“Man legt sich die meisten Stolpersteine selbst in den Weg”
Was bedeutet es Ihnen, Ihr eigener Chef zu sein?
Natürlich ist es schön, sein eigener Chef zu sein. Man hat enorme Gestaltungsmöglichkeiten, man kann Sachen vorantreiben, Sachen wagen. Aber bei allem hat man vor allem auch Verantwortung und Verpflichtung – gegenüber Kunden, Mitarbeitern, Gesellschaftern, einer Menge Stakeholdern. Die erwarten, dass man das richtige gestaltet, das richtige voran treibt, die richtigen Sachen wagt.
Bei welcher Gelegenheit kam Ihnen die Idee zu Ihrem Start-up?
Als ich während meiner Doktorarbeit im Labor des MPIs für Experimentelle Medizin stand und dachte: „Das kann doch nicht wahr sein, dass ich eine Methode für ein Experiment von neu auf etablieren muss, weil die Dokumentation von Kollegen einfach nicht zugänglich, nicht auffindbar oder unzureichend ist.“ Nicht die Kollegen waren schuld, sondern dass alle Dokumentation im Labor noch auf Papier gemacht wird und kein digitales System dabei hilft, Daten, das Team, Ressources usw. zu organisieren – Die Idee war zu labfolder war geboren!
Woher stammte das Kapital für Ihr Unternehmen?
Zunächst aus einem Exist-Gründerstipendium, Ende 2013 haben wir dann eine erste Finanzierungsrunde gemacht, jetzt vor Kurzem im Juli 2015 unsere zweite.
Was waren bei der Gründung Ihres Start-ups die größten Stolpersteine?
Ganz ehrlich, ich könnte jetzt viel auf Bürokratie, mangelnde Risikofreudigkeit in Deutschland usw. rumhacken. Aber schlussendlich ist es doch so, dass das Team und man selber sich die meisten Stolpersteine selbst in den Weg legt. Strukturen aufzubauen, sich zu professionalisieren und sich zu fokussieren, war glaube ich die größte Herausforderung, ist und bleibt es wahrscheinlich auch für alle Start-ups!
Was würden Sie rückblickend in der Gründungsphase anders machen?
1.) Noch früher auf Vertrieb setzen, wirklich Cash-inflow zu generieren – das macht einen unabhängiger von Investoren, Förderprogrammen usw.
2.) Mehr auf Teambuilding achten – man kann nicht nur zusammen hart arbeiten, sondern muss auch zusammen gestalten.
3.) Nie denken, dass man ‚danach’, was immer auch ‚danach’ auch ist (Finanzierungsrunde, Messe usw.) was immer das auch ist eine ruhige Phase hat. Das ist nicht so. Gründen und ein Unternehmen aufbauen ist nicht ein Sprung in ein kaltes Becken. Es ist ein Sprung ins kalte Wasser, danach ein Sprung in ein noch kälteres, danach in ein noch abartigeres, kaltes Becken, usw.
Jedes Start-up muss bekannt werden. Welche Marketingspielart ist für Sie besonders wichtig?
Wir haben tatsächlich das Glück, dass unser Markt (Labor) ein Nischenmarkt in Sachen Menschen ist und ein Mega-Markt in Sachen Geld, man denke nur an die Pharma-Industrie. Das heißt aber trotzdem: Die Labor-Leute kennen sich weltweit, deshalb kommt man über Empfehlungs-Marketing gut voran. Diese Empfehlungen zu inzentivieren und skalierbar zu machen, daran arbeiten wir vor allem.
Welche Person hat Sie bei der Gründung besonders unterstützt?
Da gibt es so viele, dass es vermessen wäre, nur einen großen Mentor zu nennen. Michael Brehm hat mir sicher viele Türen geöffnet, Victor Henning von Mendeley war und ist ein großer Supporter und Mentor, mein Studienfreund Johannes Bankwitz von BurgerMe war und ist immer eine mentale Stütze. Und natürlich mein Co-Founder Florian Hauer, der mit mir durch dick und dünn gegangen ist!
Welchen Tipp geben Sie anderen Gründern mit auf den Weg?
