Nur ein sicherererer Kunde ist ein guter Kunde
Kunden entscheiden mit der Brieftasche. Kunden reden schlecht über Anbieter. Dabei wollen Kunden nur Eines: Sicherheit, mit Produkten und Dienstleistungen nicht auf die Nase zu fallen. Thomas Keup baut das Marketing für einen Naturshop auf. Der PR-Spezialist und Schnäppchenjäger geht mit uns spazieren – in den Hinterköpfen ängstlicher Kunden.
Im Dezember vergangenen Jahres bestellte ich über den Marktplatz von Rakuten einen neuen HP-Drucker für mein Büro. Der Laserdrucker wurde als Vorführgerät angeboten und war 30 Euro günstiger, als Vergleichsangebote auf Idealo. Leider hatte ich zwei Tage nach meiner Bestellung noch keine Eingangsbestätigung und der Verkäufer von Tinten und Toner war telefonisch leider nicht erreichbar. Ich fühlte mich unsicher und wollte kein Problem bekommen.
Ich rief beim Kundendienst an, stornierte die Bestellung und bekam mein Geld zurück. Ich war froh, über einen Marktplatz bestellt zu haben, der die Zahlung abwickelt. Ich konnte sicher sein, nicht einem Betrüger auf den Leim zu gehen. Ähnliche Erlebnisse hatte ich zuvor auf Aliexpress mit chinesischen Händlern, Amazon, Ebay, Hitmeister und Pixmania mit einem italienischen Handylieferanten. In allen Fällen hatte ich zum Glück keinen Schaden.
Als Kunde will ich sichererererer sein.
Das Fazit der Geschichte ist schnell erzählt: Als Kunde will ich sicher sein, dass zu bekommen, was ich bestellt habe. Dafür bin ich bereit, den vereinbarten Preis zu zahlen. Geht einmal was schief – und das kann immer passieren – erwarte ich, dass mir schnell und umfassend geholfen wird. Beschädigtes Vertrauen durch nicht angekommene, falsche oder kaputte Produkte und Lieferungen will ich so schnell wie möglich wieder vergessen.
Als Kunde will ich sicher sein, keinen Ärger mit dem Händler und seiner Lieferung zu haben. Deshalb bieten Marktplätze umfassenden Schutz an, wie Amazons A-Z-Garantie und den Ebay-Käuferschutz. Deshalb bieten Zahlungsdienstleister wie Paydirekt und Paypal einen Schutz für den Fall der Fälle. Deshalb gibt es Angebote für unabhängige Händler von Trusted Shops. Und deshalb gibt es die Gütesiegel von EHS, IPS oder TÜV Süd.
Alles Andere ist versprochen-gebrochen.
In den vergangenen Wochen habe ich für einen neuen Naturshop u. a. Vorlagen für Newsletter, Bestellbestätigung, Retourenanforderung und Reklamationen getextet. Dabei habe ich mich in die Situation als Kunde versetzt und überlegt, was mir wichtig ist. Neben einem kostenlos erreichbaren Kundendienst, einem erweiterten Rückgaberecht und allen wichtigen Informationen ist es vor allem eine Frage der Wortwahl, ob wir Vertrauen gewinnen, oder dem Kunden vor den Kopf stoßen.
Als Kunde will ich ernst genommen werden, erwarte faires Miteinander und ich will im Falle eines Falle keinen Stress. Leider sitzen im Kundendienst vieler Startups junge Mitarbeiter/innen, die kaum geschult auf verärgerte Kunden losgelassen werden. Das kostet nicht nur Vertrauen, sondern bares Geld. Wenn ich einem Kunden sage, dass sich der zuständige Mitarbeiter um das Problem kümmert, sollte das auch passieren. Alles Andere ist “versprochen-gebrochen.”
Die Motivation: Erwartungsgewissheit.
Vor vielen Jahren arbeitete ich in einer privaten Arbeitsvermittlung. Unser verantwortlicher Manager war ein ehemaliger Pastor. Auf der Rückfahrt von einem Termin sprachen wir darüber, was uns antreibt und manchmal auch ausbremst. Eine mir bis heute in Erinnerung gebliebene Kernaussage lautet: ‘Erwartungsgewissheit ist unsere größte Motivation, etwas zu tun’. Dieses Statement fiel mir wieder ein, als ich über diesen Beitrag nachdachte.
Warum entscheiden wir uns für den einen und nicht für den anderen Händler? Warum bleiben wir bei der einen und wechseln nicht zur anderen Marke? Warum kommen wir zu einem Anbieter zurück, bei dem zuvor etwas daneben ging? Meine Antwort lautet: Weil wir sicher sind, was wir bekommen. Für welches Produkt wir uns entscheiden, hängt vom Angebot und unseren Erwartungen ab. Dahinter steht immer der Wunsch, sicher zu sein, nicht auf die Nase zu fallen.
A und O: Anerkennung & Wertschätzung.
