Von Team
Montag, 14. März 2016

Der Investor darf gar nicht zum Nachdenken kommen

Ich lasse meine Zuhörer nie nachdenken, denn ich will sie mit meiner Geschichte faszinieren. Ich will, dass sie sich nach meiner Präsentation im dunkeln Wald vor dem Wolf fürchten, der sie blöd von der Seite anspricht. Gastbeitrag von Joachim Günster.

Fessele sie. Lass sie an deinen Lippen hängen. Sei ein Magnet und zieh sie an. Lass sie am Ende ein „WOW“ ausstoßen und sich fasziniert zurücklehnen. Und dann schlage zu. Lass sie unterschreiben, hole Dir das „Go“, das Investment.

Wovon ich rede? Von der ultimativen Präsentation, die einen Investor überzeugt. Von der Story, die jeden mitreißt. Und wie man die gestaltet und vorträgt. Obwohl, in diesem Beitrag geht es eher um das, was man nicht machen sollte und weniger darum, wie man eine solche Story entwickelt, denn wie das geht, ist hier ausführlich beschrieben und steht auch in meinen Buch.

Eigentlich geht es in diesem Beitrag um die PowerPoint Sünden. Aber einmal um andere, über die was man sonst so liest. Weniger Text ist mehr hört man allenthalben. Nicht zu viel Text auf die Folien. Keine Tabellen die größer als 2×2 sind. Mindestens 32 Punkt Schriftgröße.

Nun, das kann man glauben oder nicht. Man kann es so oder anders machen. Aber warum sollte man es doch eher so und nicht anders machen?

Die Neurowissenschaften und die Erkenntnisse helfen da weiter.

Gute Stories faszinieren

Gute Stories müssen gar nicht 100 % faktisch stimmen und zu funktionieren. Sie müssen einfach nur faszinieren. Das kann man erreichen, wenn man die logische und analytische Hirnhemisphäre umgeht. Bei den meisten Menschen ist die linke Hemisphäre für die Analyse zuständig. 1 plus 1 ist 2, 2 mal 8 ist 16 und 21 geteilt durch 7 ist 2.

Stop! Stimmt nicht, meldet sofort die linke Hirnhälfte, 21 geteilt durch 7 ist gar nicht zwei sondern drei. Ha – hab dich!

Und schon hat der Investor die Informationen, die danach kamen nicht mehr gehört. Das was wichtig war, ist verloren gegangen. Nicht beim Investor angekommen. Schade, denn das war gerade der USP, einer der wichtigsten Investmentgründe.

Dieses Risiko ist leicht auszuschließen, indem  man einfach die linke Hirnhälfte überspielt und eine Geschichte erzählt. Wir erinnern und nach Jahren und Jahrzehnten noch an Rotkäppchen, auch wenn dort ein Wolf mit einem Mädchen redet oder noch absurder, dass ein Jäger die Großmutter aus dem Bauch des Wolfes schneidet und Rotkäppchen gleich hinter her. Beide lebend! Da schreit doch die linke analytische  Hemisphäre eines jeden geistig gesunden Menschen ganz laut „Foul“!

Deshalb gilt beim Investment Pitch folgende wichtige Regel: Lass sie nicht nachdenken!

Wenn der Investor nachdenken muss, ob das Präsentierte stimmt, ob es Sinn macht oder ob richtig gerechnet wurde, dann kann er nicht zuhören. Dann bleibt er gedanklich hängen und verpasst wichtige Informationen.

Jeder Zuhörer einer Präsentation wird von dem Vortrag abgelenkt, wenn er zu viel Text lesen kann. Kann! Nicht muss. Wenn ganze Ansätze oder Listen auf den Folien auftauchen. Das Hirn des Investors geht automatisch auf Analyse und Bewertung, rechnet nach und bewertet, was dort zu lesen ist. Dabei ist die Aufmerksamkeit weg vom Vortragenden. Und wehe, wenn die Analyse eine Unstimmigkeit ergibt. Das kann auch schon ein simpler Tippfehler sein, der den Zuhörer ablenkt. Dann ist der Rest des Vortrages sowieso für die Katz. Gut, nachher kommen oft auch noch gute Informationen und man kann den Zuhörer wieder einfangen. Vielleicht. Auf jeden Fall ist er gedanklich gestolpert und damit er das nicht vergisst, macht er sich an der Stelle mal schnell Notizen. Alles in allem vielleicht 30 Sekunden oder 45 Sekunden. Die sind verloren. Unrettbar verloren. Und wenn er noch länger über die Unstimmigkeit nachdenkt und vielleicht sogar abschweift, weil er sich an eine ähnliche Gegebenheit erinnert?