Sucht Euch Euer Team gut aus! Ich kenne kein Start-up, dass nicht auf dem Weg zum Erfolg Probleme mit dem Team gehabt hätten. Das muss nicht an den Mitgründern liegen – man kann sich am Anfang ja gar nicht im Entferntesten vorstellen, durch was für harte Zeiten man zusammen gehen muss. Aber eine gute Selektion, ‚Stresstests’ usw helfen schon bei der Auswahl.
Sie treffen den Bundeswirtschaftsminister – was würden Sie sich für den Gründungsstandort Deutschland von ihm wünschen?
1.) Nicht mehr Förderprogramme, Forschungstransfer, staatliche Subventionen für Innovation, sondern Erleicherungen für Venture Capital. Das heißt auch neue Quellen für Venture Capital, wie z.B. Pensionskassen. Das in den USA auch Rentenkassen und staatliche Versicherungen in VC Fonds investieren können, hat dazu geführt, dass unglaublich viel Kapital zur Verfügung steht und Innovation selbst in Zeiten, in denen alle anderen Anlagearten (z.B. Anleihen) null Wert generiert haben, unglaublich viel Wert durch Innovation entstanden ist.
Konkret: Nach dem Platzen der Dot-Com Blase 2001 wurde in den USA fröhlich weiter in die Digitalwirtschaft investiert, während Deutschland den Schwanz eingezogen hat. Das hat dazu geführt, dass die USA jetzt mit Apple, Google und Co. die Digitalindustrie ganz klar dominieren, und zwar weltweit.
2.) Einfach nur die Möglichkeit, Mitarbeiter unkompliziert am Unternehmen zu beteiligen. Es ist doch ein Witz, dass Unternehmer ihren Mitarbeitern etwas abgeben wollen, weil diese das Risiko mit teilen – und es ein Deutschland einfach nicht möglich ist, eine richtige Beteiligung auf die Beine zu stellen! Jeden Falls nicht, ohne den Mitarbeiter wahnsinnigen Steuerrisiken auszusetzen.
Was würden Sie beruflich machen, wenn Sie kein Start-up gegründet hätten?
Professionell Skateboard fahren. Oder professionell Segeln. Spaß beiseite: Ich weiß es wirklich nicht.
Bei welchem deutschen Start-up würden Sie gerne mal Mäuschen spielen?
ResearchGate – bei denen bekommt man immer nur etwas mit, wenn die wieder eine große Finanzierungsrunde machen – was die zwischendurch treiben, würde ich gerne mal wissen.
Sie dürften eine Zeitreise unternehmen: In welche Epoche reisen Sie?
In die Zukunft: Ich fände es super interessant zu sehen, wo die Welt in 200, 500 1000 Jahren steht! Wenn es nur einen Rückwärtsgang gibt: Zu den Römern, in die Endzeit Republik / Anfang Kaiserzeit – Super interessant!
Sie haben eine Million Euro zur persönlichen Verfügung: Was machen Sie mit dem ganzen Geld?
In coole Start-ups investieren. Zwischendurch vielleicht mal schön in Urlaub fliegen, eine Sache, die im Unternehmerleben leider etwas zu selten macht.
Wie verbringen Sie einen schönen Sonntag?
Morgens: Skateboard fahren im kleinen Skatepark in der Nachbarschaft, danach Brunch mit meiner Familie, danach mit der Family und Freunden zum Segeln auf Müggelsee oder Wannsee hier in Berlin. Abends den Montag vorbereiten.
Mit wem würden Sie sich gerne einmal auf einen Kaffee oder ein Bier verabreden?
Titus Dittmann (Skater und Unternehmer) oder Larry Ellison (Segler und Unternehmer).
Im Fokus: Weitere Fragebögen in unserem großen Themenschwerpunkt 15 Fragen an
Zur Person:
Simon Bungers studierte Neurowissenschaften und Biologie in Göttingen und Catania, ehe er am Max-Planck Institute promovierte. Er arbeitete zunächst als Berater, verkaufte gebrauchte Autos und vertrieb Socken über das Internet, ehe er 2012 labfolder an den Start brachte.