3 Dinge, um die sich junge Startups nicht kümmern sollten
“Think big” – ein allseits bekannter und vor allem in der Start-up-Branche häufig propagierter Satz. Allerdings verleitet er auch den ein oder anderen Gründer dazu, gerade zu Beginn das Wesentliche aus den Augen zu verlieren. Denn auch wenn der Gedanke an die eigene Brand mit schickem Logo und bedeutungsvollen Claim verlockend ist, gibt es andere Dinge, die weitaus wichtiger sind, um ein Unternehmen in das richtige Fahrwasser zu bringen. Paul Jozefak, Geschäftsführer des Innovationslabors Liquid Labs, erklärt, warum gerade der Aufbau der eigenen Marke und zu viel Fokus auf PR und Marketing zu Beginn verschwendete Zeit ist und worauf es wirklich ankommt.
Woran Start-ups scheitern
Die Startup- und VC-Datenbank CB Insights analysiert seit 2014, woran Start-ups scheitern. Mittlerweile zählt die Statistik rund 146 Datensätze gescheiterter Träume. 146 Geschichten von 146 ehemals so optimistisch gestarteten Start-ups. Aber woran scheiterten sie und wahrscheinlich tausend anderen deren Geschichten wir nicht lesen? Der Hauptgrund: Es gab keinen entsprechenden Markt für das angebotene Produkt oder die Dienstleistung. Weitere Gründe: Mangel an Finanzierung und das falsche Team. Ich behaupte viele Start-ups scheitern einfach auch aufgrund von falsch gesetzten Prioritäten. Statt sich mit dem Kern der eigenen Unternehmung zu beschäftigen, versprechen sich viele den Hauptgewinn durch teures Branding und das Anwerfen der Pressemaschinerie – oder ganz einfach gesagt: Es wird Zeit damit verschwendet heiße Luft zu produzieren.
Hier sind daher die 3 Dinge, an die Early Stage Startups keinen Gedanken verschwenden sollten:
1. Branding, Marketing & PR für das eigene Produkt
Es gibt für Start-ups zu Beginn wirklich nichts Unwichtigeres als Branding, Marketing und PR. Denn was bringen ein schickes Logo, ein toller Claim, teure Marketing- und PR-Kampagnen, wenn das Produkt letztlich nicht überzeugt? Nichts außer Kosten und womöglich genau das, was man eben nicht will: einen schlechten Ruf. Denn mit aufgeblasenen Marketingversprechungen werden falsche Erwartungen geweckt, die bei einem noch nicht vollends entwickelten Produkt nur dafür sorgen, dass die Kunden enttäuscht werden. Marktreife entspricht Medienreife. Diesen Grundsatz sollte man im Hinterkopf behalten. Denn wer vorher bereits viel trommelt, wird umso kritischer beäugt oder verspielt die erste Aufmerksamkeit. You never have a second chance to make a first impression. Somit ist auch die Einstellung von teuren Marketingprofis zu Beginn völlig überflüssig. Als Gründer kann man vieles selber erledigen und tut gut daran Personalkosten für Marketing- und PR-Experten zu sparen und lieber in das Fortkommen des Produktes zu investieren.
2. Conferences, Networking und Self-Marketing
Sicherlich gehört Networking zum Gründen dazu. Dennoch sollte jeder Entrepreneur sich zweimal überlegen, auf wie vielen Partys er tanzen möchte. Denn oftmals kann man seine Zeit besser anderweitig nutzen und zwar mit der Weiterentwicklung des Produkts.Ich persönlich meide Events bei denen Early Stage Start-ups bis spät abends an der Bierflasche oder Club Mate Flasche hängen – wer hier zu oft auftaucht, vergeudet Zeit an anderer Stelle. Dementsprechend kritisch sollten Gründer dabei sein, auf welche Events sie gehen. Hierbei ist wie auch bei anderen Dingen weniger oft mehr: Am besten sucht man sich wenige Events heraus, die wirklich wichtig für das Vorankommen der eigenen Idee sind.
Um das herauszufinden, stellt man sich die Kosten-Nutzen-Frage und definiert ein klares Ziel: Wie viel muss ich investieren an Zeit und Geld, um welchen Output zu generieren? Ist der Return on Invest dabei gewährleistet? Was ist das Ziel meines Besuchs? Partner- und Mitarbeitersuche, Kundenakquise oder Investorenansprache? Sobald die Zielsetzung klar ist, bereitet man den Besuch entsprechend vor. Ziellos und unvorbereitet von Event zu Event zu springen bringt einen nicht weiter. Gerade Networking bedarf einer Vorbereitung: Erkundigt euch vorab, wer ebenfalls vor Ort ist und versucht schon im Vorfeld Gesprächstermine zu vereinbaren. So lässt sich der größtmögliche Output generieren. Und wenn es sich nicht lohnt: Zurück ins Büro und weiter arbeiten!