„Damals, als die Grundsoftware GmbH gepitcht hat, hatten die auch dieses Problem falsch eingeschätzt und dort haben wir uns die Finger verbrannt. Genau wie mein Kollege Franz bei Saturn Innovations AG. Ach, da fällt mir ein, dass ich schon lange nichts mehr von ihm gehört habe. Wie es ihm wohl geht?“

Der Investor ist gedanklich weg, der Pitch verloren, das Investment außer Frage, und die Gründer werden mit einem „Tolle Idee, passt leider nicht zu uns, aber dennoch toi toi toi“ entlassen. Ach so. PS: Das ist ein Tippfehler auf der 4. oder 5. Folie!

Lass sie nicht nachdenken!

Aus diesem Grunde ist die überlegene Strategie immer die, die Folien nur so zu gestalten, dass sie den mündlichen Vortrag unterstützen und ergänzen. Meine Folien sind oft nur meine Gedankenstützen und passen immer genau zum mündlichen Absatz an der jeweiligen Stelle. Sie unterstreichen meine Präsentation, meinen Vortrag. Ich gebe keinem Zuhörer, ob Investor oder Kunde die Möglichkeit, mehr als 5-7 Worte, die genau in den Kontext gehören, zu lesen. Diese maximal 7 Worte, wenn die deutsche Sprache es mit weniger nicht zulässt, unterstreichen immer das Gesagte. Bilder und Graphiken unterstreichen meine Aussagen und sind aber immer so einfach, dass sie keiner, wie auch immer gearteten Interpretation bedürfen, geschweige denn zum Nachdenken anregen.

Ich lasse meine Zuhörer nie nachdenken, denn ich will sie mit meiner Geschichte faszinieren. Ich will, dass sie sich nach meiner Präsentation im dunkeln Wald vor dem Wolf fürchten, der sie blöd von der Seite anspricht. Ich will, dass sie meine neue LED-Taschenlampe kaufen, ohne zu verstehen, wie die funktioniert und ohne, dass ich großartig erzähle, wie lange die Entwicklung gedauert hat, wie toll wir sind und wie großartig meine Taschenlampe gegenüber den Mitbewerbern abschneidet. Sie, die Kunden und die Investoren, sollen nur den Drang verspüren im dunkeln Wald mit Licht bewaffnet zu sein. Um den Wolf anzuleuchten!

Aber – ich höre die Einwände laut und deutlich – Investoren wollen doch Fakten und Daten, einen Businessplan und wollen den Beweis, dass wir wissen wovon wir sprechen, dass wir uns genau Gedanken gemacht haben und dass wir den Markt genau kennen, dass wir in der Lage sind, das Produkt zu entwickeln und dass wir die richtigen sind, um es zu vermarkten.

Stimmt. Sie wollen all das wissen und ein sorgfältig ausgearbeiteter Business Plan, den man auch genau erklären kann, gehört dazu. Er ist aber nicht die Präsentation. Er fasziniert nicht, sondern er beweist. Und zuerst einmal muss man soweit kommen, dass man sich beweisen darf.

Also Schritt eins: Faszinieren und zum Beweisen eingeladen werden.

Schritt zwei: Mit einem fundierten Wissen und einem sorgfältig ausgearbeiteten Businessplan Fragen beantworten! Dann, und das ist nach der faszinierenden Präsentation, kommt der Teil, in dem alle wieder die analytische Hirnhälfte einschalten dürfen.

Zur Person
Joachim Günster ist der StoryMaster. Er entwickelt Stories für Start-ups, mittelständige Unternehmen und Konzerne. Er ist seit über 30 Jahren im Verkauf und erfolgreich als Serial-Entrepreneur tätig. Er trainiert und coacht Gründer und Unternehmer, bloggt und betreibt einen Youtube Kanal. Seine Bücher sind Erfolgsgrundlage für viele Start-ups und Vertriebsleute, denn wer seine Storytelling-Techniken anwendet überzeugt Investoren und Kunden. Er ist Experte für Content Marketing und versteht wie man Stories in kleinen Happen über Twitter und Facebook und andere sozialen Medien verbreitet.

Foto: a businessman sitting in a desk showing a drawn dollar sign in his hand from Shutterstock