldosierte – Einsatz von Beratern für Startups in drei typischen Situationen:

Teamstrukturen und Entscheidungswege sind unklar


Finden sich mehrere Gründer zu einem Team zusammen, ist die Rollenverteilung im frühen Stadium nicht immer klar. Oft führt das zu einem Verlust von Schlagkräftigkeit im Markt. Dr. Rudolf Lütke Schwienhorst, Consocium-Mitglied und Geschäftsführer der Partner im Dialog Unternehmensberater GmbH, berichtet, wie ein externer Berater bei der Lösung unausgesprochener Missverständnisse helfen kann:

“Es war das dritte Treffen mit den 4 Gründern. Die Diskussionen um Strategie, Marketing, Produktentwicklung und Finanzierung waren heftig und hilfreich – wie die vorigen auch. Trotzdem hatte ich als Berater das Gefühl, dass etwas nicht stimmte, und stellte die einfache Frage: Wenn die Firma gegründet ist, wer wird dann der Chef sein?

Als vier Arme in die Höhe gereckt wurden, wussten alle im Raum, dass nun ein Klärungsprozess beginnen musste. Und so ist es oft, dass es im Überschwang des Gründungselans den Außenstehenden braucht, um die selbstverständlichen Fragen zu stellen, die sonst übersehen werden.

Das vierte Treffen mit den Gründern haben wir genau diesen Fragen gewidmet – mit den entsprechenden ‘Hausaufgaben’ zur Vorbereitung. Im ersten Schritt ermittelte jeder vorab im Selbsttest sein ‘Kaliber von Führung’, was wir im zweiten Schritt aneinander ausgerichtet und mit den Erfahrungen der Beteiligten und ihren internen Kompetenzzuschreibungen abgeglichen haben.

Danach war die Startaufstellung für die Organisation rasch und im Konsens klar – und die persönlichen Entwicklungsprogramme für die Gründer gleich mit.”

In einem Teilbereich fehlt es dem Gründerteam an der nötigen Expertise


Wenn einem Gründerteam in einzelnen Bereichen Know How und Erfahrung fehlt, kann ein externer Berater die nötigen Erfahrungen beitragen – oder auch phasenweise operativ Verantwortung übernehmen. Bettina Pauck, Consocium-Mitglied und Geschäftsführerin von ConSourcing, berichtet, wie sie den Kundenservice eines Online-Händlers wettbewerbsfähig gemacht hat:

“Bei einem Berliner Startup funktionierte der Customer Service nicht. Die Erreichbarkeit für die Kunden war schlecht, die Qualität der Antworten mangelhaft, und die Beschwerden häuften sich. Außerdem bestand ein deutliches Problem in der Führung des Bereichs.

Als Einstieg haben wir einen Analysetag durchgeführt, bei dem ich mir das Problem genauer ansehen konnte und dann einen klaren Maßnahmenplan zur Verbesserung vorgelegt habe. Das hat dem Gründerteam eine gute Basis gegeben, meine Leistung und meine Arbeitsweise einzuschätzen. Damit fiel die Entscheidung, mich als Interims-Managerin für den Customer Service zu engagieren.

Nachdem die genannten Maßnahmen schnell eingeführt werden konnten (z.B. Spezialisierung der Mitarbeiter, technische Unterstützung über Call-Routing, Einführung eines Forecasting-Prozesses), waren die ersten Änderungen in den Ziel-KPIs nach wenigen Tagen sichtbar.

Die Skepsis, die anfangs den Berater-Tagessatz begleitete, war nach diesen Erfolgen vergessen, da der Wert der Leistung schnell spürbar wurde.”

Es fehlen Erfahrung und Koordination im Gründungsprozess


Oft können Gründerteams zwar alle nötigen fachlichen Kompetenzen abdecken, aber es fehlt an Erfahrung mit der Komplexität und den typischen Herausforderungen im Gründungsprozess an sich.

Ein Beispiel von Prof. Dr. Martin Selchert, Consocium-Mitglied und Professor für Marketing und Unternehmensführung an der Hochschule Ludwigshafen am Rhein, zeigt: Ein guter Berater kann wertvolle Methodenkompetenzen einbringen und durch die Steuerung der Spezialisten unterstützen, viele Puzzle-Teile zu einem erfolgreichen Ganzen zusammenzufügen:

“In der Entwicklung eines Digital-Startups, für das ich als Berater tätig war, traten mehrere Herausforderungen auf:

Herausforderung Nr. 1: Wie kann man das wirtschaftliche Potenzial einer Technologie schätzen, für die es weder definierte Produkte noch einen bestehenden Markt gibt?
Wir haben dazu zunächst das Geschäftsmodell präzisiert und auf dieser Basis mittels eines Customer Business Case geprüft, wie viel Mehrwert für einen Kunden unter verschiedenen Annahmen entstehen kann. Hier war methodisch überzeugende Arbeit wesentlich, da die Investoren das Modell intensiv geprüft haben.

Herausforderung Nr. 2: Wie kann die Zahlungsbereitschaft für die definierten Produkte ermittelt werden?
Dazu haben wir eine Conjoint-Analyse konzipiert und die Zahlungsbereitschaft für alternative Produktkonfigurationen abgeleitet. Die Daten sind so flexibel einsetzbar, dass das Startup jetzt selbst anfänglich nicht explizit getestete Produktvarianten bewerten kann.