3. Employer Branding, Hipster-Loft & fancy Equipment
Zwar schwingt die Vorstellung von einem coolen Büro, welches dem eigenen Wohnzimmer gleicht, beim Gedanken an das eigene Start-up bei vielen Gründern mit, aber das Klischee mit Kickertisch, Chill-Ecke und Gamingkonsole hört sich zwar toll an, ist aber letzten Ende das: Ein Klischee. Für mich zeugt es im Zweifelsfall eher von falsch gesetzten Prioritäten und wird auch von anderen Early Stage Investoren ungerne gesehen. Wer von Anfang an nur im Luxus arbeitet, wird auch das Geld das ich in ihn investiere mit vollen Händen herauswerfen.
Auch bei Bewerbern und Mitarbeitern weckt zuviel des Guten falsche Begehrlichkeiten. Wollt ihr einen Mitarbeiter einstellen, weil er das Büro und die damit verbundenen Annehmlichkeiten gut findet oder weil er für das Produkt brennt? Jede Investition in Schnick-Schnack gilt es daher zu hinterfragen. Gute Mitarbeiter findet man auch ohne übertriebene Büroausstattung, indem man ihnen eine Vision gibt, die Aussicht die eigenen fachlichen Kompetenzen einzusetzen und weiterzuentwickeln, die Freiheit etwas mitzugestalten und entsprechenden Respekt und Wertschätzung für den erbrachten Einsatz.
Worauf es zu Beginn wirklich ankommt
CB Insights macht es deutlich: Das Wichtigste zu Beginn jedes Start-ups sollte die Durchführung einer Marktforschung und -analyse sein. Tut man dies nicht, läuft man Gefahr, ein Produkte oder eine Dienstleistungen zu entwickeln, die man nicht los wird, weil sie schlicht und ergreifend nicht gebraucht werden. Gründer sollten sich im Vorfeld daher folgende Fragen stellen: Gibt es einen Markt für mein Produkt? Löst mein Produkt oder meine Dienstleistung ein Problem? Wenn ja, wer ist meine Zielgruppe? Und wer sind meine Wettbewerber? Nur mit einer detaillierten Betrachtung potenzieller Kunden lässt sich abschätzen, ob es überhaupt einen Markt für das eigene Produkt gibt.
Ist man sich sicher, dass dieser gegeben ist, heißt es: Produktentwicklung, Produktentwicklung und nochmals Produktentwicklung. Dazu gehört vor allem auch das Produkt-Testing. Fragt Freunde, Familie und die ersten Kunden nach Feedback. Erstellt Beta-Testing-Kampagnen mit denen ihr im Vorfeld eruiert, was dem Produkt fehlt, bevor ihr es mit Marketingfloskeln lauthals in die Welt posaunt. Und bevor man überhaupt daran denkt ein neues Feature einzubauen, stellt sicher, dass das Kernprodukt auf dem bestmöglichsten Niveau ist.
Der Erfolg eines jungen Unternehmens ist jedoch nicht allein vom Produkt abhängig. Es steht und fällt mit dem Team, das an diesem arbeitet. Stellt nur Mitarbeiter ein bei denen ihr euch hundertprozentig sicher seid, dass diese ein Gewinn für das Unternehmen sind, zum Team und Produkt passen. Schreckt auch nicht davor zurück Mitarbeiter zu kündigen, wenn sie nicht direkt die entsprechende Leistung erbringen. Es hört sich hart an, aber es ist so: Man kann schlechte Mitarbeiter nie früh genug kündigen. Erlaubt daher nur den Besten Teil Eures Unternehmens zu sein und seid nur so gut im Einstellen wie ihr auch im Entlassen seid.
Und wann ist nun der richtige Zeitpunkt für Brand Building?
Die Zeit für Brand Building ist gekommen, wenn ihr das beste Produkt habt und zudem bereits sehr glückliche und zufriedene Kunden. Denn wenn man bereits zu Beginn den Fokus zu stark auf Markenbildung setzt, läuft man Gefahr sich eine solide Grundbasis für die zukünftige Richtung zu verbauen. Sobald die ersten Kunden da sind und der erste Umsatz generiert, kann man langsam und vorsichtig damit anfangen Wachstum durch Markenbildung zu forcieren. Aber bedenkt: Die eigene Brand ersetzt niemals den Vertrieb. Sie ersetzt nichts, sondern unterstützt nur.
Über den Autor:
Paul Jozefak ist Managing Director der Liquid Labs GmbH, einem Innovationslabor für neue Unternehmen und Produkte aus dem Bereich Finanztechnologie. Er blickt auf mehr als 15 Jahre Berufserfahrung zurück. Vor seiner Zeit bei Liquid Labs zeichnete er sich bis 2012 als Managing Partner bei Neuhaus Partners verantwortlich. Zuvor war er seit 2001 Head of SAP Ventures Europe. Zudem war er bei Davis Polk & Wardwell, einer der führenden internationalen Großkanzleien und Andersen Consulting in den Bereichen Software, Telekommunikation und Versorgungswirtschaft tätig.
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