Wie können wir in Handel und Dienstleistungen Kunden davon überzeugen, zu uns zu kommen, und nicht zum – möglicherweise bekannteren oder etablierteren – Wettbewerber? Diese Frage sollte sich jedes (junge) Unternehmen stellen, das wachsen will. Vorweg geschickt: Die tatsächliche Qualität einer Lieferung oder Dienstleistung kann ein Kunde nur schwer beurteilen, bevor er sie nicht kennengelernt hat. Das gilt für nahezu jedes Geschäft.
Im B2B- wie im B2C-Kaufprozess gibt es “Momente der Wahrheit”. Im Einzelhandel locken wir mit Preisnachlässen, um dem Kunden Anerkennung und Wertschätzung zu bieten. Im B2B-Marketing biete ich vor allem wertvolle Informationen – wie Whitepaper, Studien, Präsentationen oder Gastbeiträge, die dem Kunden zeigen, das es mir ernst ist mit einer qualifizierten Leistung, auf die er sich rundherum verlassen kann.
Entscheidet sich der Kunde für mich als Anbieter, möchte er sicher sein, nicht daneben zu liegen. Im B2C kommen an dieser Stelle Gutscheine zum Einsatz. Im B2B kann ich dies durch exklusive Vorteile ermöglichen. Dabei gilt: “Mehr für weniger.” Kein Kunde wird zu mir wechseln, wenn er mehr Leistung bekommt oder weniger bezahlt. Ein überzeugender Vorteil besteht immer aus “Mehr für weniger”. Das kann auch einen geldwerten Vorteil umfassen.
Der entscheidende “Moment der Wahrheit” findet im After Sales (roter Bereich “CRM”) statt. Im positiven Fall bedankt sich der Partner mit kleinen Geschenken. Im B2B sind es Know-how-Transfer, Vernetzung mit Kontakten sowie kleine Tipps & Hilfestellungen – unabhängig von der Zusammenarbeit. Im negativen Fall ist es die schnelle und erfolgreiche Fehlerkorrektur. An dieser Stelle versagen viele Händler und Dienstleister. Hier gewinnt Amazon jeden Wettbewerb.
Ein verärgerter Kunde redet bis zu 15 mal.
Ein Geschäftsprozess mit Business Development, Pre Sales, Moment of Purchase und After Sales endet immer im Advocacy Marketing – oder auch nicht. Ein “zufriedener” Kunde macht gar nichts. Er kauft zweimal im Jahr ein und das war’s. Ein verärgerter Kunde redet über das gebrochene Versprechen 10-15 mal mit Freunden und Bekannten – allerdings negativ. Nur ein begeisterter Kunde ist bereit, über seine Erlebnisse mit Produkten und Leistungen positiv zu reden. Genau hier beginnt das Empfehlungsmarketing.
Punkte, Gutscheine und Gutschriften für Empfehlungen mögen kurzfristig funktionieren, um KPIs “aufzufrischen”. Längerfristig funktioniert nur ein Weg: kontinuierliche Überfüllung der Leistung. Auf gut deutsch: “Promiss less – deliver over.” Viele Startups arbeiten nach dem Grundsatz “Promiss over – deliver less.” Diese Reihenfolge funktioniert nicht, wie die Beispiele u. a. von Rocket Internet-Startups beweisen. Genau hier entscheidet sich, ob ich erfolgreich oder erfolglos bin.
Nicht vergessen: Tue Gutes und rede darüber.
Zu guter Letzt sollte man nicht vergessen, über die eigenen Möglichkeiten, Besonderheiten und Erfolge zu reden. In der Kommunikation gilt: “Tue Gutes und rede darüber.” Diesen Grundsatz sollte man wörtlich nehmen. Dazu sollte man einen guten Job machen und Vollprofi sein, z. B. in Marketing und Kommunikation für B2B. Wenn die eigenen Kunden wissen, wie gut man ist, können sie darüber reden. Und sich freuen, auf der sicheren Seite zu stehen.
Übrigens: Den eingangs erwähnten Laserdrucker habe ich drei Tage später als Warehouse-Deal im britischen Amazon-Shop mit 30% Rabatt bestellt. Meine Erwartungen an die korrekte Beschreibung des Produkts und eine zuverlässige Lieferung wurden bestätigt. Wieder einmal hat mir Amazon als “Servicemeister” Sicherheit gegeben und sich nach dem Drucker bis heute 20 weitere Bestellungen gesichert. Eine wertvolle Beziehung, die sich für beide Seiten lohnt.
Über den Autor:
Thomas Keup ist langjähriger Journalist und Kommunikationsspezialist in Berlin. Seit mehr als 24 Jahren arbeitet er für Hörfunk, Fernsehen und Online-Medien, u. a. als Chefredakteur von Gründermetropole Berlin und Gastautor für Deutsche Startups. Seit 18 Jahren betreut er Konzerne, Mittelständler, Verbände, Startups und Tech-Comunities in ihrer Kommunikation, in Social Media und Marketing. Mit dem Startup-Service Spreefactory engagiert sich Thomas Keup u. a. in den Bereichen E-Commerce, E-Health, FinTech und Mobile Apps. Weitere Informationen im Blog und auf spreefactory.com.
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