Nach erfolgreicher erster Finanzierungsrunde kam Herausforderung Nr. 3: Die ganz operative Entwicklung einer Vertriebsstrategie und -steuerung.
Die verwendeten Steuerungskennzahlen mussten relevant und leicht ermittelbar sein – und gleichzeitig den Anforderungen der Shareholder (Konzerne) entsprechen. Ganz pragmatisch konnte ich dem Startup auch dabei helfen, ‘nebenbei’ ein Customer-Relationship-Management-System einzuführen – was in einem Großkonzern ein aufwändiges Projekt gewesen wäre.”

Was der Berater können muss – Kriterien für die Auswahl

Ist die Entscheidung pro externe Unterstützung gefallen, stellt sich schnell die Frage: Welcher Berater passt zu meinen Bedürfnissen? Hier lassen sich – neben den typischen Anforderungen wie der jeweiligen Branchen- oder funktionalen Kompetenz – unserer Erfahrung nach eine Reihe von Kriterien benennen, die insbesondere für Startups relevant sind:

Der Berater muss unternehmerisch agieren. Der Berater muss quasi im Startup als ‘Embryo’ das erfolgreiche Unternehmen sehen und mitdenken, wie später alle Abteilungen zusammenwirken. Dabei ist ein ausgeprägter Pragmatismus in der Kultur- und Strukturentwicklung wertvoll.

Um Reibungsverluste zu erkennen und zu regeln, ist eine Organisationsstruktur auf 3 Seiten hilfreich, nicht auf 30 oder 300 Seiten mit Handbuch.

Startups brauchen beraterische Lebenserfahrung. Beim Startup sind seltener die Spezialanalyse und das extrem ausdifferenzierte Konzept die Engpässe. Weit häufiger geht es um die Verknüpfung von Expertise und Intuition, also darum, die blinden Flecken in der Eigenwahrnehmung der Gründer aufzuspüren und die ‘Löcher’ im angedachten System zu identifizieren.

Bestimmte Startups brauchen konzernerfahrene Berater. Das mag zunächst überraschen. Aber: Startups kooperieren oft mit etablierten Unternehmen. In diesen Fällen ist ein Berater hilfreich, der auch die Konzerndenke beherrscht. Er weiß, wie das Konzept der Bank oder den Beteiligungsunternehmen zu präsentieren ist, und bereitet die Gründer auf die typischen Fragen vor.

Gute Berater verändern. Ein guter Berater stellt sicher, dass sich in dem Unternehmen, das er berät, auch etwas ändert, dass Maßnahmen zügig umgesetzt werden. Die zweitbeste Lösung, die implementiert wird, ist besser als eine brillante Ausarbeitung, die in der Schublade landet.

Wie man den passenden Berater auswählt – Tipps zur Vorgehensweise


Ein erster zweistündiger Termin, in dem gemeinsam erarbeitet wird, was der Inhalt des Beratungsauftrags ist, klärt die wesentlichen Fragen: Versteht mich der Berater? Stiftet er mir einen Wertbeitrag? Macht es Spaß, mit ihm zu arbeiten? Stimmt die Chemie zwischen ihm/ihr und uns?

Darüber hinaus empfehlen wir Startups, sich Referenzen geben zu lassen und mit den angegebenen Personen dann auch Kontakt aufzunehmen.
Klarheit verschafft dann ein erster Analyse-Tag: Aufgabenstellung ist es, die Herausforderungen zu definieren und Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Danach wissen Gründer in der Regel, ob die gemeinsame Projektarbeit funktionieren wird.

Wo man den passenden Berater findet – Unterstützung bei der Suche nach Unterstützung
Aus der Vielzahl von großen und kleineren Beratungsfirmen und freien Beratern den richtigen zu finden, ist nicht immer einfach, wenn entsprechende Kontakte und Erfahrungen fehlen. Da kann ein Vermittlungsservice von Berater-Netzwerken wie Consocium durch einen Marktüberblick und zielgenaue Empfehlungen helfen: Jeder Freelancer ist persönlich bekannt und hat einen strengen Auswahlprozess durchlaufen, dem ein robustes Qualitätsmanagement zugrunde liegt.

Ideal bei der Besetzung eines Projekts ist ein guter Vermittler auch deshalb, weil er beide Seiten einschätzen kann: Er kennt die Persönlichkeit und die Kompetenzen des Beraters wie auch die Anforderungen des Startups. Dieses Matching nimmt den Gründern viel Sucharbeit ab.

Zur Person

Christoph Rammé ist Unternehmensberater und Gründer zugleich. Nach seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Hamburg, der Handelshochschule Leipzig (HHL) und der Hong Kong University of Science and Technology beriet er als Strategieberater bei Booz Allen Hamilton bzw. Booz & Company (heute Strategy&) vornehmlich Klienten aus dem Gesundheitswesen und der Pharma-Branche.
Anschließend gründete er mit der Consocium GmbH ein Netzwerk freiberuflicher Berater mit der Vision, für seine Klienten exzellente Berater mit Qualitätsanspruch für die anspruchsvollsten Aufgaben zu finden – zu erschwinglicheren Konditionen als bei den großen Beratungshäusern.

Bild oben: Shutterstock,Beratung